Deutscher Western "Gold" Pass dich an oder stirb

Im Western "Gold" von Thomas Arslan versuchen sieben deutsche Auswanderer, sich in der Wildnis von Kanada ein neues Leben aufzubauen - und reiten in ihr Verderben. Eine bittere Saga über glücklose Glücksritter - mit einer Heldin, die als einzige weiß, wie die Wälderhölle zu überleben ist.
Deutscher Western "Gold": Pass dich an oder stirb

Deutscher Western "Gold": Pass dich an oder stirb

Foto: Patrick Orth/ Schramm Film

Sie reiten und reiten. Hinter ihnen liegen Großstädte, Erfahrungen, Armut, Beziehungen, vor ihnen Kanada mit seinen Flüssen, durch die das Gold nur so klimpern soll, und damit Hoffnung, Zukunft, Reichtum. Es ist 1898, der Höhepunkt des Goldrauschs, sieben deutsche Auswanderer machen sich per Pferd und Planwagen daran, das fremde Land zu erobern, den Kapitalismus zu testen, endlich etwas haben, jemand sein. Thomas Arslan, dessen Filme ("Im Schatten", "Geschwister") stets gleichermaßen intime Porträts wie umfassende Gesellschaftsanalysen sind, hat einen Spätwestern über mögliche Vorfahren gedreht.

"Das war schon mein Zugang, dieser deutsche Aspekt", sagt Arslan und erzählt von den Aufzeichnungen, aus denen er seine Geschichte entwickelt hat. Reisetagebücher, persönliche Notizen und Briefe hat er studiert, sie stammen von deutschen Einwanderern und Goldsuchern, größtenteils gescheiterten: "Anfangs gab es meist viele hoffnungsfrohe Beschreibungen, angesichts der steigenden Strapazen der Reisen wurden die Einträge sichtlich karger, die Kräfte schwanden dahin."

Auch die Kräfte der zusammengewürfelten Gruppe im Film, die sich unter der Führung des angeblich wildniserfahrenen Wilhelm Laser (Peter Kurth) auf die Reise macht, verändern sich, genau wie die Dynamiken untereinander. Und man muss genau hingucken, um die innere Reise in der sich immer frustrierender gestaltenden äußeren Reise zu erkennen.

Fotostrecke

"Gold": Höllentrip ins Unglück

Foto: Patrick Orth/ Schramm Film

Beim deutschen Wettbewerbsbeitrag der diesjährigen Berlinale geizten darum vor allem die Landsleute nicht mit Kritik. Langweilig sei das Gereite, die seltene Komik unfreiwillig, man freue sich bereits, wenn mal eine Schindmähre stolpere, viel zu klassisch werde das ausgelutschte Genre bedient, überhaupt passiere so gut wie nix. Nach der Premiere schnitt Arslan den Film noch einmal, verkürzte ihn um 13 Minuten. Angeblich nicht aufgrund jener Kommentare: "Die Schnitte betreffen hauptsächlich das erste Drittel", sagt er, "mir ging die Reise selbst zu spät los." Er nehme einigermaßen sachliche Kritik ernst, sagt er, "es ist nicht so, dass die eigene Arbeit unantastbar ist." Tatsächlich ist sein Film nun nicht schneller, aber gleichmäßiger.

Und so gibt er einem satt Zeit, sich auf die Charaktere einzulassen: Fast scheinen es menschliche Archetypen zu sein, die Arslan in die Westernumgebung hineinkonstruiert. Der Aufschneider: Gruppenleiter Laser verliert erst den kartografischen Überblick, dann den Mut. Die Pragmatiker: Das aus Röstzwiebelpulver und Flusswasser salzige Matschepampe kochende Pärchen Maria und Otto, das den Planwagen stehen lassen muss und später selbst zurückbleibt. Der Verschlossene: Pferdepfleger und Packer Carl Boehmer (Marko Mandic) hält sich so im Hintergrund, dass seine Geheimniskrämerei umso mehr auffällt. Und die Frau: Emily (Nina Hoss) ist Dreh- und Angelpunkt der Geschichte, mit ihr beginnt und endet sie.

