Zum Tod von Douglas Trumbull »Als ob man Gott fotografiert«

Szene aus »2001: Odyssee im Weltraum« (1968): An Stanley Kubricks Film waren vier Effektspezialisten beteiligt, Douglas Trumbull war der einflussreichste
Foto:ddp images
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Mit einem Telefonanruf bei Stanley Kubrick im Jahr 1964 begann die große, schwierige, von fantastischen Erfindungen und tragischen Rückschlägen geprägte Karriere von Douglas Hunt Trumbull, Spezialeffekte-Designer und Regisseur. Er habe gehört, dass Kubrick gerade die Dreharbeiten zu einem Science-Fiction-Film vorbereite, einer seiner Kollegen sei dafür engagiert worden – ob er auch mitmachen dürfe? Er durfte. Und half maßgeblich dabei, einen Film zu erschaffen, der Maßstäbe setzte, bis heute, nicht nur für das Science-Fiction-Genre, sondern für die Filmkunst überhaupt.
Trumbull war damals Anfang 20 und als Maler und Grafiker bei einer kleinen Trickfirma in Hollywood angestellt, nachdem die großen Zeichentrickstudios seine Bewerbungen abgelehnt hatten. Dementsprechend klein war die Aufgabe, die Kubrick ihm zunächst zuteilte. Trumbull sollte die Grafiken erstellen, die auf den Computerbildschirmen der Raumschiffe in »2001« zu sehen waren. Im Film wirken sie wie Computergrafiken, in der Realität gab es so etwas Mitte der Sechzigerjahre natürlich noch nicht. Trumbull fotografierte also Tabellen und Grafiken aus technischen Büchern und Zeitschriften und animierte diese.

Filmpionier Douglas Trumbull: Sinn für große Bilder
Foto:Pier Marco Tacca / Getty Images
Kubrick gab seinem Schützling immer größere Freiheit und beauftragte ihn schließlich damit, den Höhepunkt des Films, die sogenannte Star-Gate-Sequenz, zu filmen, in der der Astronaut Bowman in einer Raumkapsel anscheinend durch Raum und Zeit fliegt. Für die spektakuläre, psychedelische Sequenz, ein Farbenrausch, der den Zuschauer förmlich in die Leinwand (oder den Bildschirm) saugt, setzte Trumbull den sogenannten Slitscan-Effekt ein, der verzerrte und deformierte Bilder produziert und den Trumbull entscheidend weiterentwickelte.
Vor allem aber gelang es ihm, damit neue Bildwelten zu öffnen und das Kino über die Grenzen des Verstandes hinauszubefördern. Die Sequenz, kombiniert mit der geisterhaften Chormusik von György Ligeti, ist Film in reinster Form: Sie lässt sich nicht in Sprache übersetzen und funktioniert anders als andere Kunstformen wie Literatur, Fotografie und Musik, obwohl sie bei ihnen allen Anleihen macht.
1977 sagte er dem SPIEGEL über seine Arbeit: »Ein Ufo auf die Leinwand zu bringen, das ist, als ob man Gott fotografiert«. Vier Designer besorgten die Spezialeffekte bei »2001«, aber dass von ihnen immer nur Trumbull genannt wird, liegt auch an diesem Verständnis seiner Kunst.

