Interview mit David Duchovny "Ich will nicht zurückkommen wie Obi-Wan Kenobi"
SPIEGEL ONLINE:
Mr. Duchovny, die unvermeidliche Frage zuerst: Glauben Sie an Aliens?
David Duchovny: Die unvermeidliche Antwort: Es ist mir egal. Es ist, als fragten Sie mich über meine Meinung zur Imkerei - das Thema inspiriert mich einfach nicht zu irgendwelchen Gedanken.
SPIEGEL ONLINE: Und das, obwohl sich Ihr halbes Leben um Außerirdische dreht?
Duchovny: Mein Arbeitsleben dreht sich nicht um Aliens, sondern um den Auftritt in einer Sendung. Wenn ich Hamlet spiele, heißt das nicht, dass ich Lust habe, meine Mutter zu bumsen oder meinen Vater umzubringen¹. Ich bin schlicht daran interessiert, die emotionale Wahrheit der Situation zu erfassen. Schauspieler spielen nicht die Worte, sondern das Gefühl. Also ist es nicht wichtig, was ich von Aliens halte. Was sich ganz gut trifft, da ich keine Meinung dazu habe.
¹Gemeint ist offenbar Oedipus, Anm. d. Red.
SPIEGEL ONLINE: Dennoch sind Sie soeben vom Chef-Alienjäger einer TV-Serie zum Chef-Alienjäger einer Kinokomödie evolviert. Ein Fortschritt?
Duchovny: Ist das die Überschrift Ihres Artikels?
SPIEGEL ONLINE: Nein.
Duchovny: Gut. So lässt sich das wohl in der Rückschau betrachten. Aber was mich interessierte, war ein neuer schauspielerischer Stil im Vergleich zu dem, was ich bisher gemacht habe. Ivan Reitmans Komödienstil ist mir nicht instinktiv vertraut, also wollte ich mich darin versuchen. Später stellte ich ein wenig schockiert fest, dass Aliens mitspielten.
SPIEGEL ONLINE: ...und der wahrscheinlich größte Fäkalwitz der Filmgeschichte.
Duchovny: Ich glaube, wir liegen falsch, wenn wir meinen, wir könnten uns über unseren Körper erheben. Die Tatsache, dass wir in diesen müffelnden Dingern feststecken, ist eine grandiose Quelle für Humor. Man sollte sich nicht zu fein sein, über Arschwitze zu gackern. Komödie entsteht aus Unbehagen und Tragödie. Die Tragödie ist, dass wir als grenzenlose Seelen in begrenzten Körpern gefangen sind. Darüber kann man weinen - oder lachen.
SPIEGEL ONLINE: Mit "Akte X" haben Sie sich ein Image als Sexsymbol der denkenden Frau aufgebaut. Dem strecken Sie nun in einer besonders denkwürdigen Szene von "Evolution" Ihren nackten Hintern entgegen...
Duchovny: Wissen Sie, ich als Frau wäre beleidigt, das zu lesen. Welche Frauen denken nicht?
SPIEGEL ONLINE: Dennoch: War es Absicht?
Duchovny: Nein, ich mache keine Witze als Schauspieler. Ich versuche, so wahrhaftig zu spielen, wie ich kann, und die emotionale Wahrheit einer Figur ans Tageslicht zu bringen. Vor der Kamera spiele ich nicht mit dem Image, das mir anhaftet. Das ist unehrlich und schlicht gesagt Bullshit.
SPIEGEL ONLINE: Sie wollen also ernsthaft bestreiten, dass Ihre Figur in "Evolution" Fox Mulder karikiert?
Duchovny: Zumindest war das nicht meine Absicht. Ich war erstaunt, dass dieser eine Satz so viele Lacher bekam: "Ich kenne die Jungs von der Regierung, denen kann man nicht trauen". Ivan Reitman, der noch nie "Akte X" gesehen hat, sagte nur: Mein Gott, du bist komischer, als ich dachte! Bei dir lachen die Leute sogar bei total unwitzigen Sätzen.
SPIEGEL ONLINE: Offenbar werden Sie Fox Mulder so schnell nicht los. Sorgen Sie sich, die Kontrolle über Ihr Schicksal als öffentliche Figur zu verlieren?
Duchovny: Das kann ich eh nicht kontrollieren. Alles was ich kontrollieren kann, ist meine Arbeit. Was danach passiert, entzieht sich meiner Macht.
SPIEGEL ONLINE: Sind Sie ein für alle Mal fertig mit den "X-Akten"?
Duchovny: Es wird keine Cameo-Auftritte oder dergleichen geben. Mulder war so etwas wie das zentrale Gewissen der Serie, und ich will nicht zurückkommen wie Obi-Wan Kenobi, um ab und zu ein bisschen Weisheit abzusondern.
SPIEGEL ONLINE: Könnte man Sie in einem weiteren Kinofilm der Serie zu sehen bekommen?
Duchovny: Ich bin auf jeden Fall offen dafür, aber ich würde gerne erst mal eine Weile ohne auskommen.
SPIEGEL ONLINE: Ihr Tagesablauf dürfte sich erheblich entspannt haben. Irgendwelche Anzeichen einer Erfüllungsdepression?
Duchovny: Noch nicht. Ich wollte definitiv mehr Zeit für mich haben, aber natürlich ist das ein zweischneidiges Schwert. Schließlich ist es einfach, jeden Tag zur Arbeit zu gehen, wenn jemand Ihnen sagt, wo Sie hinzugehen und was Sie zu tun haben.
SPIEGEL ONLINE: Jetzt haben Sie mehr Zeit für Ihre Familie. Kürzlich haben Sie sich sogar den Namen Ihrer Tochter auf den Knöchel tätowieren lassen. Symbol für einen neuen Lebensabschnitt oder eher eine spontane Entscheidung?
Duchovny: Gibt es eine andere Art, sich zu entscheiden? Na gut (greift einen Stift und ein Blatt), schreiben wir mit - Für und Wider ein Tattoo. Dagegen: schmerzt, ist für immer, jugendlicher Anstrich. Dafür: Cool, jugendlicher Anstrich... Kierkegaard sagt, der Moment der Entscheidung sei reiner Wahnsinn. Natürlich sind Entscheidungen spontan. Man kann für immer irgendwelche Listen schreiben, aber irgendwann muss man sich entscheiden: Was mache ich?
SPIEGEL ONLINE: Würden Sie je wieder eine TV-Serie machen?
Duchovny: Kann ich mir nur schwer vorstellen. Ich steige nicht aus "Akte X" aus, weil ich die Serie nicht mag, sondern weil es für mich immer wieder dasselbe ist. Mulder kommt nicht eines Tages mit einem deutschen Akzent daher, weil David Duchovny sich schauspielerisch weiterentwickeln möchte. Nur: Gerade habe ich einen Film über Aliens gemacht, und noch vor einem Jahr hätte ich geschworen: Niemals. Ich würde also sagen, ich halte nicht Ausschau danach, aber vielleicht hat das Leben andere Pläne.
SPIEGEL ONLINE: Wären Sie nicht Schauspieler, was wäre Ihr Traumjob?
Duchovny: Spezialagent wäre nicht schlecht. (lacht) Nein, ich wäre gern Athlet geworden. Das war lange eine schöne Phantasie, aber inzwischen bin ich vierzig, und jetzt ist sogar die Phantasie außer Reichweite. Vielleicht könnte ich professioneller Bowler werden.
Interview: Nina Rehfeld