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Streit um Musikzitat: Viel Lärm um einen stummen Film

Foto: AP/ The Weinstein Company

Kim Novak vs. "The Artist" Hollywood-Diva wütet gegen Oscar-Favoriten

"Ich möchte eine Vergewaltigung anzeigen" - so drastisch beschwert sich Kim Novak über den Film "The Artist", einen heißen Kandidaten für die Oscars. Darin wird die Musik zu Hitchcocks "Vertigo" zitiert, bei dem Novak die Hauptrolle spielte. Die "Artist"-Macher beteuern, es sei eine Hommage.

Los Angeles - Es ist ein Wutausbruch der besonderen Art. Ein Wutausbruch, der nicht im stillen Kämmerlein verhallt, sondern die große Bühne sucht. Eine ganzseitige Anzeige im vielgelesenen Branchenblatt "Variety"  hat die 78-jährige Schauspielerin Kim Novak gebucht, um ihrer Wut Ausdruck zu verleihen - und sie beginnt mit drastischen Worten (in Großbuchstaben!): "Ich möchte eine Vergewaltigung anzeigen." Sie fühle sich, als sei ihr Körper (body) - oder doch zumindest ihr Werk (body of work) misshandelt worden durch den Film "The Artist".

Worum geht es? In "The Artist", einem in schwarzweiß gedrehten, nahezu komplett stummen Film des französischen Regisseurs Michel Hazanavicius, wird in der Tonspur die Filmmusik zitiert, die Bernard Herrmann für Alfred Hitchcocks meisterhaften Thriller "Vertigo" komponierte.

"Ein großer Teil der Musik zu 'Vertigo' wurde während der Dreharbeiten geschrieben, nicht danach - so arbeitete Hitchcock", betont Kim Novak in ihrer Beschwerde: "Das 'Love Theme' ist musikalisch verwoben mit den Puzzleteilen der Handlung." Da Herrmann (1975), Hitchcock (1980) und der männliche Hauptdarsteller James Stewart (1997) allesamt schon lange tot sind, sei sie die einzige, die nun sprechen könne: Die Macher von "The Artist" benutzten die Musik, um Gefühle heraufzubeschwören, die sie als ihre eigenen ausgäben. Auch wenn der Komponist Bernard Herrmann im Abspann kurz gewürdigt werde, sei dies "mindestens Mogelei", so Nowak.

Der Angriff von einem Mitglied aus Hollywoods alter Garde kommt zur Unzeit für "The Artist". Der Film, der eine Hommage an die Stummfilmzeit des Kinos ist, wird in der Preisverleihungs-Saison 2012 als einer der großen Favoriten gehandelt. Nachdem Hauptdarsteller Jean Dujardin schon bei der Premiere des Films in Cannes ausgezeichnet wurde, wurde "The Artist" inzwischen für sechs Golden Globes nominiert, und ist durch zahlreiche andere Nominierungen und Preise von Kritikerverbänden zu einem der Top-Favoriten für die Oscars geworden.

Zuletzt hat auch die Director's Guild of America - der Fachverband der Regisseure - den "The Artist"-Regisseur Michel Hazanavicius für ihren Preis nominiert, neben Woody Allen (für "Midnight in Paris"), David Fincher ("The Girl With The Dragon Tattoo", deutsch "Verblendung"), Alexander Payne ("The Descendants") und Martin Scorsese ("Hugo"). Doch eine Diskussion um kreativen Diebstahl, auf die Kim Novak anspielt, könnte schädlich sein für "The Artist" bei den Oscar-Wählern der Academy Of Motion Picture Arts And Sciences.

Den einen oder anderen Oscar könnte "The Artist" zudem gut gebrauchen, um an den Kinokassen in Schwung zu kommen - bis dato spielte der Film trotz euphorischer Kritiken in den USA und Kanada erst sieben Millionen Dollar ein.

Auch darum beeilte sich Hazanavicius wohl sehr, eine Antwort abzugeben  - und diese im Ton sehr konziliant zu halten: "The Artist" sei ein Liebesbrief ans Kino und inspiriert durch Werke von Hitchcock, Lang, Ford, Lubitsch, Murnau und Wilder. "Ich liebe Bernard Herrmann, seine Musik wurde in vielen Filmen verwendet, und ich freue mich, sie in meinem zu haben", führt der Regisseur weiter aus: "Ich respektiere Kim Novak sehr und bedaure zu hören, dass sie anderer Meinung ist."

Die Musik aus dem Hitchcock-Klassiker soll anfangs als Übergangslösung in "The Artist" eingesetzt worden sein. Komponist Ludovic Bource habe für die Szene, in der Hauptdarsteller Jean Dujardin Selbstmord begehen will, ein eigenes Lied geschrieben. Hazanavicius und Produzent Thomas Langmann hätten aber bei Herrmanns Musik bleiben wollen, bestätigte Bource gegenüber "Variety".

feb/AP/dpa
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