
Gregg-Araki-Film "Kaboom": Jung, schön, nicht-heterosexuell
Gregg-Araki-Film "Kaboom" Vor der Apokalypse noch einen Orgasmus
Smith ist 18. Also versucht er, sich wie viele junge Menschen für viele verschiedene Dinge zu interessieren. Sein Film-Studium zum Beispiel oder Traumdeutung oder die Probleme von Mitmenschen. Aber am Ende bleibt in dem Alter nur für das Thema Sex wirklich Platz, vielleicht noch für die Frage, wie man ihn möglichst oft bekommt. Und Smith (Thomas Dekker) hat ständig Sex, normalerweise eher mit Männern als mit Frauen, aber er ist da recht offen, die experimentierfreudige Blondine von der letzten Party überzeugt ihn ebenso wie der verheiratete Typ, den er am Nacktstrand kennen gelernt hat.
Aber eigentlich würde er am liebsten mit seinem überheterosexuellen Mitbewohner Thor (Chris Zylka) schlafen. Oder wenigstens die große Liebe finden, für die der schüchterne Oliver (Brennan Mejia) ein Kandidat sein könnte. Probleme, die verglichen mit denen seiner lesbischen besten Freundin Stella (Haley Bennett) ein bisschen unwichtig wirken, denn die wird nach kurzer Affäre von einer liebeskranken Ex-Freundin mit echten magischen Fähigkeiten terrorisiert, und die werden auch gern zum Schaden anderer genutzt. Andererseits wird Smith in letzter Zeit auffallend oft von Kidnappern in Tiermasken verfolgt, und religiöse Erweckungsvisionen mit Weltuntergangsanklang hat er auch immer häufiger, also hat er es auch nicht besonders leicht.
Ja, Gregg Araki ist wieder da, neben Todd Haynes, Derek Jarman und Tom Kalin einer der Helden des New Queer Cinema der neunziger Jahre, und er hat für seinen neuen Film "Kaboom" eine Handlung mitgebracht, die er auch damals hätte verfilmen können, ohne dass es einen großen Unterschied gemacht hätte. Außer dass seine Protagonisten heute Handys benutzen und E-Mails schreiben und, nein, mehr Unterschiede gibt es nicht wirklich. Schöne, junge, nicht-heterosexuelle Menschen auf Sex-, Drogen- und Sinnsuche waren mit Mitte dreißig sein Lieblingsthema und sind es auch noch mit 51, als veritabler alter Sack also - und damit als natürlicher Feind all seiner früheren Filmhelden.
Entwarnung, Araki ist doch nicht erwachsen geworden!
Berühmt wurde Araki in den Neunzigern vor allem durch seine wüste "Teenage Apocalypse Trilogy" ("Totally Fucked up", "The Doom Generation" und "Nowhere", alle sehenswert, aber nur für Menschen geeignet, die keine Probleme mit extrem verstörenden Bildern von Sex, Gewalt und Depressionen haben). Die Trilogie brachte ihm einen Ruf als misanthropischer Unheilsverkünder ein, dessen ebenfalls sehenswerte Versuche etwas ungezwungener Unterhaltung ("Splendor" und sein letzter Film "Smiley Face") dann mehr oder weniger ignoriert wurden. Den meisten Kritikern gilt "Mysterious Skin" von 2004 als sein Meisterwerk, eine auch nicht gerade leicht verdauliche, aber unendlich berührende Geschichte über die späte Aufarbeitung eines Kindesmissbrauchs - nicht wenige hielten den Film für den Beweis, dass Araki nun endlich erwachsen geworden wäre.
Gott sei Dank eine Täuschung. "Kaboom" ist einer seiner leichteren Filme, sympathisch und zugänglich, aber auch wieder wild und laut und bunt und brachial, das Leben eine gefährliche, aber lustige Party, vor der Apokalypse der Orgasmus. Und das wirkt nicht einmal angestrengt. Die große Stärke von Gregg Araki ist es, betont ungewöhnliche Charaktere in selbstverständlicher Glaubwürdigkeit zu zeichnen, ohne sie als Freaks vorzuführen. Er liebt seine Figuren, und wenn eine davon eine durchgeknallte Hexe auf Rachefeldzug ist, dann muss sie noch kein schlechter Mensch sein - sie könnte ihre Gründe haben. Araki wird versuchen, die zu finden.
Kaboom. Start: 16.6. Regie: Gregg Araki. Mit Thomas Dekker, Haley Bennett, Kelly Lynch.