Beziehungskomödie "Forget About Nick" Zwangs-WG unter Ex-Frauen

In "Forget About Nick" lotet Margarete von Trotta die Möglichkeiten aus, die das Leben Frauen jenseits der 40 bietet. Ihre Antworten fallen - ebenso wie der Film - alles andere als emanzipatorisch aus.

Ein Film über "zwei starke Frauen" - so wird Margarete von Trottas erster englischsprachiger Film vom deutschen Verleih angekündigt. Eine vielbemühte pseudoemanzipatorische Worthülse, denn wann hat man zuletzt einen Film über "starke Männer" angekündigt gesehen? Stärke ist bei Männern offensichtlich eine Ressource, die sie nutzen können oder nicht, über die sie aber immer verfügen. Frauen müssen sie sich scheinbar erst erkämpfen, weshalb das offensichtlich Seltenheits- und damit Neuigkeitswert hat.

Selbst im übertragenen Sinn führt der Ausdruck bei diesem Film ins Leere. Ein Apartment in Manhattan ist sein zentrales Motiv, so schick wie leblos. Aus dem hat sich Titelheld Nick schon vor Beginn der Handlung genauso verabschiedet wie aus seiner Ehe mit dem Ex-Model Jade (Ingrid Bolsø Berdal). Diese schluchzt ihren Trennungsschmerz in den Designer-Sechssitzer und ist so ziemlich das Gegenteil dessen, was man sich als "starke Frau" vorstellt.

Maria (Katja Riemann), die erste Frau von Nick, die plötzlich in der Wohnung auftaucht, erfüllt dieses Profil auf den ersten Blick schon eher. Scheinbar abgeklärt, aber nicht ohne Gehässigkeit, bringt sie der Jüngeren das Nicksche (männliche?) Naturgesetz bei: Jede Frau wird verlassen, sobald sie 40 ist. Jetzt hat es halt Jade erwischt, für die Nick damals Maria und die gemeinsame Tochter verlassen hat.

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"Forget about Nick": Was kommt jenseits der 40?

Foto: Warner Bros.

Dieses Muster einmal erkannt, könnten beide eigentlich loslegen mit dem Starke-Frauen-Programm. Aber eine Perfidie des Ex hält sie weiterhin in seinem Bann: Nick hat das Apartment beiden zur Hälfte hinterlassen, und keine der beiden hat genug Geld, um die andere auszuzahlen. Also ziehen sie gezwungenermaßen zusammen und machen sich das Leben gegenseitig schwer.

Im Schlagabtausch zweier verletzter - also ziemlich schwacher - Frauen wird nun die Komödienmaschine auf Touren gebracht. "The Odd Couple", das "seltsame Paar", liefert die Folie für die Zwangs-WG der Karrieristin Jade, die den Sprung vom Model zur Modedesignerin wagt und eigentlich kein Konzept für ein Leben jenseits der 40 hat, und der leicht chaotischen Maria, die ihr Studium der deutschen Nachkriegsliteratur einst opfern musste, um für Nicks Kinder zu sorgen.

Ausgedient als Objekt

Also müssen Jades Proteinshakes und "Slim-Pasta"-Einheiten zur Hälfte frischem Gemüse weichen, und der Apfelstrudel, den Maria aus dem vorher unbenutzten Backofen zaubert, wird zur nächtlichen Heißhungergefahr für das vermeintlich aus der Form gehende Ex-Model. Wenn Maria krümelt, läuft Jade ihr mit dem Handstaubsauger hinterher. Und das Lego, das Marias Enkel auf dem Fußboden verteilt, zerplatzt unter Jades Stilettos.

Von Trotta und ihre Drehbuchautorin Pamela Katz verteilen ihre Sympathie ziemlich ungleich auf ihre weiblichen Figuren. Maria, von Katja Riemann betont unglamourös verkörpert, wird noch der Spielraum intellektueller Leidenschaft offen gehalten: Sie beschreitet ihr neues Leben in New York auf den Spuren von Ingeborg Bachmann und darf sich die Frage stellen, ob sich Familie und Karriere wirklich unbedingt ausschließen müssen.


"Forget About Nick"
D 2017

Regie: Margarethe von Trotta
Drehbuch: Pamela Katz
Darsteller: Katja Riemann, Ingrid Bolsø Berdal, Haluk Bilginer, Cosima Shaw, Susan Duerden, Tinka Fürst
Produktion: Heimatfilm
Verleih: Warner Bros.
FSK: ab 0 Jahren
Länge: 110 Minuten
Start: 07. Dezember 2017


Die buchstäblich durch ihr Leben stolpernde Jade (die man ihrer coolen Darstellerin Berdal kaum abnimmt) kommt derweil gar nicht erst in ihrer zweiten Karriere an. In ihrer eigenen, natürlich von Nick finanzierten Modefirma kämpft sie in verunglückten Chefinnen-Auftritten à la "Der Teufel trägt Prada" vor jungen PR-Agentinnen, die ihr irgendwas von "fame" und "lame" erzählen, um die Würde berufstätiger Frauen, die gut aussehen, aber trotzdem in ihren Kleidern atmen möchten. Ihr bleibt scheinbar nur die Erkenntnis, als Objekt für den männlichen Blick ausgedient zu haben.

Derweil behält Nick jederzeit die Fäden in der Hand. Anders, als der Titel verspricht, wird er vom Film nämlich niemals vergessen. Überhaupt scheint niemand sich eine Welt ohne die Nicks vorstellen zu können. Die schönen Momente der Solidarität unter den Nick-Frauen sind zwar dramaturgisch klug verteilt, und hin und wieder täuscht eine Märchenwendung über die geschlechterbedingte Ungleichheit hinweg.

Doch hat sich der Film am Ende mit dem begrenzten Freiraum für Frauen über 40 abgefunden, wie er sich mit den Erzählmustern US-amerikanischer Komödien abgefunden hat: Die Welt wird hier genauso wenig revolutioniert wie das Kino. Und das Drehbuch, das nach gefühlten 30 Überarbeitungen nicht mehr zu wissen scheint, wo es mal die Pointen versteckt hatte, läuft genauso wenig aus der Form wie der Körper von Ingrid Bolsø Berdals Jade, obwohl der Film nicht auf die Gemeinheit verzichten kann, die Nähte ihres viel zu eng gewählten Kleides aufplatzen zu lassen.

Für Filme, die "starke Frauen" als emanzipatorisches Projekt verkaufen wollen, gilt vielleicht, was eine Schneiderin in Jades Firma über hüftbetonende Schnitte sagt: Es gibt nur eine dünne Linie zwischen hilfreich und verzweifelt.

Im Video: Der Trailer zu "Forget About Nick"

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