
"Hobbit"-Trilogie: Ausgedachter Mumpitz aus dem Auenland
"Hobbit" am Ende Auf den Wolkenkuckuckskontinenten der Fantasy
Ist es vorbei? Noch mag man es kaum glauben. Nach dem Ende der "Herr der Ringe"-Trilogie gab es schon einmal eine trügerische Pause, in der das mediale Sperrfeuer aus kriegerischem Kitsch für eine Weile ruhte. Was folgte, war ein erneutes Bombardement mit monumentalem Mumpitz, diesmal für die "Hobbit"-Trilogie. Deren nun hoffentlich wirklich allerletzter Teil kommt am Donnerstag in die Kinos. Damit sollte die Luft bald wieder rein sein. Die versprengten und verstummten Verächter der Fantasy können sich nach 13 Jahren endlich wieder aus der Deckung wagen. Vorerst.
Der wahre Verächter, darin besteht seine Verachtung, trennt nicht erst zwischen Büchern und Filmen. Ihm geht es nicht darum, das literarische Florett gegen die cineastische Brechstange in Stellung zu bringen. Sondern darum, das ganze Genre in Bausch und Bogen zum Teufel zu wünschen. Mag sein, dass J.R.R. Tolkien entzückende Kunstmärchen geschrieben hat, mag sein, dass manche Menschen vor einer immer grauer und ernsthafter erscheinenden Realität gerne in kunterbunte Quatschwelten emigrieren.
Fantasy ist das Gegenteil von Fantasie
Gegen Eskapismus sind schon alle Argumente vorgebracht und auch widerlegt worden, am pointiertesten vielleicht von Dietmar Dath: "Das könnte denen so passen, dass man ihre Scheißwirklichkeit nicht nur nicht verändern können soll, sondern noch nicht einmal das Recht zugestanden kriegt, sich mal eine Weile mit was ganz anderem zu befassen, um nicht komplett abzustumpfen". Womöglich liegt es an der Plotverschleppung, mit der Regisseur Peter Jackson die flotte Handlung eines Kinderbüchleins verlangsamte, bis sie im epischen Schlachtengemälde zum Stillstand kam. Wer aber vor Gier, Geld, Krieg und anderen Symptomen unserer Scheißwirklichkeit ins Kino entflieht, dem wird beim "Hobbit" zur Abwechslung dann Gier, Geld und ein Gemetzel von 45 Minuten geboten - nur eben vor einem spekulativen paläohistorischem Hintergrund.
Jeder Aufenthalt in Mittelerde endet mit der Einsicht in die Vergeblichkeit solcher Ausflüge. Auf den Wolkenkuckuckskontinenten der Fantasy wird Fantasie in der Regel nicht angeregt, sondern eingezäunt und abgebaut. Je akribischer Nicht-Orte wie Gondor oder Westeros kartografiert werden, umso mehr schwächen diese experimentellen Topografien unser Interesse für echte Orte und das, was dort geschieht. Wenn die ausgedachte Welt sich darauf beschränkt, die vorliegende Welt symbolisch zu spiegeln und dabei ein wenig geradezurücken, verliert die Suche nach einem Ausgang ihren Sinn.
Es ist daher auch kein Zufall, dass inzwischen mehr Menschen eine Meinung zu Mordor als zu Mosul haben. Was sich da ein vom Weltkrieg traumatisierter und von seinem Beruf offenbar unterforderter Literaturprofessor aus den Fingern saugte, steht für viele Leute auf einer Stufe mit der "Edda", "Beowulf", der "Illias", "Gilgamesch" oder dem Alten Testament. Auch hier ist der Unterschied zwischen Original und Amalgam erfolgreich eingeebnet - hey, ist doch beides nur erfunden! Oder war es Pop? Fest steht, dass die McMythologie oft genug für bare Münze genommen wird. Scholastische Dispute sind ein Kinderspiel gegen den heiligen Ernst, mit dem derzeit Hinz und Kunz in einschlägigen Foren die Vorlage gegen den Film - also eine Schwundstufe gegen die andere - in Schutz nehmen.
Gestelztes Geschwätz über erfundene Genealogien
In der Scheißwirklichkeit hat Mittelerde längst seine kleinen Privatkolonien gebildet. Sie werden bevölkert von Freundinnen und Freunden des Genres, organisiert in illusionsfördernden Gemeinschaften. Erwachsene Menschen, die an Samstagen in alten Burgruinen irgendwelche Schlachten nachspielen und sonntags in der Küche Rezepte aus dem Auenland kochen, bei deren Verzehr sie sich mit gestelztem Geschwätz über erfundene Genealogien oder die Fallstricke einer erfundenen Grammatik unterhalten. Diese Leute werden bleiben. Sie sind, um es mit Tolkien zu sagen, "ein unauffälliges, aber sehr altes Volk, das früher zahlreicher war als heute".
Wer dagegen bald wieder in Deckung gehen muss, das sind die Verächter. Christopher Tolkien, der Sohn des Meisters, hält alle Rechte und wünscht keine weitere Verfilmung - obwohl es da beispielsweise noch das "Silmarillion" gäbe, ein Geschichtsbuch noch trockener als die Hochebene von Gorgoroth. Der Erbe aber ist ein sehr alter Mann. Sobald er seine Pfeife abgibt, wird eine dunkle Kraft wirksam werden, die schon die Altvorderen Markt nannten. Und dessen Macht ist bekanntlich keiner Magie gewachsen, weder in dieser noch in irgendeiner anderen Welt.