Filmkomiker Mel Brooks Steppen unterm Hakenkreuz

Mel Brooks ist Hollywoods Altmeister der Filmkomödie und der König des Kalauers. In seinem Musical "The Producers" zeigt er einen tanzenden und singenden Adolf Hitler. Die erfolgreiche Broadway-Show, die schon einmal ein Film war, kehrt nun in einer neuen Version zurück ins Kino.

Er schüttelt heftig den Kopf. Sein schalkhaftes Gesicht wirkt plötzlich, als wäre es mit Blitzeis überzogen. "Nein", sagt Mel Brooks mit ungewohntem Ernst, und die fröhlichsten Augen Hollywoods gucken nun ganz starr. "Das hätte ich nicht geschafft. Niemals. Ich bin doch nicht größenwahnsinnig. Den Kerl hätte selbst ich nicht zum Lachen gebracht: Hitler hatte absolut keinen Humor."

Dann hüpft Brooks in seinem Schreibtischsessel, der etwas zu groß zu sein scheint für den kleinen Mann, in die Höhe, haut sich auf die Schenkel und sagt auf deutsch: "Was für ein phantastischer Spaß!" Sofort erstarrt Brooks wieder, drückt den Rücken durch und hebt das Kinn: "Sowas wär ihm nie passiert. Nicht dem Führer. Ein Zucken im Mundwinkel war das Höchste der Gefühle. Wie lächerlich, sich selbst das Lachen zu verbieten!"

Der jüdische Komiker Mel Brooks, vor fast 80 Jahren in Brooklyn als Melvin Kaminsky zur Welt gekommen, hat diebisches Vergnügen daran, in die Haut seines größten Feindes zu schlüpfen. Da wird sein Büro in den Culver Studios von Los Angeles, wo einst der Produzent David O. Selznick residierte, flugs zur Bühne für eine Hitler-Parodie: "Das ist die umgekehrte Machtergreifung", sagt Brooks. "Man muss ihn ständig spielen, um ihn so klein wie möglich zu machen."

In seinem neuen Film "The Producers" zeigt Brooks Hitler als einen mit schnarrender Stimme singenden und knallenden Stiefeln steppenden Hanswurst. Die Komödie spielt Ende der fünfziger Jahre in New York und erzählt von dem Broadway-Produzenten Max Bialystock (Nathan Lane), dem ein Buchhalter (Matthew Broderick) vorrechnet, dass sich mit einem Flop unter Umständen mehr Geld verdienen lässt als mit einem Hit. Also produzieren die beiden ein Musical über das Dritte Reich, besetzen einen debilen Alt-Nazi (gespielt von Will Ferrell) als Hitler - und landen damit gänzlich unerwartet einen Kassenschlager.

"Der Film erzählt von der Schwierigkeit, Misserfolg zu haben", sagt Brooks und grinst. Klar, denn diese Schwierigkeit kennt er nur zu gut. "The Producers" basiert auf einem Film, den Brooks bereits 1967 drehte und für den er seinen bislang einzigen Oscar bekam - als Drehbuchautor. Über dreißig Jahre später diente Brooks die Komödie als Grundlage für das Musical "The Producers", das seit 2001 extrem erfolgreich am Broadway läuft. Kein Wunder also, dass Hollywood auf die Idee kam, den Stoff noch einmal zu verfilmen. Beim Remake führte Susan Stroman Regie; Brooks überarbeitete das Drehbuch und produzierte den Film.

Schiss zum Schießen

In Deutschland hat es bisher kein Theater gewagt, das Musical aufzuführen, in dem Nazi-Schergen in Hakenkreuz-Formation über die Bühne tanzen. Auch der Film von 1967 lief erst Ende der siebziger Jahre unter dem Titel "Frühling für Hitler" nur in wenigen deutschen Kinos. "Ich bin unglaublich gespannt, wie unsere neue Film-Version bei euch ankommen wird", sagt Brooks und rutscht hin und her wie ein Schuljunge, der auf den Pausengong wartet.

Da kommt seine Assistentin mit frischem Kaffee. Sie ist Mitte Zwanzig, heißt Felicia Flick und vernimmt amüsiert, dass ihr Nachname in Deutschland einen eher zweifelhaften Ruf hat. Brooks trinkt einen tiefen Schluck. "Junge Leute wie Felicia werden den Film lieben", ruft er in den Raum wie ein liebenswerter Marktschreier in eigener Sache und hält mitten in einer raumgreifenden Armbewegung inne: "Wo kommen Sie doch gleich her?" - "Aus Berlin." - "Berlin?" Brooks wedelt nun mit beiden Armen: "Berlin wird von 'The Producers' völlig begeistert sein. Es ist die hipste Stadt der Welt."

Naja. Doch, doch, kommt es zurück. "Berlin kenn' ich gut", sagt Brooks. "1945 kam ich unmittelbar nach Kriegsende in die Stadt und war erschüttert über das Ausmaß der Zerstörung. Als wir einige Kriegsgefangene mit einem Zug abstransportierten, entdeckte ich einen alten Mann, der aussah wie mein Großvater. Plötzlich sprang er aus dem Waggon. Ich griff mein Gewehr. Da rief er: "Nicht schießen, ich muss scheißen!'" Brooks sagt das auf deutsch und lacht schallend über dieses Wortspiel aus Notdurft.

"Hirsch-Spiegel? Noch ein Spiegel?"

