
"Scream", die Vierte: Junge Opfer alter Schule
Kinohorror "Scream 4" Blutvergießen auf der Ü-40-Party
Twitter, Handyfilmchen, Videoblog: Kennt sie alles nicht, benutzt sie alles nicht. Kein Wunder, dass die Kids im Filmclub nicht besonders beeindruckt sind von Reporter-Ikone Gale Weathers. Die hat sich zum Treffen der Nerds selbst eingeladen, weil nach Jahren wieder ein Killer mit Schreimaske in der Kleinstadt Woodsboro sein Unwesen treibt. Weathers war es gewesen, die als Journalistin die erste Serie aufklärte. Beim Filmclub erhofft sie sich nun Infos über die jüngsten Morde. Doch stattdessen turnt der Club-Chef mit Headset-Kamera vor der Dame rum und tönt von seinem 24/7-Videoblog: Internet killed the crime reporter.
So sind die Jungen, kein Respekt vor dem Alter. Da muss man sich diesen Respekt eben verschaffen. Man wird das Gefühl nicht los, dass Altmeister Wes Craven, selbst inzwischen in den Siebzigern, vor allem deshalb einen vierten Teil des "Scream"-Serials angeleiert hat, um noch mal ein paar Sachen klar zu stellen: darüber, wer das Prinzip des seriellen Schlachtens in den Horror eingeführt hat, wer den Hintersinn ins Abstechen gebracht hat.
Es wird zur Zeit ja an Horrorstoffen so ziemlich alles recycelt. Kein noch so billiger slasher aus den hintersten Ecken der Videoregale, der nicht als Big-Budget-Produktion wieder aufersteht, am besten gleich in 3-D. Craven selbst fabrizierte lieber vor zwei Jahren gleich selbst das Remake zum Klassiker "Last House On The Left" aus dem Jahr 1972, der getrost als das Urwerk des modernen Schlachtkinos bezeichnet werden kann.
Zittern und zitieren
Lieferte er im "Last-House"-Aufguss noch stumpfes Gehacke, erzählt er in "Scream 4" - selbstverständlich nicht in 3-D! - nun eine Genealogie des Horrors. Am Ende kommt das Morden für seine Film-Figuren als cineastische Rallye daher: Wer von ihnen ein bisschen was übers Genre weiß, darf sich in der Hoffnung wiegen, länger am Leben zu bleiben als der Horrorverachter. Glücklich ist hier, wer das Original von "Last House On The Left" gesehen hat. Denn - das ist die Rache des Künstlers - die Ignoranten seines Schaffens werden von Craven als Erste zur Ader gelassen. Bitte schauen Sie sich zur Vorbereitung von "Scream 4" unbedingt auch noch einmal Michael Powells "Peeping Tom" von 1960 an, die Mutter aller Voyeurismus-Thriller. Zumindest die Figuren im Film könnten damit ihr Leben retten.
Mit der Postmoderne, die man ja so oft zur ersten, zweiten und dritten "Scream"-Produktion 1996, 1997 und 2000 bemühte, um das wuchtige Morden auf eine Meta-Ebene zu heben, hat all das manische Zitieren allerdings nichts mehr zu tun. Die exzessiven "Wer hat's gesehen"-Spielchen sind vielmehr die Selbstvergewisserungsmaßnahme des Horror-Seniors Craven, der mit seinem jüngsten Schlitzerreigen auch eine Selbstvergewisserungsmaßnahme für seine alten Fans in Szene gesetzt hat.
So gesehen lässt sich "Scream 4" trotz Highschool-Setting längst nicht mehr als Teen-Schocker verkaufen: Wie die Exponenten der Generation Facebook heute Horrorfilme konsumieren, wie sie übers Netz Inhalte abrufen und weiterleiten, wie sie über soziale Netzwerke Werbung betreiben und Mythen produzieren, das alles interessiert den ehrlichen alten Angstmacher Craven trotz etlicher iPhone- und Videoblog-Anspielungen nicht die Bohne. Dass der Film bei US-Start gehörig gefloppt ist, kann da nicht verwundern, Popcornkino wie "Scream" wird vor allem durchs halbwüchsige Publikum zum Box-Office-Erfolg.
Küchenmesser statt Hightech-Kommunikation
Schließlich suchen Craven und das ebenfalls schon in die Jahre gekommene, ehemalige Drehbuchwunderkind Kevin Williamson ("Faculty", "The Vampire Diaries") ihr erzählerisches Zentrum nicht bei den relativ zügig dezimierten Highschool-Schönheiten, sondern beim klassischen Dreiergespann, das sämtliche Feldzüge der bisherigen Maskenmörder überlebt hat: Neben der Provinz-Journalistin Gale Weathers (von Courtney Cox mit dem unkaputtbaren Sexappeal gespielt, den sie auch in "Cougar Town" an den Tag legt) geht es um deren noch ein bisschen schluffiger gewordenen Ehemann und örtlichen Polizeichef(Cox' Real-Ex David Arquette) sowie natürlich Sidney Prescott (Neve Campbell), die ihr Umfeld zum Morden zu inspirieren scheint und auf Besuch in der alten Heimat ihr neues Buch vorstellt.
"Scream 4" ist sozusagen ein Teenschocker für die Übervierzigjährigen. Kaputte Figuren um und über 40 sind die drei Hauptfiguren - gegen die gelackten Halbwüchsigen der Woodboro High besitzen sie jedoch eine sonderbar widerstandsfähige Strahlkraft.
So kommt "Scream 4" bei gedrosseltem Bodycount als ironisch verbrämter Oldschool-Horror daher - bei dem sich allerdings ein paar der nettesten Gesichter des Newschool-Horror als Vorspeise servieren und filetieren lassen: In einem aberwitzigen Intro, der auf den Serial-Wahn des Genres anspielt, dienen sich Kristen Bell ("Veronica Mars") oder Anna Paquin ("True Blood") ehrfürchtig als Slasher-Frischfleisch an.
Das ist dann schließlich doch eine schöne Respektsbekundung der Jungen für den Ü-40-Terror der Generation "Scream".