
Flucht-Drama: Was wirklich zählt
"Die letzten Tage des Parvis K." Auf der Suche nach der Tochter
Parvis Karimpour kann nur noch schwer atmen, hat heftige Hustenanfälle, spuckt Blut. Schon bevor er in ein Schlauchboot zu den anderen Flüchtlingen steigt, ist er ein Todgeweihter. Trotzdem lässt er nicht von seinem Plan ab: Von Iran nach Dubai, von dort an die algerische Küste und weiter über den Seeweg, bis er in Spanien ankommt. Dort kann er sich unbemerkt auf die Ladefläche eines Lastwagens schmuggeln. In Madrid endet die Reise - vorerst.
Der Film "Die letzten Tage des Parvis K." beschreibt eine Flüchtlingsodyssee, die den Perser augenscheinlich in europäische Sicherheit bringt. Doch ihm geht es nicht darum, hier ein neues Leben aufzubauen, wie es Hunderttausende Menschen aus Syrien, Afghanistan und anderen Ländern versuchen.
Karimpour ist zwar einer von ihnen, ein Flüchtling, ein illegal Eingereister, aber er ist doch anders: Er sucht nicht nach einem besseren Leben, denn er hat längst keins mehr. Nur noch ein paar Monate bleiben ihm, das hat ihm sein Arzt diagnostiziert. Daraufhin beginnt er, nach seiner einzigen Tochter, Nasrin, zu suchen, die in Madrid wohnen soll und mit der er sich vor dem Tod noch aussöhnen möchte.
Der Hamburger Regisseur Henrik "Henna" Peschel inszeniert mit seinem Drama um den todkranken Perser ein Stück über Demut und Menschlichkeit. Der Film wurde bereits 2013 beim Cambridge Film Festival uraufgeführt und hat zahlreiche Preise verliehen bekommen, etwa den "Best Cinematography Award" beim Harlem Film Festival. Jetzt ist der Film auch in Deutschland angelaufen.
Und jetzt Politik
Peschel geht mit "Die letzten Tage des Parvis K." neue Wege. Es ist sein vierter Film, die vorherigen hat er alle mit wenig Budget realisiert, es waren Hamburger Stadtteilfilmewie der Prollfilm "Rollo Aller" mit Rocko Schamoni (St. Pauli) und die Tagedieb-Elegie "Mad Boy" (Hamburg-Wilhelmsburg). Seinen neuen Film drehte der Regisseur an Originalschauplätzen im Ausland und in mehreren Sprachen. Und auch inhaltlich verändert er sich: "Die davor waren lustiger", sagt er in einem Videointerview. Jetzt habe er etwas Politisches machen wollen.
Karimpour (Ramin Yazdani, "Der Medicus") inszeniert er dabei als einen Mann mit Würde und Willen. Er besitzt zwar nicht viel mehr als die ballonseidene Trainingsjacke am Leib, schläft unter Pappkartons im Freien und hat in dem fremden Land quasi keine Rechte und Möglichkeiten, trotzdem verbittert er nicht. Er beschwert sich nicht einmal.
In der Innenstadt von Madrid angekommen, spricht er einen Restaurantbesitzer an: "Verzeihung, ich habe Hunger". Der weist ihn erst rüde zurecht, gibt ihm dann aber doch noch die Brotreste von den Tischen, auf denen halb volle Teller stehengelassen wurden. Um an Geld zu kommen, heuert der Todkranke später als Reinigungskraft an und wischt auf Knien die Essensreste der Wohlstandsgesellschaft weg, Spaghetti und Tomatensoße, alles landet im Müll.
"Ich mochte den Präsidenten nicht"
Peschel erlaubt nachdenkliche Momente und lässt die Charaktere sich erst spät erklären. Die Kameraführung von Kristian Leschner ("Der Tatortreiniger") setzt auf stille, großformatige Bilder statt Schwenks und inflationärer Nahaufnahmen.
Die Bilder stehen im Kontrast zu dem existenziellen Kampf von Karimpour, der nur am Rande immer wieder in Erinnerung gerufen wird, etwa wenn er nach einem Zug an einem Joint hustend zusammenbricht. Sie spiegeln aber die Ruhe eines Mannes, der am Ende seines Lebens angekommen ist und nicht mehr dagegen ankämpft. Die Demütigungen, der körperliche Verfall, das alles ist am Ende egal.
Deutlich politisch wird der Film, wenn Karimpour fast beiläufig von seiner Inhaftierung in Iran erzählt. "Ich mochte den Präsidenten nicht", erklärt er das. Dort, in der Haft haben sie ihm die Finger gebrochen, erzählt er, und im Dunkeln ausharren lassen. Dabei habe er erkannt, was im Leben wirklich wichtig ist. Bald kommt für ihn die ganz große Dunkelheit.
Im Video: Der Trailer zu "Die letzten Tage des Parvis K."