Dennoch fühle er sich jedesmal auch ein wenig beklommen, wenn er als Jude nach Berlin komme. "Die Zeit des Dritten Reiches und der Holocaust - wird das an deutchen Schulen denn überhaupt behandelt?", fragt er. Ja, sogar recht ausführlich. "Die Lehrer sollten ihren Schülern den Film 'Der Untergang' zeigen", schlägt Brooks vor. Denn darin sei zu sehen, wie Hitler sich selbst demontiere, wie er im Angesicht der Niederlage zerfalle.

"Wie hieß doch gleich der Regisseur des Films?", will Brooks wissen. "Hirschbiegel." Brooks legt die Stirn in Falten: "Hirsch-Spiegel? Noch ein Spiegel?" Dieser Mann könnte einer schönen Frau wohl eher widerstehen als einem schlechten Kalauer. Brooks hat ein überaus sinnliches Verhältnis zur Sprache, er liebt lautmalerische Klänge. "Absolutely - gibt's dafür ein deutsches Wort?" - "Ja: unbedingt." - "Hm, unbedingt", sagt er genießerisch, als koste er einen erlesenen Wein.

Bedeutung zu produzieren, das ist in den Augen von Mel Brooks bloß eine leidige Pflicht der Sprache, das Tagwerk, das sie verrichten muss. Aber als Schöne der Nacht besteht ihre eigentliche Aufgabe darin, begnadeten Unsinn zu produzieren, Liedzeilen, wie ein enthemmter Hitler in "The Producers" sie trällert: "Don't be silly, be a smarty, come and join the Nazi party." (Auf deutsch etwa: Sei schlau und doch kein Blödian, schließ dich gleich den Nazis an.)

"Wir stellen Hitler auf die Bühne", sagt Brooks, "weil er ohnehin ein Schauspieler war. Er konnte einem ganzen Volk vormachen, sein Führer zu sein. Dabei war ihm diese Rolle im Grunde ein paar Nummern zu groß. Doch er hat dieses Manko einfach überspielt. Er war in der gleichen Branche tätig wie wir: Er hat Illusionen geschaffen."

"Wir nehmen ihm den heiligen Ernst"

Der US-Regisseur James Cameron hat Hitler in einem Dokumentarfilm über den Untergang des deutschen Schlachtschiffes Bismarck vor drei Jahren als den "größten Popstar seiner Zeit" bezeichnet. Brooks: "Da ist was Wahres dran. Hitler muss eine magnetische Anziehungskraft besessen haben, wie ein Rockstar konnte er mit seiner Stimme Zigtausende von Zuhörern in seinen Bann ziehen. Da ist es nur konsequent, wenn wir Komiker ihn zur Rampensau der Weltgeschichte machen. Wir nehmen ihm den heiligen Ernst, der ihn immer noch umgibt und schützt wie ein Sperrgürtel."

In "The Producers" schlüpfen sanfte Schwule in die Rolle von strammen Nazis, selbst Brieftauben heben ihren rechten Flügel zum Hitler-Gruß. Rechter Flügel! Right wing! Das gefällt Mel Brooks: Die Geschmacklosigkeit so weit treiben, bis sie der Wahrheit auf völlig absurde Weise wieder nahe kommt.

Doch schon 1967, nach der Uraufführung des ersten Films, bekam Brooks wegen seines Nazi-Schabernacks viele Protestbriefe, und auch heute noch werfen ihm Kritiker vor, Hitler zur Witzfigur zu machen - jenen Mann, der für den Tod von sechs Millionen Juden verantwortlich war. Doch in "The Producers", so erwidert Brooks entschieden, gehe es nicht um die Konzentrationslager und nicht um den Holocaust.

Aber kann man Hitler vom Holocaust trennen? "Muss man sogar!", gibt Brooks zurück. "Ich habe mich zum Beispiel maßlos über Roberto Benignis Komödie 'Das Leben ist schön' geärgert. Ein bekloppter Film, der im KZ Komik zu finden versucht. Er zeigt die Baracken, in denen Juden wie Vieh gehalten wurden, und reißt dabei Witze. Die Philosophie des Films ist: Der Mensch kommt über alles hinweg. Nein, kommt er nicht. Nicht über das KZ."

Auch von dem Argument, dass Benignis Film viele Menschen tief bewegt habe, lässt Brooks sich nicht umstimmen. Der Italiener hat für ihn eine Grenze überschritten, vor der jeder Komiker innehalten muss, hat eines der wenigen Tabus gebrochen, die es noch zu respektieren gilt. Scherze über gequälte Kinder oder über KZs seien, und da wird Brooks plötzlich ganz unerbittlich, niemals erlaubt.

"Ich habe 1974 die Western-Parodie 'Is' was, Sheriff?' gedreht, in der ständig das Wort 'Nigger' fällt", erzählt er. "Doch ich wäre nicht im Traum auf die Idee gekommen zu zeigen, wie ein Schwarzer gelyncht wird. Komisch es ist nur, wenn er dem Galgen entkommt." In "Der wilde, wilde Westen" wie auch in vielen anderen Komödien von Brooks trägt der Schurke einen Schnauzbart. Ist das der lange Schatten Hitlers?

Brooks klatscht in die Hände: "Von wegen! Auf der Leinwand trugen die Schurken bereits einen Schnauzer, als Hitler noch in kurzen Hosen rumlief. Kino-Bösewichter brauchen einen Bart, um ihn genüsslich zwirbeln zu können, während sie einen fiesen Plan aushecken. Dazu hätte es bei Hitler mit seiner abgebrochenen Bürste nie gereicht."

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