Kino "Der Prinz von Ägypten" - Monumentales Aufbäumen
In fast 40 Ländern startet die Moses-Story diese Woche - ein Unikum für eine US-Großproduktion. An die 10.000 Kopien müssen fertiggestellt und synchronisiert werden. Der Abspann zählt mehrere hundert Namen auf: 350 Zeichner und Animations-Spezialisten waren an der monumentalen Bibel-Umsetzung aus den DreamWorks-Studios beteiligt, über 900 verschiedene Hintergründe wurden handgemalt. 318.000 Stunden rechneten die Computer, damit sich beim grandiosen Finale das Rote Meer teilt. Archäologen, Historiker, Ägyptologen, christliche Bibelforscher, Rabbiner und Glaubensexperten des Islams wurden hinzugezogen. Vier Jahre werkelten die Hundertschaften der vor vier Jahren von Steven Spielberg, David Geffen und dem ehemaligen Disney-Chef Jeffrey Katzenberg gegründeten DreamWorks-Studios. Doch mehr als ein mächtiges Aufbäumen gegen Disneys Zeichentrickimperium ist nicht gelungen. Und das, obwohl der zeichnerische Anspruch dieser dramatischen Nachgestaltung des Lebens des Propheten Moses ungleich höher ist als bei Disneys Märchenfilmen. Auch wenn sich das Disney-Team mit der von chinesischen Tusche-Zeichnungen inspirierten Mulan so viel Mühe wie lange nicht gegeben hat.
Die Bilder unterscheiden sich wie Uderzos "Asterix" von Disneys "Lustigen Taschenbüchern". Mächtig und detailreich bis in den Hintergrund ersteht das Ägypten der Pharaonen wieder. Die Wüstenlandschaft ist großartig wie in "Lawrence von Arabien", das Tal der Könige beeindruckt mit Pracht und Größe seiner Bauten, als stünde man selber vor den Pyramiden (von denen man endlich erfährt, wie sie gebaut wurden). Genial die Traumsequenz, als vor Moses Augen plötzlich die zweidimensionalen Figuren der hieroglyphischen Wandmalerei um die Simse laufen und Moses klar wird, daß er nicht zur Pharao-Familie, sondern zum versklavten Volk der Hebräer gehört.
"Der Prinz von Ägypten" ist ein Kunstwerk, kein Zeichentrick. Doch die großartige zeichnerische Leistung wird erdrückt von der bekannten Geschichte. Das Schlimmste an ihr: Der heilige Stoff läßt keinen Humor zu. Die witzigen Nebenfiguren, die man in Disney-Filmen liebgewinnt und nachher bei McDonalds kaufen kann, sind hier unpassend. Ein sprechendes Kamel wurde von den DreamWorkern wieder aus dem Script genommen. Mit zwei Priester-Karikaturen treiben sie halbherzige Komik. Identifikationsfiguren gibt es auch keine: Wer möchte sich schon mit Moses gleichsetzen oder gar mit dem Lieben Gott? Nicht mal für einen richtigen Bösewicht gab es Platz, denn dann hätte man die Ägypter als Sklaventreiber diffamieren müssen. Der brutale König Ramses in der Bibel in einer eindrucksvollen Charakterrolle gezeigt, verzweifelt hin- und hergerissen zwischen seiner Bruderliebe zu Moses und dem vom Vater übernommenen Ideal des starken Herrschers. Viel eher funktioniert da schon als Unterhaltungskino, was die Macher aus alten Monumentalfilmen stiebitzten. Neben Lawrence-Landschaften bauten sie ein rasantes Remake des Ben-Hur-Wagenrennens ein.
Groß geklotzt wird auch bei den Namen der Beteiligten: Die Hollywood-Lieblinge Val Kilmer, Jeff Goldblum, Steve Martin, Sandra Bullock und Michelle Pfeiffer sprechen die Hauptpersonen. Zwei der berühmtesten Filmkomponisten Hollywoods, Stephen Schwartz und Hans Zimmer (Oscar für Disneys "Der König der Löwen") schrieben die Songs für Moses und Ramses und ein Duett für Mariah Carey und Erzrivalin Whitney Houston. Auch beim Marketing setzt DreamWorks auf Musik: Statt Rotes-Meer-Duschvorhänge gibt es gleich vier Soundtracks. Moses hin, Bibel her - die gut 70 Millionen Dollar, die der Film gekostet hat (die Konkurrenz spricht vom Doppelten), müssen ja wieder reinkommen.
Die Zielgruppe des Films ist allerdings unklar, ein spezifischer Kinderfilm ist Der Prinz von Ägypten nicht. So werden Familien doch wieder in Mulan gehen und Disneys Zeichentrick-Monopol noch etwas erhalten. Der Cartoon-Konzern hat es seit 1937 inne, als er "Schneewittchen und die sieben Zwerge" herausbrachte.