In die Fänge des Todes

Er sei auf wenige Frauenschicksale bei seinen Recherchen gestoßen, begründet Arslan die Wahl einer Protagonistin, doch die hätten ihn besonders fasziniert: "In dem Zusammenhang erlebt eine Frau noch eine andere Form von Außenseitertum, und es bedarf einer größeren Stärke, das trotzdem durchzuziehen". Emily steht - mehr als die anderen - für die Jahrhundertwende und damit für den Übergang in ein moderneres Zeitalter: "Ich wollte 1898 als Zeit ernst nehmen", sagt Arslan.

Emily ist geschieden - eine neue Sitte aus den relativ jungen USA. Sie ist hübsch, aber stellt es nicht aus, Nina Hoss trägt Hut und hochgeknöpftes Kleid, das im Laufe des Höllentrips leidet. Sie ist höflich, aber unnahbar. Sie beobachtet, sie lässt sich von den scheelen Blicken des Kochpärchens nicht irritieren, sie weist Annäherungsversuche entschieden zurück: "Manchmal möchte man allein sein", sagt sie zum sechsten Gruppenmitglied, dem Journalisten Gustav Müller (Uwe Bohm), einem Glücksucher mit Alkoholschwäche, der ihr aus eigennützigen Gründen sein Herz zu öffnen versucht. Der siebte ist der gutmütig-verzweifelte Familienvater Rossmann (Lars Rudolph), der Frau und Kind etwas Besseres bieten will. Auch zu ihm bleibt sie auf Abstand.

Aber Emily vertraut, anfangs vorsichtig, doch einem der Menschen. Genau das muss sie tun: Arslans Film ist, neben einem bitteren Porträt glückloser Immigranten, auch eine Geschichte von Adaption. Je genauer die Wahl, wem man sein Vertrauen schenkt, desto größer die Chance, die Wälderhölle zu durchleben - um am Ende mit Gold belohnt zu werden. Die Frau, die anscheinend Schwächste der Gruppe, erweist sich so als Zäheste. Was den anderen Klötze am Bein sind - der Alkohol, die Familie, Krankheiten, Geheimnisse aus der Vergangenheit - spielt bei ihr keine Rolle. Stoisch nimmt sie die Gefahren, wie sie kommen, vielleicht, weil sie am wenigsten zu verlieren hat. Für sie ist Veränderung unausweichlich.

Erzählt wird in "Gold" weniger durch Interaktionen oder kurze, manchmal sogar für das steife ausgehende 19. Jahrhundert zu hölzerne Dialoge, sondern vor allem mit Landschaftsbildern, typischen Westernhorizonteindrücken, die die Menschen regelrecht zu verschlucken scheinen. Immer unübersichtlicher wirkt das unerschlossene Gelände, immer stärker der Eindruck, die Gruppe trabe in die Fänge eines Todeskommandos. Dazu wabert eine verlorene Gitarre, die ein wenig an Jim Jarmuschs Anti-Western "Dead Man" erinnert.

Im Gegensatz zu Jarmusch lässt Arslan jedoch nicht viel Platz für Humor oder Western-Coolness. Nur in wenigen Szenen blitzt vom Regisseur durchaus beabsichtigte Situationskomik auf, wenn etwa Emily, sich der Blicke des miesepetrigen Kochpärchens bewusst, auf dem Weg zum Fluss einen Ausfallhopser macht.

Und wenn es auch etwas von einem morbiden Abzählreim hat, wie nach und nach erst Tiere, dann Menschen minimiert werden, und wenn man auch das Ende erahnt: "Gold" ist bitter und konsequent genug, um zu faszinieren. Und um eindrucksvoll darauf hinzuweisen, wie wackelig die mächtige amerikanische Einwanderergesellschaft einst begann.

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren