"Ice Age 4" Jetzt muss Oma ran
Wohin mit Oma? Die alte Faultierdame riecht streng, sie redet wirres Zeug und droht ein Pflegefall zu werden - die Familie will sie loswerden. Deshalb setzt man sie beim ungeliebten Sohn Sid ab, den hatte man vorher schon verstoßen. Zum Glück hat Sid eine Ersatzfamilie gefunden, eine Art Patchwork-Clan der Arten, dem ein Mammut angehört, das sich zum Schlafen mit dem Rüssel an den Baum hängt und ein Säbelzahntiger ohne Jagdtrieb. Und jetzt kommt halt Oma dazu, deren Ungepflegtheit geradezu toxisch ist. Springt sie ins Meer, färbt sich das Wasser lila und es kommt zum großen Fischsterben.
Dysfunktional, degeneriert und nun auch noch dement: Man kann nicht gerade sagen, dass der zusammengewürfelte Haufen in "Ice Age" eine Ansammlung von Prachtexemplaren darstellt. Und doch schlagen sich die Tiere wacker durch die Umbruchphasen der Urzeit. Die animierten Viecher laufen zu einer menschlichen Größe auf, zu der reale Homo Sapiens kaum in der Lage scheinen.
Das eint "Ice Age" mit anderen computergenerierten Tierabenteuern: Ob "Ratatouille", "Rango" oder "Rio" - überall herrscht das Prinzip des Survival of the Softest. Doch im Eiszeit-Serial aus dem Hause Fox, das eigentlich von nichts anderem handelt als vom Sterben und Werden der Arten, wird der im Thema immanente Darwinismus in einen besonders strahlenden Humanismus verwandelt. Noch in der größten Krise übt man sich hier in Solidarität, noch für die größte Pestbeule ist Platz.
Der programmierte Blockbuster
Die Macher der "Ice Age"-Saga leiten aus dem Solidarprinzip ihrer Helden ein einfaches Erzählprinzip ab. Von Folge zu Folge vergrößern sie die animalische Schutzgemeinschaft - und zwar gewinnbringend: Der erste Teil spielte 2002 weltweit 380 Millionen Dollar ein, der zweite vier Jahre später mehr als 650 Millionen und der dritte im Jahr 2009 fast 890 Millionen. Aus dieser Gewinnkurve ergibt sich eine extrem hohe Erwartung an "Ice Age 4": Alles unter einer Milliarde Dollar wäre eine Enttäuschung.

CGI-Spektakel: Eine Scholle voller Softies
Deshalb wollte Fox mit seinem programmierten Blockbuster (der wegen der EM nicht an einem Donnerstag, sondern in Deutschland erst am kommenden Montag startet) wohl unbedingt alles richtig machen. Bei "Ice Age" ging ja die sympathische Ehrgeizlosigkeit der Figuren stets mit einer verbissenen Zielgruppenoptimierung einher: Die Schöpfer bauen in die Geschichten ein, was gerade auf dem Kinder-Markt für Furore sorgt. So sind nach den Dinos im schon schwächeren dritten Teil nun die Piraten dran.
Bei den plumpen Verweisen aufs Kino-Franchise "Fluch der Karibik" - wo auch ein Teil den anderen Teil an der Kinokasse übertrumpfte - zeigen sich jedoch die groben Schwächen von "Ice Age 4": Auf einer Scholle treiben die Softies um Mammut Manni und Säbelzahntiger Diego einer Truppe Freibeuter in die Arme, denen es an Charakter mangelt. Und das nicht nur in moralischer Hinsicht, sondern auch in erzählerischer: Sie bleiben in ihrer Bösartigkeit allen 3-D-Effekten zum Trotz flach.
Wo in anderen computergenerierten Filmen kunstvoll zitiert wird, da klauen die "Ice Age 4"-Macher (Regie: Mike Thurmeier und Steve Martino) nur uninspiriert zusammen. Der Piratenkapitän ist ein Orang-Utan und wirkt, wie aus dem "Dschungelbuch" gefallen. Das Heer hyperaktiver Nager, mit dem sich Manni und seine Freunde gegen die Seeräuber verbünden, erinnert frappierend an den Lemuren-Stamm in "Madagaskar". Und die auf Blättern einschwebenden Kleintier-Bomber hat man sehr viel virtuoser in "Rango" gesehen. Insgesamt wirkt das Urzeit-Spektakel mit dem Milliarden-Ziel arg zusammengeramscht.
Auf Oma Faultier lassen wir trotzdem nichts kommen, für sie würden wir es sogar mit dem unvermeidlichen fünften "Ice Age"-Teil probieren. Wie sich im Laufe der Handlung herausstellt, ist sie vom Status eines Pflegefalls doch weit entfernt, sogar liebestechnisch geht da noch einiges. Omas Sexappeal entspricht dem einer Rosine, und das ist positiv gemeint. Wie heißt es doch im Film: Je runzeliger die Haut, desto süßer das Fleisch.