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Globalisierungsdrama "Mammut": Keine Liebe ohne Preis

Foto: Memfis Film

Globalisierungsdrama "Mammut" Was kostet eine Mutter?

Wer braucht wen in der globalisierten Wirtschaft? Der schwedische Kinofilm "Mammut" bringt den Mexikaner Gael García Bernal und die US-Amerikanerin Michelle Williams zusammen - und kann doch nichts über das weltumspannende Drama des Kapitalismus erzählen.

Der thailändische Taxifahrer versteht nicht. "Einfacher! Kein Luxushotel!", versucht der amerikanische Gast sein Fahrziel zu erklären. Eben noch wurde er in einem Fünf-Sterne-Hotel von zwei edelgekleideten Hostessen mit einem kalten Drink empfangen, schon drängt es ihn woanders hin. "Ein Bungalow! Was einfaches, am Strand!", erklärt er verzweifelt weiter. Dann kapiert der Taxifahrer endlich: "Ah, was billigeres!" Das Downshifting des einen ist für den anderen nur Preisschinderei.

Nur selten gelingen Lukas Moodysson in seinem Globalisierungsdrama "Mammut" solch dichte Szenen - Momente, in denen klar wird, wie sehr die Welt wirtschaftlich gespalten ist und wie schwierig es ist, dafür überhaupt eine Sprache zu finden.

Es beginnt mit einer Geschäftsreise. Der New Yorker Computerspiele-Entwickler Leo (Gael García Bernal) soll in Thailand einen millionenschweren Deal über sein nächstes Spiel abschließen. Zu Hause, im großzügigen Loft, lässt er seine Frau Ellen (Michelle Williams) und ihre gemeinsame Tochter Jackie (Sophie Nyweide) zurück. Ellen ist Chirurgin in einer Notaufnahme und wird im Verlauf von Leos Geschäftsreise bis zur vollständigen körperlichen und emotionalen Erschöpfung arbeiten. Nur mit Hilfe ihrer philippinischen Nanny Gloria (Marife Necesito) kann sie den Alltag halbwegs stemmen.

Leo ist in Thailand dagegen zum Nichtstun verurteilt. Die Vertragsverhandlungen ziehen sich hin, und er, der Kreative, wird fürs Zahlenwerk nicht gebraucht. Erst lässt er sich von der Assistentin einen Abstecher an die Küste organisieren. Im Luxushotel angekommen, ekelt ihn der Überfluss aber an. Was einfaches, am Strand - vielleicht nimmt ihm das die Schuldgefühle, von Armut umgeben zu sein und selbst doch jedes seiner Bedürfnisse mit Geld befriedigen zu können. Es wird fürchterlich schiefgehen.

"Jeder braucht jeden"

"Mammut" ist der erste englischsprachige Film des Schweden Lukas Moodysson ("Zusammen!", "Raus aus Åmål"), gedreht wurde unter anderem in Thailand und auf den Philippinen. "Es geht darum, dass wir alle auf diesem Planeten miteinander verbunden sind, ob wir es mögen oder nicht. Und dass jeder jeden irgendwie braucht", sagt Moodysson. Globalisierung als Beziehungsgeflecht zu erklären, deutet auch schon darauf hin, welchen Zugang der Film zum Thema wählt: den menschlichen, emotionalen. Gerade daran scheitert "Mammut" auch.

Mit sentimentalen Versatzstücken versucht Moodysson, den globalen Kapitalismus als Kontinente übergreifende Familiengeschichte neu zusammenzusetzen. Nanny Gloria muss ihre zwei Söhne auf den Philippinen zurücklassen, um in New York das Geld zu verdienen, das sie zum Hausbau in der Heimat braucht. Gleichzeitig wird sie in der Fremde immer mehr zur wichtigsten Bezugsperson für die kleine Jackie, weil das power couple Leo und Ellen vor lauter Arbeit kaum Zeit für die Tochter hat. Dabei weiß keiner, dass Ellen auf der Intensivstation gerade verzweifelt um das Leben eines Jungen kämpft, der von seiner eigenen Mutter niedergestochen wurde.

Was tun Mütter ihren Kindern an, wenn sie nicht für sie da sind? Eigentlich ist es diese Frage, aus der sich die Dramatik des Filmes speist. Zwar zeigt "Mammut" auf, welche Rolle Geld dabei spielt: Schließlich geht Gloria erst nach sorgfältigem Gegenrechnen in die USA. Doch letztlich steht nicht ein Wirtschaftssystem am Pranger, das Fürsorge mit einem Preisschild versieht. Letztlich sind die Frauen schuld. Sowohl Ellen als auch Gloria werden für ihre Abwesenheit im Leben ihrer Kinder bitter bestraft - und zwar von zwei Männern. Am Ende steht die Frau als Heldin da, die sich bedingungslos für ihr Kind entscheidet.

Der Mensch ist dem Warenkreislauf untergeordnet

Vielleicht kann man Globalisierung im Spielfilm nicht anders erzählen denn als Beziehungsgeschichte - als Drama, dessen Konstruktion unter der Verbindung mehrerer Kontinente und Kulturen schwer zu tragen hat. Ähnlich forciert wie "Mammut" nahm sich schließlich auch Alejandro González Inárritus Episodendrama "Babel" von 2006 aus.

Vielleicht ist die Erkenntnis aus diesen fehlgeschlagenen Filmexperimenten aber auch, dass Fiktion nicht taugt, um über den weltumspannenden Kapitalismus zu erzählen. Glänzende Dokumentationen wie "Darwin's Nightmare" oder "Der große Ausverkauf" haben viel besser aufzeigen können, wie der globale Warenkreislauf funktioniert - und dass ihm Menschen zu jeder Zeit untergeordnet sind. Hier braucht nicht jeder jeden: Hier werden zwei Drittel der Menschheit überhaupt nicht gebraucht.

Es sind diese Dimensionen, die "Mammut" außer Acht lässt. Er macht sich auf, das Große im Kleinen zu suchen und schaut doch nur beim Kleinen genau hin: Viel zu lang ziehen sich die Szenen hin, in denen Ellen im Krankenhaus bis zum Anschlag arbeitet, Gloria und Jackie quality time miteinander verbringen oder sich Leo in den Strandbars vergnügt. Die Gegenüberstellungen, mit denen Moodysson arbeitet, sind an sich schon wenig subtil und werden durch ihre Ausbreitung auf 125 Filmminuten noch hohler.

Zum Schluss fühlt man sich als Zuschauerin wie Leo vor dem Luxushotel: überall zu viele Schnörkel, zu viel Gewese um Nichts. Mit einem diffus schlechten Gewissen drängt es einen, diesen Film schnell hinter sich zu lassen.

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