Kino "Liebe Deine Nächste!" - Grobschlächtige Heiterkeit
Detlev Buck darf als Spiritus Rector der deutschen Komödienbewegung gelten. Noch vor dem Überraschungsserfolg von Dörries "Männer" hatte er 1984 mit seinem No-Budget-Debüt "Erst die Arbeit und dann?" einen Stil begründet, der bald zur nationalen Institution heranreifte. Es war der Humor der Kohl-Ära, ein bißchen ungezogen, auch derb und drastisch, aber nie wirklich böse gemeint. Zum diesjährigen Fest serviert uns Buck die Weihnachtsgeschichte. Und befaßt sich entsprechend der Tradition mit den Mühseligen und Beladenen.
Josefine (Lea Mornar) und Isolde (Heike Makatsch), zwei Leutnants einer fiktiven Heilsarmee, erhalten den Befehl zum Marsch in die große Stadt. Die Verhältnisse dort sind aus dem Ruder gelaufen. Die grassierende Armut ist mit Suppe, Seife, und Heilsbotschaften nicht mehr einzudämmen. Aber die streitbaren Damen nehmen die Herausforderung dankend an. Sie führen ein strenges Regiment im Obdachlosenasyl und zeigen beharrlichen Einsatz im Aufbessern der Haushaltskasse für die Suppenküche im Pennerheim. Das großzügige Spendenangebot eines gewissenlosen Unternehmensberaters (Moritz Bleibtreu) bringt die aufrechten Schwestern in Gewissenskonflikt. Er bietet 10.000 DM, wenn Josefine mit ihm ausgeht, und jeder weiß, was er sich darunter vorstellt.
Die Mischung aus "Der kleine Lord" und "Ein unmoralisches Angebot" hält Buck mit grobschlächtiger Heiterkeit beisammen. Als Running Gag fallen lebensmüde Stadtneurotiker von den Dächern, das High-Society-Lokal lockt ins extravagante Abbruchambiente, und Bleibtreu als mephistophelischer Yuppie verrichtet sein unbarmherziges Sanierungswerk mit einem zynischen Lacher auf seiner Seite. Das ist der Humor derer, die sich im Szenetreff über die Eckpfeiler einer verträglichen Sozialpolitik verständigen, die zwischen Dessert und Digestif auf die Idee kommen, man könne doch einen geilen Film draus machen, und die sich die ersten Zoten gleich auf der Serviette notieren. Man kann Buck zugute halten, daß er jeden Eindruck von Authentizität verwischt. Sein Kameramann flutet die dunklen Interieurs mit magisch grellem Licht aus dem Hintergrund, löst die Figuren aus ihrer Umgebung und stilisiert die Nahaufnahmen zu ikonenhaften Porträts. Das alles ist ein Märchen, klar, das haben wir schon verstanden, aber seine biedere Moral berührt nur peinlich. Das Leben der Obdachlosen ist ein pittoreskes Sodom, und vor der Macht der Liebe sind dann eh alle Männer gleich.
Humor kennt keine Grenzen, und man muß über alles lachen können. Aber ein bißchen Witz sollte schon den Anlaß dazu geben. Es ist nicht die soziale Armut im Land, die diesem Film sein Thema liefert, sondern - wenn auch eher unfreiwillig - die geistige, und Buck ist ein Teil davon.
Interview mit Regisseur Detlev Buck