"Wolverine"-Star Hugh Jackman "Ich habe mich dauernd selbst aufgespießt"

"Wolverine"-Star Hugh Jackman: "Ich habe mich dauernd selbst aufgespießt"
Foto: 20th Century FoxSPIEGEL ONLINE: Mister Jackman, wir Journalisten durften uns gerade mit Ihren Original-Wolverine-Klauen fotografieren lassen. Sie sind aus Plastik. Fühlen Sie sich damit beim Dreh nicht idiotisch?
Jackman: Haha, ach, mit der Zeit gewöhnt man sich dran. Die allerersten Klauen, die wir am Set von "X-Men" hatten, waren aus Metall und sehr schwer. Das war gefährlich: Ich habe mich andauernd selbst aufgespießt mit den Dingern, bestimmt zehn Mal. Einer Kollegin habe ich sogar den Arm durchbohrt. Deswegen haben wir inzwischen mehrere Ausführungen, unter anderem biegsame aus Plastik für die Kampfszenen, damit ich niemanden umbringe!
SPIEGEL ONLINE: Sie haben den Comic-Helden in drei "X-Men"-Filmen verkörpert, vor vier Jahren spielten Sie ihn auch als Titelhelden in "X-Men Origins: Wolverine". Als Sie den neuen Film ankündigten, sagten Sie, er solle etwas Besonderes, Ungewöhnliches werden. Jetzt kommt "Wolverine - Weg des Kriegers" in die Kinos. Und?
Jackman: Ich versuche natürlich immer, etwas Besonderes zu schaffen! Mit Wolverine war es so, dass ich das Gefühl hatte, der Figur noch nicht gerecht geworden zu sein. Im ersten Film hatten wir zu viele andere Mutanten, er fühlte sich wie ein weiterer X-Men-Film an. Der ursprüngliche Regisseur Darren Aronofsky hatte die Idee, den neuen Film einfach nur "The Wolverine" zu nennen (Originaltitel, d. Red.), damit klar ist: Man muss die anderen nicht gesehen haben. Und wenn, dann fühlt sich dieser Film anders an und definiert den Charakter besser.
SPIEGEL ONLINE: Aronofsky sagte letztlich ab, die Produktion kam für über ein Jahr zum Erliegen, schließlich fand sich mit James Mangold ein neuer Regisseur. Was ist übrig von der ursprünglichen Idee?

Jackman: Der Anfang des Films, als Wolverine und Yashida am Ende des Zweiten Weltkriegs Zeugen der Zerstörung Nagasakis werden, war Darrens Idee. Aber James hat sich den Film schnell angeeignet - und einen sehr guten Weg gefunden, die vier unterschiedlichen weiblichen Charaktere, ihre Beziehungen untereinander und zu Wolverine glaubhaft darzustellen. Das war die größte Herausforderung des Skripts. Außerdem gab er dem Film eine Tonalität, die an den Eastwood-Klassiker "The Outlaw Josey Wales" (deutscher Titel: "Der Texaner", d. Red.) erinnert, einen meiner Lieblingsfilme.
SPIEGEL ONLINE: Mangold ist vor allem für den Johnny-Cash-Film "Walk The Line" bekannt, Sie selbst sind versierter Sänger und Tänzer - haben Sie beide mal über ein Wolverine-Musical nachgedacht?
Jackman: Ha! Nein, das würde sich irgendwie nicht richtig anfühlen.
SPIEGEL ONLINE: Aber Sie haben doch bestimmt einen Wolverine-Song, den Sie gerne vor sich hin summen.
Jackman: Das nun nicht. Aber tatsächlich singe ich die meiste Zeit am Set, meistens zwischen den Takes in meinem Trailer. Das sieht wahrscheinlich sehr komisch aus, wenn ich in kompletter Wolverine-Montur Tonleitern trällere.
SPIEGEL ONLINE: Sie waren bereits voll austrainiert für "The Wolverine", als die Produktion stoppte - und spielten zunächst den ausgezehrten Valjean im Musical-Film "Les Miserables". Danach mussten Sie wieder den Muskelmann geben. Wie geht das?
Jackman: Das war gar nicht so schwer, es gibt viele Parallelen zwischen beiden Figuren: Sie sind Einzelgänger mit schwieriger Vergangenheit, die nach Erlösung suchen. Und natürlich kommt mir zugute, dass ich Wolverine seit 13 Jahren spiele, ich könnte hier und jetzt ohne Probleme in die Rolle schlüpfen. Valjean musste ich mir natürlich erst erarbeiten.
SPIEGEL ONLINE: Also war die körperliche Herausforderung größer?
