Episodenfilm "Crossing Over" Einwanderer zum Aus-dem-Kino-Wandern
Es ist immer schön, wenn sich Hollywood-Stars auch mal kleineren Projekten zuwenden. Etwas mit Anspruch und Botschaft, nicht immer das Kommerzeinerlei aus Action-Blockbuster und romantischer Komödie. Manchmal werden sogar mit dem Oscar gekrönte Erfolge daraus, wie bei "L.A. Crash" von Paul Haggis aus dem Jahr 2005: Glamouröse Gutmenschen wie Sandra Bullock, Matt Dillon und Don Cheadle taten sich da zusammen, um ein Zeichen zu setzen gegen den alltäglichen Rassismus in Los Angeles.
"L.A. Crash" scheint dann auch die Blaupause gewesen zu sein für "Crossing Over", Wayne Kramers Versuch, sich den Problemen von illegalen und legalen Einwanderern in Kalifornien zu nähern. Mit ineinander gewobenen Episoden und einer recht beeindruckenden Besetzung von Harrison Ford über Ray Liotta bis Ashley Judd soll das Panoptikum einer sozialen Schieflage ausgebreitet werden, engagiert und zeitgemäß.
Der Grenzcop Max (Ford) trifft bei einer Razzia auf eine Mexikanerin, die sofort ausgewiesen werden muss, aber ihren kleinen Sohn zurücklässt, den Max dann, von einem schlechten Gewissen geplagt, zu finden versucht. Sein Kollege Hamid (Cliff Curtis), erfolgreicher und scheinbar bestens integrierter Polizist mit iranischen Wurzeln, muss sich indes mit Fragen von Ehre und Familienloyalität auseinandersetzen, als der Streit seiner westlich orientierten Schwester und seinem konservativen Vater zu eskalieren beginnt. Eine australische Schauspielerin (Alice Eve) versucht, sich ihre Green Card durch Sex mit einem skrupellosen Beamten (Liotta) zu erschlafen. Dessen Ehefrau (Judd) wiederum betreut eine muslimische Familie, die auseinanderzubrechen droht, nachdem die Tochter im Teenageralter zur Terrorverdächtigen wird. Dann gibt es noch einen koreanischen Jungen (Justin Chon), der kurz vor seiner Einbürgerung steht, aber auch vor einer Karriere als Mitglied einer Gang. Und einen britischen Musiker (Jim Stuergess), der seinen jüdischen Hintergrund als Ticket zur Aufenthaltsgenehmigung zu nutzen versucht.
Nun zeichnete sich auch "L.A. Crash" nicht immer durch ein Übermaß an Subtilität aus. Doch "Crossing Over" ist derart fixiert auf die allerhaarsträubendsten Geschichten (Sex gegen Einwanderung! Ehrenmord!! Terrorteenies!!!), dass das irgendwann an der Glaubwürdigkeit nagt. Die Schauspieler leisten souveräne Arbeit, doch in fast jedem Erzählstrang schlägt das Schicksal derart grausam zu, dass ihnen irgendwann auch nicht mehr bleibt als ein Gesichtsausdruck zwischen Erschütterung und tiefer Sorge. Nur in der Geschichte des jüdischen Musikers geht es gelegentlich etwas heiterer zu, was dann angesichts des Elends Drumherum auch wieder nicht richtig passen mag.
Manche Handlungsstränge - besonders der von Ford - sind packend und spannend erzählt, werden aber unterminiert von dem albernen Zwang, dass sich die Geschichten immer irgendwann kreuzen und beeinflussen müssen.
Muss man es einem alternden Cop aufbürden, erst ein verschwundenes Kind und dann seine verschollene Mutter zu suchen, wenn man nebenbei noch die Klärung eines Ehrenmordes von ihm erwartet? Wenn er insgesamt in höchstens 30 von 113 Minuten Filmzeit auftaucht?
"Crossing Over" hat zu viel Inhalt und zu wenig Zeit, um alle guten Absichten zu einem überzeugenden Film zu bündeln.
Und gute Absichten allein, das hat noch nie gereicht.