Mögliche Kooperation Wie eine Pornowebsite dem Oldenburger Filmfestival helfen könnte

Szene aus Doku "Shakedown": "Andere Festivals, die virtuell stattfanden, mussten vier oder fünf Server anmieten"
Foto: Leilah WeinraubSPIEGEL: Herr Neumann, Sie wollen Ihr Festival im September stattfinden lassen, wissen aber noch nicht, wie Sie die Filme im Kino zeigen können. Jetzt hat Pornhub offenbar angeboten , sie zusätzlich im Netz zu präsentieren. Eine eher ungewöhnliche Kooperation, oder?
Torsten Neumann: Es gab schon im letzten Jahr eine Zusammenarbeit. Wir haben damals einen Kurzfilm von Bella Thorne gezeigt, den Pornhub produziert hatte. Die haben eine eigene Reihe ins Leben gerufen, in der sie Konzeptkünstlern und Filmemachern die Möglichkeit geben, ungewöhnliche Projekte zu realisieren, die nicht zwingend pornografisch sind. Thornes Film war stark von Gaspar Noés Ästhetik beeinflusst.

Torsten Neumann kam 1965 in Hannover zur Welt und leitet seit 1994 das von ihm mitgegründete Oldenburger Filmfest, das alljährlich im September stattfindet und vom US-Branchenblatt "Variety" als das "Sundance von Deutschland" bezeichnet wurde. Neumann, der auch selber einige Filme produzierte, holte Hollywood-Stars wie Nicolas Cage oder Keith Carradine nach Oldenburg, widmete Regisseuren wie Abel Ferrara Retrospektiven und machte das Festival zu einer Plattform für spannendes Independent-Kino.
SPIEGEL: Die Plattform Youporn hatte dem Festival von Cannes, das wegen der Coronakrise abgesagt werden musste, einen ähnlichen Vorschlag gemacht. Rettet die Pornobranche die Filmkunst?
Neumann: Das habe ich mit einem Augenzwinkern verfolgt. Ich finde den Gedanken toll, Filmen, die sperrig und abseitig sind, die jenseits des Mainstreams liegen, eine solche Plattform zu bieten. Cannes hat das Angebot von Youporn erwartungsgemäß abgelehnt. Wir wollen unser Festival im September auf jeden Fall stattfinden lassen, darum müssen wir eine digitale Alternative neben dem Kino entwickeln und werden uns also anders als Cannes dieses Angebot genau anschauen. Pornhub hat ja auch zuletzt der Dokumentation "Shakedown", die von der Kritik gefeiert wurde, eine längst überfällige große Plattform geboten. Wir haben wenig Berührungsängste. Und Pornhub hat die Technik.
Torsten Neumann
SPIEGEL: Was meinen Sie damit?
Neumann: Andere Festivals, die virtuell stattfanden, mussten vier oder fünf Server anmieten, und dennoch blieben die Filme manchmal hängen. Das wollen wir auf keinen Fall, und das passiert bei Pornhub auch nicht. Die können eine Menge auf die Beine stellen.
SPIEGEL: Dennoch: Fürchten Sie nicht um den Ruf des Festivals?
Neumann: Wir zeigen gern Filme, die Grenzen erkunden und überschreiten. Ich glaube, es gibt eine Schnittmenge zwischen dem, was Pornhub vorhat, und dem, was wir wollen. "Shakedown" handelt von lesbischen Striptease-Tänzerinnen und hätte perfekt in unser Profil gepasst. Wenn man die Möglichkeit hat, solche Filme vor einem Millionenpublikum zu präsentieren, sollte man sich seriös damit beschäftigen.
SPIEGEL: Was sagen denn die Filmförderer und Sponsoren, die das Festival mitfinanzieren, zu Pornhub?
Neumann: Das sondieren wir gerade. Wird sicher kein Selbstgänger. Wir sind sehr froh, dass wir langjährige Partner haben.
SPIEGEL: Es gibt Filmemacher und Filmemacherinnen, die Pornos für sexistisch halten und sie deshalb grundsätzlich ablehnen. Müssen Sie nicht damit rechnen, dass die nicht mehr nach Oldenburg kommen?
Neumann: Auch damit müssen wir uns beschäftigen. Einige Vorbehalte gegenüber der Pornoindustrie sind hochgradig begründet. Aber manche eben auch reflexhaft.
SPIEGEL: Im Vergleich zu Cannes oder Berlin ist Oldenburg ein kleines Festival. Wollen Sie mittels Pornhub auch Ihre internationale Bekanntheit steigern?
Neumann: Die Idee, die Filme auch im Netz zu zeigen und unser Festival damit mehr in die Welt zu tragen, stößt in der Branche jedenfalls auf große Resonanz. Die werden wir auf jeden Fall weiterverfolgen, ob mit Pornhub oder nicht. Und sicher auch über die Coronakrise hinaus.