Interview mit Detlev Buck "Anke Engelke ist eine Tupperkönigin"

Der Regisseur Detlev Buck sprach mit SPIEGEL ONLINE über Tupperware, "gamsige" Männer und seinen neuen Film "LiebesLuder" mit Mavie Hörbiger und Anke Engelke.
Von Manfred Müller

Detlev Bucks neuer Film "LiebesLuder" erzählt die Geschichte einer jungen Frau (Mavie Hörbiger), die in einer deutschen Kleinstadt die jungen Honoratioren der Gemeinde erst becirct, um sie anschließend wegen angeblicher Folgen ihrer Liebesdienste zu erpressen.

SPIEGEL ONLINE: Herr Buck, "LiebesLuder" spielt in einer sprichwörtlich deutschen Fachwerkidylle, ist das böse Absicht?

Detlev Buck: Man hätte die Geschichte genauso in Australien wie im Mittleren Westen der USA drehen können. Die wahre Begebenheit, auf welcher der Film beruht, passierte in Tirol. Da zerstörte eine Frau ganze Familien und verschwand dann plötzlich wieder. Überall, wo die Ehe noch etwas bedeutet und der Status durch einen Seitensprung beschädigt wird, da kann so etwas gefährlich werden. Das kann dich Kopf und Kragen kosten.

SPIEGEL ONLINE: Ist das denn wirklich noch so?

Buck: Mein Kameramann sagte: "Da würde ich mir doch einen Anwalt nehmen." Aber mach' da mal deine Verhandlung, mal sehen, wie lange du in dem Ort überlebst. Das ist keine anonyme Stadt, da heißt es: "Sach mal, das Auto stand aber gestern ewig lange bei der, die werden doch nicht nur Kaffee getrunken haben."

SPIEGEL ONLINE: Also doch ein Seitenhieb auf die Provinz?

Buck: Die Thematik kennt jeder, ob in der Stadt oder auf dem Land. Männer haben manchmal dieses Gamsige an sich, und dann machen sie Fehler und haben die Konsequenzen zu tragen.

SPIEGEL ONLINE: Spricht aus dem Schluss des Films nicht eine reichlich konservative Moral? Die letzte Gerechte wird zum Racheengel?

Buck: Ich hatte eigentlich einen ganz anderen Schluss vor, aber der funktionierte nicht, das war Quark. Das war das Verrückte an diesem Film. Ich hatte etwas geschrieben und fing an zu drehen, aber der Film wollte etwas anderes. Ich musste den Dreh deswegen sogar ganz abbrechen.

SPIEGEL ONLINE: Liegt es daran, dass der Film im konventionellen Sinne nicht "funktioniert"? Alle Figuren sind entweder doof oder schlecht. Es gibt niemanden, mit dem man sich identifizieren kann.

Buck: Das liegt wohl mehr an der Figur der Ina. Da sie so offensichtlich betrügt, geht man nicht gleich mit ihr mit.

SPIEGEL ONLINE: Ina hat zunächst keine Vorgeschichte, sie taucht unvermittelt auf und zieht ihr Programm durch.

Buck: Ja, wie im Western, sie betritt den Ort, und auf der Hauptstraße trifft sie gleich die erste Konkurrentin. Nur dass sie keine Colts, sondern Einkaufstaschen tragen. Die Mavie Hörbiger ruft bei Männern einen Rettungsinstinkt hervor, deshalb habe ich sie besetzt. Und es war mir lieber, dass die Ina auf diese Weise rüberkommt, als dass man ihr eine Vorgeschichte gibt und sagt, das ist eine Professionelle. Ich hatte auch "Frühstück bei Tiffany" im Kopf, wo Holly Golightly eigentlich eine Prostituierte ist. Ich hätte die Figur so anlegen können, aber es hätte banal gewirkt. Andere Zeiten, andere Filme.

SPIEGEL ONLINE: Alle Figuren sind leicht überzeichnet, nur die Hörbiger wandelt wie eine Tragödin unter lauter Komödianten.

Buck: Sie ist das Geheimnis, und das Geheimnisvolle lässt sich nicht komödiantisch darstellen. Und dann sind Männer, wenn sie gamsig oder geil sind, einfach immer lächerlich.

SPIEGEL ONLINE: Wobei die Frauen im Dorf auch nicht intelligenter erscheinen. Anke Engelke gibt eine treffliche Karikatur einer Landpomeranze.

Buck: Anke wollte unbedingt diese Rolle spielen. Sätze wie: "Das kann ich dir eben eintuppern" kommen von ihr. Anke ist eine Tupperkönigin. Die lebt Tupperware, sonst hätte sie diese leichte Überzeichnung nicht so gerne gespielt.

SPIEGEL ONLINE: Sie sagten vorhin, Sie mussten die Dreharbeiten unterbrechen, da die Geschichte nicht wie geplant funktionierte. Überlegt man sich das nicht zweimal, wenn die eigene Produktionsfirma in der Verantwortung steht?

Buck: Ja gut, ich bin ja nun keiner, der wild durch die Gegend dreht. Und letztendlich ist es kostengünstiger, man dreht das, was dann auch im Film zu sehen ist, als wenn man etwas dreht und nachher wieder rausschmeißt. Aber wir sagen natürlich nicht, "Hauptsache, wir haben unsere Kosten drin, und an den deutschen Film glauben wir sowieso nicht."

SPIEGEL ONLINE: Ihr letzter Film, "Liebe deine Nächste" war eher ein Flop.

Buck: Mittlerweile sind die Brötchen wieder kleiner geworden, da freut man sich auch wieder über 100.000 Zuschauer. "Conamara", den wir mit Eoin Moore gemacht haben, der hat wirklich eins auf die Glocke gekriegt. Ein charmanter Film, aber die Zuschauer haben nicht gesagt, "den muss ich jetzt sehen". Und so wurde er auch rezensiert. Da fehlte der Kick. Es gibt oft einen Satz, und die Leute sind überzeugt. So, wie mir über "Dancer in the Dark" jemand sagte: "Das ist nicht mein Film, aber der Schluss, ich war ganz fertig." Diesen einen Satz muss man finden.

SPIEGEL ONLINE: Wie könnte dieser Satz für "LiebesLuder" aussehen?

Buck: (lacht) Das geht euch alle an! Ach, ich will jetzt kein Marketing machen. Wenn ich mich jetzt auch noch darum kümmere, dann bin ich irgendwann des Filmes müde. Ich gebe noch ein paar Interviews, gehe zu irgendeiner Gurkensendung im Fernsehen, aber dann muss er laufen. Wenn nicht, kann ich auch nichts machen.

"LiebesLuder". Deutschland 2000. Regie: Detlev Buck; Darsteller: Anke Engelke, Simon Schwarz, Pierre Besson, Detlev Buck, Mavie Hörbiger. Verleih: Delphi, Länge: 91 Minuten.

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