Jackman: Oh ja! Valjean ist zwar ein kräftiger Kerl, aber er musste, zumindest zu Beginn, kränklich aussehen. Also habe ich weitertrainiert, aber meine Kalorienzufuhr drastisch reduziert. Ich habe einfach nichts mehr gegessen und mich dehydriert, so dass ich ein sehr schmales Gesicht bekam und mich oft wirklich elend fühlte. Aber die Muskeln am Oberkörper blieben erhalten. Achten Sie mal drauf: Sie sehen mich in "Les Miserables" nie ohne Hemd.
SPIEGEL ONLINE: Sehr clever. Und dann?
Jackman: Als wir mit den Anfangsszenen fertig waren, rannte ich sofort in Jamie Olivers Restaurant in Portsmouth, wo wir gedreht haben, und verschlang buchstäblich drei Mahlzeiten hintereinander, dazu Unmengen Guinness-Bier und Chips. Bis zum Ende der Dreharbeiten legte ich wieder 13, 14 Kilos zu, was auch für den Valjean-Charakter funktionierte, der später ein wohlgenährter Geschäftsmann ist. Es war total anstrengend, aber nur so konnte ich sofort danach Wolverines Körperprofil ausfüllen. Lustig: Mir fällt gerade auf, dass ich Tom Hooper, dem Regisseur von "Les Mis", nie erzählt habe, dass ich die ganze Zeit weitertrainiert habe.
SPIEGEL ONLINE: Ihr Debüt als Wolverine in "X-Men" war Ihr Durchbruch in Hollywood. Haben Sie ein spezielles Verhältnis zu dieser Figur?
Jackman: Natürlich, ich hatte vor "X-Men" ja nur zwei kleinere Filme in Australien gemacht und habe Wolverine allein deswegen viel zu verdanken. Außerdem macht es sehr viel Spaß, ihn zu spielen. Er ist eine der interessantesten Figuren im Superhelden-Genre. Als ich jünger war, liebte ich Charaktere wie Mad Max oder Dirty Harry, und in gewisser Weise ist Wolverine eine moderne Version dieser Figuren.
SPIEGEL ONLINE: Im neuen Film verliert Wolverine seine Unsterblichkeit, plötzlich ist er verwundbar, beginnt zu altern. Sie sind 44. Merken Sie erste Zipperlein?
Jackman: Was denken Sie denn!? Es fällt mir immer schwerer, für so eine Rolle in Form zu kommen. Ich muss härter und länger trainieren, beklage mich immer lauter darüber - und darf nicht mal Alkohol trinken! Davon abgesehen spüre ich keine Anzeichen einer Midlife Crisis. Aber vielleicht kommt das noch. Ein Freund von mir sagt immer: Hugh, mit 46 wird's richtig schlimm!
SPIEGEL ONLINE: Warum gerade mit 46?
Jackman: Weil du dir nicht mehr vorlügen kannst, gerade erst 40 geworden zu sein. Ein anderer Kumpel von mir, ein Geschäftsmann im gleichen Alter, sagte mal zu mir, er habe sein Leben lang behaupten können, jung und erfolgreich zu sein, und jetzt bliebe nur noch erfolgreich. Mich schreckt das eigentlich nicht. Ich war ja nicht erfolgreich, als ich jung war, meine Karriere begann erst mit 30. Außerdem ist meine Frau viel älter als ich, daher erzählt sie ohnehin jedem, ich wäre 50 und hofft, dass ich bald graue Haare kriege. Im Grunde bin ich also schon darüber hinweg.
SPIEGEL ONLINE: Fürchten Sie den Tag, an dem Sie Wolverine nicht mehr glaubhaft darstellen können?
Jackman: Oh, der Tag wird kommen, ganz sicher. Und das ist okay, auch wenn ich, zugegeben, sehr an Wolverine hänge. Gute Rollen überleben ihre Darsteller. Und ich will auf keinen Fall am Set mit zwei gebrochenen Beinen herumkriechen und behaupten "Ich bin okay, ich kann spielen!", bis der Regisseur mir peinlich berührt sagen muss: "Hugh, du brauchst einen Rollstuhl, langsam wird's jämmerlich".
SPIEGEL ONLINE: Benennen Sie einen würdigen Nachfolger.
Jackman: Kaum vorstellbar, dass jemand mit Anfang oder Mitte Zwanzig diese Rolle spielen könnte. Wolverine ist eine alte Seele, er leidet an seinem Weltschmerz. Sogar ich kann ihn mit 44 besser spielen als mit 30. Außerdem werde ich einen Teufel tun und Namen nennen. Nachher kommen die noch auf die Idee, mich auszutauschen!