Trumbulls eigene Regiearbeit »Lautlos im Weltraum« (1972) ging – auch wegen fehlender Werbung – an den Kinokassen unter
Foto: United Archives / ddp imagesUnd daran, dass Trumbulls Karriere auch nach diesem Film schillerte, wenn auch teils wegen der bizarren Niederschläge, die das Hollywood-System ihm zufügte. Mit seiner Arbeit an dem Film »Andromeda – Tödlicher Staub aus dem All« festigte er zunächst seinen Ruf als besonders begabter Techniker. Aber Trumbull, der mit Kubrick nicht nur positive Erfahrungen gesammelt hatte (»als Boss war er die Hölle, ein absoluter Perfektionist«), wollte seine eigenen Filme machen.
Mit »Lautlos im Weltraum« gab er sein Regiedebüt, aber trotz positiver Kritiken ging der Sci-Fi-Thriller mit ökologischer Botschaft an den Kinokassen unter. Das produzierende Universal-Studio, das Trumbull ein Mini-Budget von einer Million Dollar zur Verfügung stellte (»2001« kostetet das Zehnfache), verzichtete komplett auf Werbung und hoffte auf Mund-zu-Mund-Propaganda, die aber ausblieb.
Danach versuchte Trumbull jahrelang, die Budgets für neue Filmprojekte zusammenzubekommen, immer ohne Erfolg. Manchmal standen die Dreharbeiten kurz vor dem Beginn, als die Finanzierung in sich zusammenfiel. Er schlug das Angebot aus, an »Star Wars« mitzuarbeiten, war aber maßgeblich an Steven Spielbergs Klassiker »Unheimliche Begegnung der dritten Art« beteiligt und rettete schließlich 1979 die Produktion »Star Trek: Der Film« vor dem Untergang.
Der eigentlich engagierte Trickspezialist hatte sich an dem Projekt verhoben und kurz vor Kinostart nur wenige Sekunden der nötigen Spezialeffekte vorgelegt. Douglas Trumbull sprang mit seinem Team ein und arbeitete sechs Monate lang Tag und Nacht. Der Film wurde rechtzeitig fertig, Trumbull landete mit Magengeschwüren und Erschöpfungszuständen im Krankenhaus.

Auch das dystopische Los Angeles der Zukunft aus »Blade Runner« (1982) ist die Erfindung von Douglas Trumbull
Foto: ddp images»Blade Runner« ist ein weiterer Klassiker, an dem Trumbull mit seinem ganz eigenen Stil beteiligt war, hier sorgte er vor allem für die Stadtansichten des dystopischen Los Angeles. Seine nächste eigene Regiearbeit führte schließlich in die Katastrophe und zu seinem Ausstieg aus Hollywood.
Er wollte »Brainstorm« ursprünglich in einem eigens entwickelten Aufnahmeverfahren mit 70mm-Material filmen, mit dem Ergebnis eines wesentlich helleren und klareren Bildes. Aber Anfang der Achtzigerjahre hatte sich in den USA der Trend zum Multiplex durchgesetzt. Die Kinosäle und damit auch die Leinwände schrumpften signifikant, und die Kinoketten weigerten sich, nur für diesen einen Film neue Projektoren anzuschaffen.
Trumbull musste seinen Film also auf normalem 35mm-Material drehen. Als dann auch noch seine Hauptdarstellerin Natalie Wood unter mysteriösen Umständen verstarb, lag der so gut wie fertige Film zwei Jahre lang auf Eis. Schließlich brachte das produzierende MGM-Studio »Brainstorm« widerwillig, ohne Werbung und mit wenigen Kopien in die Kinos, wo er wenig überraschend floppte.

Zuletzt arbeitete Trumbull an »The Tree of Life«, für den Regisseur Terrence Malick 2011 in Cannes mit der Goldenen Palme ausgezeichnet wurde
Foto: United Archives / ddp imagesTrumbull zog sich aus dem aktiven Filmgeschäft zurück und bastelte auf seinem Anwesen in Massachusetts an Erfindungen und neuen Aufnahmetechniken. Einmal noch kehrte er für den Regisseur Terrence Malick zurück an ein Filmset und arbeitete an den Spezialeffekten von »The Tree of Life«, mit Techniken, die er schon in »2001« angewandt hatte.
Trumbull träumte weiter davon, das Kinoerlebnis durch hellere Bilder, eine höhere Bildfrequenz und größere, gebogene Leinwände zu steigern. Er sagte: »Meinetwegen dürfte es gern ein paar billige Multiplexe weniger geben, wenn die verbleibenden Kinos dafür spektakuläre Filmtheater wären.« Trumbull blieb ein Visionär, dessen Ideen dem Kino im Überlebenskampf gegen die Streamingdienste vielleicht noch zugutekommen könnten.
Douglas Trumbull, dessen Vater schon an den Spezialeffekten des Klassikers »Der Zauberer von Oz« beteiligt gewesen war, kämpfte in seinen letzten Lebensjahren mit Krebs, einem Hirntumor und einem Schlaganfall. Er starb am 7. Februar im Alter von 79 Jahren.