Kino-Spektakel "Pacific Rim" Mega-Roboter verkloppt Mega-Monster

Und wieder wird die Welt in Schutt und Asche gelegt. Aber diesmal macht's Laune! In dem Science-Fiction-Film "Pacific Rim" von Guillermo Del Toro tritt die Menschheit mit Mega-Robotern gegen Monster aus dem Meer an. Klingt kindisch? Klar, ist es auch. Zum Glück.
Kino-Spektakel "Pacific Rim": Mega-Roboter verkloppt Mega-Monster

Kino-Spektakel "Pacific Rim": Mega-Roboter verkloppt Mega-Monster

Foto: Warner Bros.

Hollywoods Sommer-Blockbuster folgen einer simplen Regel: Die Prämisse muss in einem, höchstens zwei Sätzen erklärt werden können. Das nennt sich im Branchensprech - nicht ohne Ironie - high concept. Guillermo Del Toro braucht sogar nur drei Worte: Monster gegen Roboter. Vielleicht könnte man noch ein viertes anfügen: Rumms!

"'Pacific Rim' ist zugleich von meinem 48 Jahre alten Ich und meinem 12-jährigen Ich gemacht worden", sagte der mexikanische Regisseur ("Hellboy") unlängst in einem Interview. Er habe einen Film drehen wollen, in dem er sich zusammen mit seinen Kindern amüsieren könne. Dazu kam sein Faible für japanische Monsterfilme, die sogenannten "Kaiju Eiga" um Giga-Kreaturen wie Godzilla oder Mothra, die er selbst als Kind liebte - und mit Warner Bros. ein Filmstudio, das ihm ohne zu murren oder übermäßig Einfluss zu nehmen, ein Budget von bis zu 200 Millionen Dollar bewilligte. Das Ergebnis ist der bisher beste Action-Blockbuster dieses Sommers. Obwohl er eigentlich ein mieses Machwerk sein müsste.

Denn allein die Grundformel verheißt größtmögliche Enttäuschung. Monster gegen Roboter - das weckt ungute Assoziationen zu lachhaft animierten CGI-Ungetümen und seelenloser "Transformers"-Action. Außerdem nutzt sich das aktuelle Lieblingsleitmotiv Hollywoods, die Apokalypse, schon zu Beginn dieser Blockbuster-Saison eklatant ab.

Fotostrecke

"Pacific Rim": Menschen, Monster und Maschinen

Foto: Warner Bros.

Unzählige Male wurden in den vergangenen Wochen Großstädte, wenn nicht gleich der ganze Globus, in Schutt und Asche gelegt. In den Trümmern mussten sich dann ein paar Aufrechte ein Herz fürs Überleben fassen: "Oblivion", "After Earth", "Star Trek: Into Darkness", "World War Z", "Man Of Steel" - überall Aliens, Infizierte oder Irre, die der Welt den Garaus machen. Und nun also drachenartige Ungeheuer, die aus einem Dimensionsriss am Meeresgrund auftauchen, um reihenweise Wolkenkratzer umzureißen und mit Echsenfüßen über berstenden Asphalt trampeln? Lesen Sie noch? Oder schlafen Sie schon?

Cartoon-Ästhetik als Programm

Das Schöne daran ist: Auf dem Papier klingt "Pacific Rim" furchtbar, auf der Leinwand jedoch beginnt er zu funkeln. Und, wenn man sich darauf einlässt, wieder ein Zwölfjähriger zu sein, macht er mächtig Spaß. Vor allem, weil Del Toro zusammen mit Stammkameramann Guillermo Navarro ein originäres visuelles Konzept entworfen hat. Statt sich wie zurzeit jeder andere Apokalypsethriller postmodern in pessimistische Sepia- oder Blaugrautöne zu hüllen, strahlen die Blutbahnen der "Kaiju"-Ungetüme in fluoreszierender Helligkeit. Wenn sie sich mit den "Jaegern" genannten Mega-Robotern der Menschen durch nächtliche Straßenschluchten prügeln, entsteht ein betörender, berauschender Stil zwischen flirrender "Tron"-Animation und LSD-Trip.

