
Golden Globes 2014 Britische Invasion in Hollywood
- • Filmfestival: "12 Years a Slave" gewinnt Publikumspreis von Toronto
- • US-Biopic "The Butler": Das gute alte Housepersonal
Diesmal ging es auch ohne Gitarren: Bei den Nominierungen für die Golden Globes 2014 haben die USA eine Invasion der britischen Talente erlebt. Vorneweg ist Steve McQueen gestürmt, der Videokünstler und Turner-Prize-Gewinner, der mit seinem dritten Film "12 Years a Slave" die Liste der Preisanwärter neben der Gangster-Farce "American Hustle" anführt - insgesamt sieben Preise könnte sein Sklaverei-Drama gewinnen.
McQueen ist als bester Regisseur nominiert, ebenso wie sein Landsmann Paul Greengrass für "Captain Phillips". Beider Werke sind darüber hinaus Anwärter auf den Preis als bestes Kinodrama - eine Rubrik, in der mit dem Zwangsadoptionsdrama "Philomena" von Stephen Frears ein weiterer britischer Film auf sie wartet.
Auch "12 Years a Slave"-Hauptdarsteller Chiwetel Ejiofor ist Brite und hat harte Konkurrenz aus der Heimat: Neben ihm ist Idris Elba ("Mandela") als bester Hauptdarsteller in einem Kinodrama nominiert. Dieses Duell wiederholt sich noch mal in der Rubrik bester Schauspieler in einer Miniserie oder einem TV-Film, wo Ejiofor für "Dancing on the Edge" und Elba für "Luther" im Rennen ist. Bei den Hauptdarstellerinnen in einem Kinodrama bilden Britinnen sogar die Mehrheit: Hier treten Emma Thompson ("Saving Mr. Banks"), Judi Dench ("Philomena") und Kate Winslet ("Labor Day") gegeneinander an.
Nationalepos? Nein, danke!
Hat sich Hollywood damit das Zeugnis ausgestellt, das die globale Filmkritik schon lange bereit hielt - dass die Traumfabrik außer Superhelden nichts mehr zu bieten hat? Dass die Zukunft der amerikanischen Filmindustrie auf anderen Kontinenten entschieden wird? Dass US-Filmemacher mehr denn je darauf angewiesen sind, Geschichten für ein globales Publikum zu erzählen?
Tatsächlich hat sich Hollywood schon immer gern beim Vereinigten Königreich, seinen Talenten und seinen Geschichten bedient - von Laurence Olivier bis Daniel Day-Lewis, von Vivien Leigh bis Judi Dench, von Alfred Hitchcock bis Tom Hooper. Dennoch ist 2013 eine sanfte Verschiebung der Gewichte in der US-Filmindustrie festzustellen, die der Vormarsch der Briten nur unterstreicht - weg vom mächtigen Nationalepos hin zu feinnervigeren, fast könnte man sagen: europäischeren Filmen.
Besonders deutlich zeigt sich das am Beispiel von "The Butler", Lee Daniels' wuchtigem Erbauungsdrama über einen schwarzen Butler, der unter acht US-Präsidenten dient und Zeuge aller historischen Einschnitte für die Bürgerrechtsbewegung wird. Mit seiner einfachen, durch und durch pädagogischen Botschaft gelang "The Butler" noch ein großer Erfolg an den US-Kinokassen, doch bei den Golden Globes reichte es für keine einzige Nominierung. Warum auch einen so zähen, unter seiner eigenen Bedeutsamkeit ächzenden Film nominieren, wenn eine Bande unerschrockener Briten mit "12 Years a Slave" zeigt, wie man Verantwortung gegenüber der Geschichte und künstlerischen Anspruch versöhnen kann?
Katzenklappe fürs Kunstkino
Selbst die zweifache Nominierung von "Rush", dem testosteronlastigen Formel-1-Reißer von Ron Howard, deutet in eine ähnliche Richtung wie der Triumph von "12 Years a Slave": Ein Australier (Chris Hemsworth) und ein Deutscher (Daniel Brühl) in den Hauptrollen, dazu eine Geschichte von den globalen Rennstrecken der Siebziger - in den USA gilt so was fast schon als Arthouse. Und mit Alfonso Cuarón hat nicht zuletzt ein Mexikaner den Konsensfilm des Jahres, den 3-D-Geniestreich "Gravity", gedreht.
