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Kinokomödie "Hai-Alarm am Müggelsee" Brachial in Badehosen

Sven Regener und Leander Haußmann legen mit der Low-Budget-Komödie "Hai-Alarm am Müggelsee" eine Satire über Marketing und Wutbürger vor. Die Genreregeln sind den Machern egal, ihre Egos nicht. Zum Glück ist das stellenweise sehr lustig.

Hier ist absolute Vorsicht geboten! Der Bademeister (Michael Gwisdek) taucht mal eben kurz seine Hand ins Wasser des Müggelsees. Was er wieder hervorzieht, ist nur noch ein spritzig blutender Stumpf.

Das Vorsichtsgebot gilt aber auch fürs Publikum. Denn die Lakonie, mit welcher der Verstümmelte auf seinen Arm blickt, und die totale Stille, in der sich all das abspielt, zeigen gleich zu Beginn des Films: Hier hat man es nicht mit einer herkömmlichen Komödie zu tun, die sich um die Konventionen vom Aufbau eines Gags schert, um Timing etwa oder eine Pointe.

Um was aber dann? Wenn man die gängigen Marketing-Etikette wie "schräg" oder gar "anarchisch" einmal außer Acht lässt, dann lässt sich "Hai-Alarm am Müggelsee" am besten als Film beschreiben, dessen Humor bewusst andere Menschen ausschließt; die Komödie als hermetisch abgeschlossene Phantasie zweier Egos, sozusagen. Leander Haußmann hat für Sven Regener schon dessen Roman "Herr Lehmann" verfilmt, nun haben die beiden gemeinsam Regie, Drehbuch und Musik für dieses Werk übernommen.

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"Hai-Alarm am Müggelsee": Monster der Provinz

Foto: X-Verleih

Ja, die Songs: sanfter Blues, gemütlicher Folk. Wenn da nicht die vor Sarkasmus nur so strotzenden Texte wären: "Das Städtemarketing steht und fällt mit der Kompetenz der Menschen, die sich eben dafür interessieren." Von Berufs wegen ist in Friedrichshagen am Müggelsee neben dem Bürgermeister (Henry Hübchen) vor allem die knapp bekleidete städtische Angestellte Vera Baum (Anna-Maria Hirsch) dafür zuständig. Zusammen einigt man sich angesichts des Zwischenfalls mit dem Bademeister auf Deeskalation: Badeverbot, Schweigepflicht und Freibier für renitente Badewillige.

Aber Snake Müller (Uwe Dag Berlin), jüngst in den Ruhestand von Hawaii nach Berlin, pardon: Friedrichshagen geflohener Haijäger, riecht den Braten: Ein Untier macht den Müggelsee unsicher. Wenn das rauskommt - der Image-GAU! Also lassen die Behörden erst einmal wieder alle ins Wasser. Doch das Gerücht hat sich längst verbreitet, die Schwimmer bleiben aus, und die Verwaltung entscheidet sich dann doch für eine proaktive Maßnahme: "Hai-Alarm". Der Müggelseedamm wird gesperrt - und das ansonsten eher betuliche Bölschefest zur rauschenden Dauerparty. Doch lässt der "Kater der Bürgerwut", wie ihn das Presseheft zum Film nennt, da wirklich lange auf sich warten?

Immer diese Insider

Schon der Filmtitel bezeugt die Neigung der Autoren, Witz durch simple Kontrastierung herzustellen. Ein Hai in einem beschaulichen deutschen Badesee? Zwei Taucher, Regener und Haußmann selbst, die in voller Montur durch die Straßen watscheln und in Amtsfluren herumhocken? Katharina Thalbach als "zynische Irre", die vor dem Rathaus ein Schild hochhält, auf dem wahlweise "Ficken" steht oder "Günther Jauch"? Regener und Haußmann zwingen zusammen, was nicht zusammen gehört. Mit Überraschungen ist das aber nun einmal so eine Sache: Die einen freuen sich darüber, den anderen erscheinen sie als Störung. Und wie allen Polarisierern ist auch Regener und Haußmann eine gewisse künstlerische Selbstgefälligkeit nicht abzusprechen.

Besonders, wenn es an die Insider-Witze geht: Haußmanns Theaterkollegen Jürgen Flimm und Frank Castorf etwa kommentieren das Geschehen von einer griechischen Taverne aus, vor jedem Ouzo wünschen sie einander auf Griechisch "Gute Nacht" statt "Wohl bekomm's". Währenddessen rückt der "reiche Mann von Friedrichshagen", den Benno Fürmann mit dicker Sonnenbrille, Proletensakko und Zigarre im Mundwinkel persifliert, einer störenden Kamera der legendären Marke Arri mit schwerem Gerät zuleibe. Tja, so eine Arri, die ist halt unkaputtbar. Allein: Wer außerhalb der Bühnen- und Filmbranche soll das witzig finden?

Die Macher scheren sich also nicht um Allgemeinverständlichkeit. Grandiose Momente gelingen ihnen aber doch - etwa wenn Detlev Buck als stoischer Dorfbulle im Boot eine störrische Schwimmerin davon überzeugen will, endlich den See zu verlassen. Die Szene nimmt sich Zeit, die Skurrilität der Situation und die spezifischen Züge der Figuren zu entwickeln, statt auf den bloßen Effekt zu setzen.

Mit der Zeit kristallisiert sich dann tatsächlich so etwas wie eine Geschichte aus der Collage von Einzelszenen heraus. Running Gags, die eng mit den jeweiligen Charakteren verbunden sind, erweisen sich - eigentlich eine Binse - als zunehmend effektiver, je besser man mit den Figuren vertraut ist. Und als Satire auf die hysterisch-provinziellen Umtriebe des Städtemarketings funktioniert der Film sogar hervorragend. Regener und Haußmann haben eine brachiale, vom Moment der Überraschung besessene Komödie gedreht, die einem aus jeder Einstellung entgegen schreit: Lieb mich oder hass mich! Doch entschiede man sich für eines davon, wäre man den Filmemachern schon auf den Leim gegangen.

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