Kinofilm über die Knef Hilde Heimatlos
Das eine oder andere Kompliment verfolgte sie bis in ihr Grab, manche Diffamierung trieb sie zu neuen Höchstleistungen. "Ein deutsches Mädchen in Reinkultur", schwärmte Joseph Goebbels über sie, nachdem er am Ende des Krieges erste Filmaufnahmen gesehen hatte. "Gift für die Jugend" wurde sie Anfang der fünfziger Jahre auf Flugblättern nach der Premiere von "Die Sünderin" genannt, nur weil für wenige Sekunden ihr Busen auf der Leinwand zu sehen gewesen war.

Geheimnisvolle Rose: Hilde (Heike Makatsch) im Aufnahmestudio
Foto: Egoli Tossell Film / MMC IndependentEs gibt wahrscheinlich kaum einen anderen deutschen Star, der so konsequent als Projektionsfläche für die Sehnsüchte und Ängste seiner Zeit benutzt wurde - und der diese Zuschreibungen immer wieder virtuos unterwanderte, um sich neu zu erfinden. Hildegard Knef war ein Gesamtkunstwerk. Unmöglich zu sagen, wo die reale Hilde aufhörte und die Bühnenpersona Knef anfing. Denn wie soll das gehen bei einer Künstlerin, die ihre Autobiografie lediglich als Rohstoff ansah, aus der es ein überlebensgroßes Ich zu formen galt?
Das macht es nun schwer zu erforschen, auf welche Weise einerseits die kleine Hildegard zur großen Knef wurde und wie andererseits die wahre Hilde hinter diesem Bühnen-Ego aussah. Die Macher der Filmbiografie "Hilde" haben es trotzdem versucht und zeichnen die wichtigsten Lebensstationen der Künstlerin nach.
Als Klammer dient ein Auftritt von ihr im Jahr 1966, wo sie nach langer Zeit im Ausland als erste Unterhaltungskünstlerin überhaupt in der Berliner Philharmonie auftreten durfte. Wie im genreverwandten "Walk The Line" Johnny Cash vor seinem legendären Gefängnisauftritt sieht hier die Knef vor ihrem ruhmreichen deutschen Comeback ihr Leben vorbeifliegen.
Aber kann so ein Leben tatsächlich einfach an einem vorbeifliegen? Zumal Knef unter schwerem Lampenfieber litt und daher kurz vor ihren Auftritten ihre Gedanken mehr darauf richtete, wo sich die nächste Toilette befand, als darauf, was in ihrem Leben falsch oder richtig gelaufen sein mochte.
Großer Star, kleinlich porträtiert
Doch nicht dieser plumpe Biopic-Kniff ist das große Problem von "Hilde", es ist vielmehr der mutlose Umgang mit den Grunddaten. Ein Vierteljahrhundert Lebensgeschichte spult man in 130 Filmminuten ab - wer die Frau hinter den klimpernden schwarzen Wimpern und den massiven blonden, roten und brünetten Haar-Applikationen gewesen sein könnte, erschließt sich einem nicht.
Der Film beginnt 1943, als sich Hilde (Heike Makatsch) bei der Ufa in Babelsberg vorstellt und Else Bongers (Monica Bleibtreu) kennenlernt, die damalige Leiterin des Besetzungsbüros. Sie wird zur ihrer lebenslangen Beraterin - und rät ihr zunächst ab, eine Affäre mit Ewald von Demandowsky (Anian Zollner) zu beginnen, dem "Reichsfilmdramaturgen", der die junge Dame ganz groß herausbringen will.
Doch dann kommt das Ende des "Dritten Reichs" dazwischen, und Hilde muss sich erst als Soldat verkleidet durchschlagen, um schließlich im Trümmer-Berlin ausgerechnet mit dem Besatzungsoffizier Kurt Hirsch (Trystan Pütter) eine Affäre zu beginnen - einem weiteren Mann, der ihrer Karriere förderlich sein soll.
Und in diesem Stil geht es weiter: Auf jede Niederlage folgt ein umso größerer Triumph. Die Widersprüche in der Vita der Knef werden dabei weitgehend ausgeblendet. Was auch daran liegt, dass man sich über weite Strecken auf den autobiografischen Roman "Der geschenkte Gaul" bezieht, in dem die Künstlerin sehr eindrücklich die Zwänge und Grausamkeiten ihrer Zeit beschreibt, gleichzeitig aber eben auch flott die eigene Geschichte zum Vorteil verdichtet.
Das Spannende an der Knef aber ist ja eben, dass ihre schillernde Persona auf ganz unterschiedlichen Wesensarten zu fußen scheint: auf Konformismus und Kratzbürstigkeit, auf Gefallsucht und Skandalfreude, auf Lakonie und Operettentum. Hilde Heimatlos - eine Frau mit vielen Gesichtern.
Das Leben der Knef komplett nachzuerzählen ist müßig, man findet darin alles und nichts. Deshalb gibt es eigentlich nur zwei Möglichkeiten, ihrer habhaft zu werden. Zum einen könnte man ihr Leben als Spiegel ihrer Ära inszenieren, als großes Gesellschaftsgemälde. Parallel zum Kinofilm wurde auch ein großes dreiteiliges Doku-Drama geplant, das dann zurückgezogen wurde, weil man die Konkurrenz zu "Hilde" fürchtete. Gerne hätte man diesen Fernsehfilm gesehen, offenbarte sich doch gerade in der Reaktion auf die international gefeierte Großunterhalterin der Mief und die Bigotterie der deutschen Nachkriegszeit.
Zum anderen könnte man Knefs intensives Leben natürlich in einer verdichteten Momentaufnahme inszenieren. Eine solche starke Interpretation sucht man in "Hilde" leider vergeblich.
Tragisch, dass ausgerechnet eine Szene, für die sich Kai Wessel (Regie) und Maria von Heland (Buch) zu einer starken Aussage verleiten lassen, zur perfiden Anklage der Heldin montiert wird.
Da sieht man, wie Hildegard Knef 1946 den durch ihre Beziehung zum jüdisch-tschechischen Filmoffizier Hirsch begünstigten Erfolg in "Die Mörder sind unter uns" feiert, während ihr abgelegter faschistischer Liebhaber Demandowsky im Gegenschnitt von den Russen hingerichtet wird. Ging die Knef für ihre Karriere über Leichen?
Als Biopic-Ausdeutung ist "Hilde" - teures Dekor hin, internationales Flair her - also ein zeitraubendes bis zweifelhaftes Vergnügen. Doch so uneindeutig und unausgegoren der Film auch daherkommt, Hauptdarstellerin Makatsch gelingt durch ihren Verwandlungsmarathon zumindest optisch und akustisch eine größtmögliche Annäherung.
Und das nicht nur, weil sie die teppichfransengroßen Wimpern auf und niederzuschlagen versteht - sie imitiert zumindest am Ende auch den rauen und modernen Gesangsduktus perfekt. Wie Knef, die von Ella Fitzgerald mal als "größte Sängerin ohne Stimme" gefeiert wurde, nun zu ihrer von jeglicher Lieblichkeit befreiten Poesie gefunden hat, darauf hat auch dieser Film keine Antwort.
Zum Schluss regnet's natürlich rote Rosen. Das große Geheimnis namens Hilde aber bleibt ungelüftet.