Geschickt spielt Monsterfetischist Del Toro mit der Tradition des Genres, in dem es immer auch darum ging, die Spielzeuggröße der animatronischen Puppen und Modelle per Kameraperspektive oder geschickter Kulissenstellung überlebensgroß, lebendig und echt wirken zu lassen. In "Pacific Rim" vereint er das handwerklich-mechanische Monsterwerk von Pionieren wie dem unlängst verstorbenen Ray Harryhausen (siehe auch Fotostrecke unten) mit den Möglichkeiten, die ihm der Computer bietet - inklusive einer ausnahmsweise sinnvoll eingesetzten 3-D-Optik. Das wirkt, man kann es nicht anders sagen, überwältigend.

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Ray Harryhausen: Der Monster-Macher

Foto: Hulton Archive/ Getty Images

Wer von Del Toro mal wieder einen feinsinnigen Fantasy-Reigen wie "Pan's Labyrinth" erwartet hatte, wird sich von der Wucht dieses Spektakels zunächst erdrückt fühlen. Um eine vielschichtige Erzählung oder tiefgründige Charaktere geht es ihm hier nicht, der Schwerpunkt von "Pacific Rim" liegt eindeutig darauf, möglichst oft, laut und lustvoll den Aufprall stählerner Roboterfäuste auf Monsterhaut zu zelebrieren. Cartoon-Ästhetik ist Programm, und Del Toro hat glücklicherweise nicht den Anspruch, ein Genre-Movie zum Kammerspiel umdeuten zu wollen. So gerne man als Kritiker an Action-Blockbustern herummäkelt, weil sie plump und grobschlächtig sind, aber Bedeutungsschwere suggerieren, so groß ist in diesem Fall die Freude über die leidenschaftliche Konsequenz dieses Films: Monster gegen Roboter. Punkt.

Sehnsucht nach Völkersolidarität

Trotz aller Lust am Schauwert transportiert "Pacific Rim" ein paar Botschaften: Die "Jaeger" sind komplexe Apparate, ihre Steuerung würde ein einzelnes Hirn überfordern. Im hohlen Kopf der Mega-Robots, dem Cockpit, finden sich also jeweils zwei, über eine mentale Verbindung miteinander synchronisierte Piloten wieder, die jede Bewegung, jeden Schwinger der metallenen Giganten vorturnen.

Besonders eines dieser Teams steht im Fokus. Es besteht aus einem kampferfahrenen, emotional angeschlagenen Amerikaner ("Sons Of Anarchy"-Star Charlie Hunnam) und einer jungen, noch unsicheren Asiatin (Japan-Berühmtheit Rinko Kikuchi). Del Toro braucht weder Kuss noch rührselige Romanze, um die Nähe der beiden darzustellen. Dass ihr geistiger Bund stark genug ist, um Mega-Echsen zu Klump zu hauen, reicht völlig. Gleichzeitig ist ihr "Jaeger", ein ramponiertes Altmodell, an dem pittoresk der Lack abblättert: der einzige Roboter, der es am Ende mit den Monstern aufnehmen kann, weil er, so viel sei verraten, mit analoger Technik funktioniert.

Del Toros Film drückt also einerseits einen romantisch-humanistischen Wunsch nach Völkersolidarität im Angesicht globaler Gefahren aus - es gibt auch einen von Russen und einen von Asiaten gesteuerten "Jaeger -, andererseits singt er mit seinem Vintage-Produktionsdesign und der Überinszenierung mechanischer Prozesse ein nostalgisches Loblied auf Handwerk und Haptik im Zeitalter von Digitalisierung und Virtualität; ein CGI-Film, der nach Schweiß und Schmieröl schmeckt.

Für comic relief sorgen ein paar typisch schrullige Buffon-Figuren, in denen sich Del Toros Handschrift doch noch offenbart: Ein Zweigespann aus den hysterisch-tollpatschigen Wissenschaftlern Geiszler und Gottlieb (Charlie Day und Burn Gorman) sowie "Hellboy" Ron Perlman als Monsterorganhändler und Unterweltmogul Hannibal Chau. All das ist kein cineastisches Zauberwerk, aber es enthält drei wichtige Elemente, die vielen in Überfrachtung erstarrten Blockbustern dieser Saison fehlt: Tempo, Witz und überraschende Wow-Effekte. So kann aus der einfachsten Prämisse vielleicht sogar ein Klassiker werden.

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