Geldraub-Thriller "Armored" Populismus für Panzerknacker

42 Millionen. Genug für ein Talerbad, wie es Dagobert Duck zu nehmen pflegt. Ausreichend, um weniger stabile Naturen direkt in den Wahnsinn zu treiben. Mehr als genug, um als Motiv für Mord und Amokläufe zu dienen. Und doch so wenig im Vergleich zu dem, was die Finanzwelt in Kreditgeschäften verbrannt hat. Erstaunlich, dass die Verarmten, denen die Spekulationssucht einer Branche alles geraubt hat, nicht einmal richtig rebelliert oder geplündert haben. Doch so soll es nicht bleiben. Ihre Rache übernimmt jetzt das Kino. Und man kann sich nur wundern, dass es so lange gedauert hat, bis die globale Empörung zumindest auf der Leinwand in kriminelle Energie kanalisiert wurde.
In "Armored" von Nimród Antal wird der Verteilungskampf des Spätkapitalismus heruntergebrochen auf eine Gruppe Kerle, die für sich genommen eigentlich viel zu stumpf sind, um über etwas zu sinnieren, das die Komplexität eines ihrer Schwulenwitze übersteigen könnte. Ob Jean Reno als lethargisch cooler Erfüllungsgehilfe, Laurence Fishburne als ungestümer Hitzkopf oder Matt Dillon als schwergängiges Herdentier namens Mike Cochrane.
Keinem aus diesem unterbelichtetem Trupp würde man vertrauensvoll die Weltrevolution in die Hände legen. Dennoch werden sie in "Armored" ausgeschickt, um zumindest die eigenen privatwirtschaftlichen Verhältnisse einschneidend zu verändern. Denn die Belegschaft einer Sicherheitsfirma, die täglich mit Geldtransporten beauftragt wird, fragt sich eines Tages, warum sie für wenig Lohn massenhaft Geldsäcke irgendwelcher Banken und Großunternehmen hin- und herkarren und bei Überfällen womöglich noch ihre körperliche Unversehrtheit aufs Spiel setzen sollen.
Irak-Veteran als Panzerknacker
Deswegen hat es durchaus etwas Ideologisches, wenn Matt Dillon beim Beutezug seine zittrigen Kollegen mit einem "There's no bad guy here" beruhigt und seine Knopfaugen, die wie eingedrückt in ihren Höhlen liegen, dazu ambivalent funkeln lässt. "Armored" hält sich nicht lange mit komplizierten Subtilitäten und feinnerviger Figurenpsychologie auf. Für einen klassischen Thriller über einen Raubüberfall ist er nicht elegant und artistisch genug. Außerdem scheint es wenig plausibel, dass eine Flotte Geldtransporter von der eigenen Sicherheitsfirma unbemerkt eine geschlagene Viertelstunde lang auf einem abgerockten Industriegelände verschwinden kann.
Die Qualitäten von "Armored" liegen woanders. In seiner rumpelnden Direktheit zum Beispiel, der unmittelbaren, wüsten Erzählung und einer für diese Hemdsärmeligkeit erstaunlichen Melancholie, mit der die Kamera immer wieder über die abgewirtschaftete Produktionsstätte schweift. In ihr findet der größte Teil der Handlung statt, nämlich das postindustrielle Kammerspiel der gegenseitigen Zerfleischung.
Ty Hackett, den Columbus Short leider etwas langweilig und zu zurückhaltend spielt, Cochranes Gegenspieler im eigenen Team, besorgt "Armored" so etwas wie eine Seele, ein soziales schlechtes Gewissen. Er, der für seinen Einsatz im Irak-Krieg mit Orden behängt wurde, jetzt aber für sich und seinen kleinen Bruder kaum noch die Miete aufbringen kann, muss als einziger des Trupps nachweislich um seine Existenz kämpfen.
Töten ist Arbeit
Am Tag des großen Coups schlägt er quer und verbarrikadiert sich schließlich im Laderaum eines gepanzerten Trucks, als Cochrane einen Obdachlosen abknallt, der ihm als Augenzeuge in die Quere kommt. Das Töten bedeutet, anders als in handelsüblichen Body-Count-Streifen, in "Armored" eine Menge Ärger, Dreck und Arbeit.
Und während Cochrane mit purer Manneskraft den Kruppstahl des Transporters bearbeitet, leidet Ty im Innern des Kolosses wenig heroische Todesängste. Für das Geld hat man sich allerhand Schutzmaßnahmen und uneinnehmbare Festungen ausgedacht. Die Menschen, die ihm dienen, können selbst sehen, wie sie sich im Ernstfall retten. Eine, der vielen kleinen aasigen Botschaften, die aus "Armored" ein bemerkenswert böses, dreckiges und unverfrorenes B-Movie machen.
"Armored" ist ein Film für den Zorn des kleinen Mannes. Das System, gegen das er hier zu Felde zieht, ist eines, in dem Abermillionen Dollar so abstrakt bleiben, das es von pflichttreuen Werktätigen Tag für Tag beschützt wird, ohne je zu fragen, womit dieses Geld verdient wurde und wem es eigentlich zusteht.
Nun gehört langwieriges Reflektieren sicher nicht zu den vordersten Tugenden des ungarisch-amerikanischen Regisseurs Antal, dessen "Kontroll" (in dem es ebenfalls um grobmotorische Männer in schweren Vehikeln ging) in Cannes ein Überraschungserfolg gelang. Aber er schafft es in "Armored" immer wieder, mit simplen wie schlagenden Szenarien existentielle Probleme zu veranschaulichen.
Ob am Ende die Umverteilungsphantasien aufgehen, liegt allerdings weniger am ideologischen Konzept seiner Panzerknacker.