Sieht man sich die Nominierungen für den besten fremdsprachigen Film an, muss man sich jedoch eingestehen, dass Hollywood bestenfalls die Katzenklappe für ein aufregenderes, unkonventionelleres Kino geöffnet hat. Die eindringliche lesbische Liebesgeschichte "Blau ist eine warme Farbe" ist zweifellos der meistdiskutierte Film des Jahres, so direkt spricht er sein Publikum an. "Le Passé" zeigt wunderbar zärtlich, wie eine Familie zerbricht und sich neu zusammensetzt. Der dänische Beitrag "Die Jagd" erzählt die Geschichte eines falschen Verdachts auf Kindesmissbrauch mit dem Mut, keine Hoffnung auf Versöhnung zu bieten. "La Grande Bellezza", Italiens Abräumer beim Europäischen Filmpreis, bedient sich kunstvoll bei Roms cineastischem Erbe und verweist so gleichermaßen auf Zukunft wie Vergangenheit der Ewigen Stadt. "The Wind Rises" erweitert schließlich noch einmal den Kreis dieser außergewöhnlichen Filme: Hayao Miyazakis letzte Kinoarbeit ist ein Animationsfilm, der sich an die mit Tabus belegte Geschichte Japans während des Zweiten Weltkriegs heranwagt.
Hollywood muss tatsächlich noch viel weiter als nach Großbritannien schauen, wenn es Geschichten von wahrer Originalität, Emotionalität und Dringlichkeit erzählen will.
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Mit sieben Nominierungen an der Spitze: "12 Years a Slave", für das auch der Brite Chiwetel Ejiofor als bester Hauptdarsteller Drama nominiert wurde.
In der Rubrik trifft er auf Landsmann Idris Elba, der für seine Darstellung Nelson Mandelas nominiert wurde.
Auch der Regisseur von "12 Years A Slave", Steve McQueen, ist Brite.
Judi Dench ist für das Zwangsadoptionsdrama "Philomena" als beste Drama-Hauptdarstellerin nominiert - und trifft in der Kategorie auf die fellow Brits Kate Winslet und Emma Thompson.
Auf Daniel Brühl (rechts) ruhen die deutschen Hoffnungen bei den großen Preis-Galas in Amerika: Für seine Darstellung von Niki Lauda in "Rush" ist Daniel Brühl als bester Nebendarsteller nominiert.
Für manche Kritiker ist "American Hustle" der Film des Jahres. Mit Christian Bale ist auch hier ein Brite im hochkarätigen Ensemble vertreten.
Schwerelos in die Bestenliste: Sandra Bullock in "Gravity". Schauspielerin und Film wurden früh bei den Golden Globes gehandelt. Regie geführt hat mit Alfonso Cuarón ein Mexikaner.
Eine Preisverleihung ohne Meryl Streep ist kaum denkbar: Auch 2014 ist sie mit "August: Osage County" in der Rubrik beste Hauptdarstellerin Drama dabei - Julia Roberts wurde als beste Nebendarstellerin nominiert.
Durchweg gute Kritiken bekam Cate Blanchett für ihre Rolle in "Blue Jasmine": Verliehen werden die Golden Globes Mitte Januar. Sie gelten als Vorspiel der Oscars - und geben erste Hinweise, wer dort ausgezeichnet werden könnte.
Soloauftritt als schiffbrüchiger Segler: Robert Redford in "All Is Lost". Redford ist in der Kategorie "Bester Schauspieler" nominiert.
Matthew McConaughey als tödlich erkrankter Cowboy in "Dallas Buyers Club": Auch er ist in der Kategorie "Bester Schauspieler" nominiert.
Für Oscar Isaac bedeutete die Titelrolle in "Inside Llewyn Davis" von den Coen-Brüdern den Durchbruch.
In letzter Minute stellte Martin Scorsese noch sein Epos "The Wolf of Wall Street" für die sogenannte Awards Season fertig.
Hauptdarstellerin und Autorin zugleich: Auch der dritte Auftritt von Julie Delpy an der Seite von Ethan Hawke überzeugte die Juroren -für "Before Midnight" wurde Delpy als beste Hauptdarstellerin in einer Kinokomödie nominiert.
Nominiert als beste Drama-Serie: "Breaking Bad" mit Bryan Cranston als Walter White.
Shakespeare in Washington: Die Polit-Serie "House of Cards" (mit Robin Wright und Kevin Spacey) beschreibt die höchsten Regierungskreise in Amerika als Kampfzone intriganter Strippenzieher. Das überzeugte Kritiker und Zuschauer.
Sexualforscher aus grauer Vorzeit: "Masters of Sex" spielt in den Fünfzigern - Kostümserien gehen immer.
Die Comedy-Serie "Modern Family" läuft seit 2009 in den USA.
Die Neuauflage auf Netflix hat sich bewährt: Die Comedy "Arrested Development" mit David Cross und Portia de Rossi hat nicht nur Fans im Netz, sondern auch unter den Golden-Globe-Juroren. Hauptdarsteller Jason Bateman darf sich Hoffnung auf einen Globe machen.
Auch die HBO-Serie "Girls" ist im Genre "Comedy" auf der Shortlist.
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