Sucht-Drama "Flight" Denzel, der Suff-Pilot

Sucht-Drama "Flight": Denzel, der Suff-Pilot
Foto: StudiocanalSage niemand, er sei nicht gewarnt worden: Dieser Film ist ein Lehrstück. Ein Lehrstück darüber, wie man sich selbst aus eigener Kraft - na gut: mit zwei, drei Hilfestellungen von außen - aus dem Sumpf ziehen kann. Der Sumpf, das ist hier die Alkoholsucht, und der Mann, der darin feststeckt, wird gespielt von Denzel Washington. Sein Whip Whitaker wacht auf an einem anscheinend für ihn typischen Morgen: Erst einmal eine Line Koks gegen den Kater, während sich neben dem Bett seine Nachtgefährtin fertig macht, der gemeinsame Flug geht bald. Dann ruft die Ex-Frau an, es geht ums Geld, wie immer, und wenige Augenblicke später tritt Whip, ein Muster an Zuverlässigkeit, in einer, haha, perfekt geschniegelten Pilotenuniform aus dem Hotelzimmer.
Keine Frage, in solchen Augenblicken ist der erste Realfilm von Robert Zemeckis ("Cast Away", "Forrest Gump", "Zurück in die Zukunft" ) seit fast 13 Jahren auch ein Lehrstück in dramaturgischer Konstruktion, im Herstellen von Effekten, die nicht penetrant nach Effekt aussehen. Ganz zum Ende gelingt dem Drehbuch, für das John Gatins eine Oscar-Nominierung erhalten hat, noch einmal so eine Wendung, spektakulär, aber glaubwürdig, die Whip endlich den rechten Weg weist.
Aber der Reihe nach: Der Flug, den Whip an jenem Morgen nach dem Exzess im Hotel erwischen muss, nimmt ein böses und zugleich glimpfliches Ende. Die Technik setzt aus, und Whip landet die Maschine mit einem akrobatischen Manöver, das dennoch sechs Insassen ihr Leben kostet - darunter das seiner Gespielin in der Nacht zuvor, der Flugbegleiterin Katerina (Nadine Velazquez). Und nun hat Whip die Behörden am Hals, deren Mitarbeiter Spuren von Alkohol und Kokain in seinem Blut und leere Wodkaflaschen im Müll der Unglücksmaschine gefunden haben.
Ein Spieler, der sie alle täuscht
Was folgt, sind Besprechungen, gute Vorsätze, Rückfälle, Anhörungen und die Freundschaft mit der drogensüchtigen Nicole, die Whip nach dem Absturz im Krankenhaus kennenlernt. Kelly Reilly spielt sie als kaputte Person, nuschelnd, weich in den Bewegungen, im tiefen Fall befindlich - das Gegenbild zu dem scheinbar kontrollierten Whip Whitaker, dem Washington, ebenfalls für den Oscar nominiert, eine ruhige Souveränität verleiht. Ein Spieler, der sie alle täuscht, am meisten sich selbst. Stimmig also, dass Nicole sich schon aus ihrer Lage zu befreien vermag, als Whip dazu noch lange nicht in der Lage ist - doch genau an dieser Stelle verliert der Film leider das Interesse an ihr.

Alkoholiker-Drama "Flight": Der Crash seines Lebens
Der fahrlässige Umgang mit dieser Figur ist umso auffälliger, weil das Drehbuch einen geradezu unangenehm ausgeklügelten Mittelweg fährt: Natürlich hat die Geschichte einen pädagogischen Grundton. Der wird aber immer wieder ironisch gebrochen, damit er ja nicht zu offenkundig wird - dafür ist John Goodman als Whips Dealer und Partykumpan zuständig. Natürlich gehört zu jeder Läuterung auch Pathos, aber eben nur ein wenig - sonst würde man ja die Glaubwürdigkeit der Figur verraten an den Willen, die Zuschauer emotional zu manipulieren.
Rolle seitwärts in der Luft
"Flight" zu sehen, bedeutet, einem Film dabei zuzuschauen, wie er mit großem Stolz auf die eigene Kunstfertigkeit allen Klischees zum Thema ausweicht. Das gelingt an vielen Stellen mit Intelligenz und bewundernswertem Einfallsreichtum. Es nervt aber auch oft - vor allem, weil der Film schließlich doch eher leicht verdaulich gerät und damit dümmer, als er es selbst von sich behauptet. Die Wege in Hollywood führen halt allemal ins Licht und aufwärts.
Nur einmal in der Geschichte geschieht dies eindeutig nicht: Die gewaltigen Turbulenzen, durch die der zugekokste Pilot Whitaker seine Passagiermaschine steuert, treffen den Zuschauer wuchtig und unmittelbar. Zemeckis setzt nicht nur den Rumpf der Maschine - und damit den filmischen Raum - schwersten Erschütterungen aus. Er fügt auch dem Bilderrepertoire des Katastrophenfilms ein besonders denkwürdiges Exemplar hinzu, als Whip das Flugzeug vorübergehend auf den Rücken dreht, um es im Segelflug zu stabilisieren. Kein Wunder, dass die Insassen der Maschine überwiegend aus Stuntleuten rekrutiert wurden, die für einige Einstellungen mehrere Minuten lang kopfüber in ihren Sitzen hängen mussten.
Akribisch recherchiert und mit großer Detailkenntnis umgesetzt sind auch die Ereignisse im Cockpit: die Orientierungslosigkeit im Instrumentendschungel, der Kampf um Konzentration unter Todesangst, das hektische Durchprobieren. Womöglich bleibt "Flight" genau dafür am ehesten im Gedächtnis: für einen der drastischsten und - nicht zynisch gemeint - vollkommensten Flugzeugabstürze der Filmgeschichte.