Kinokomödie "Bad Moms" Zur Hölle mit den Helikoptereltern!

In "Bad Moms" klinken sich drei Mütter aus dem Perfektionismus-Terror aus und lassen es krachen. Ein sehr lustiges Plädoyer dafür, sich mal wieder locker zu machen.
Kinokomödie "Bad Moms": Zur Hölle mit den Helikoptereltern!

Kinokomödie "Bad Moms": Zur Hölle mit den Helikoptereltern!

Foto: Tobis

"Who's bad?", fragte Michael Jackson 1987. Die Antwort der Popkultur lautet heute: so ziemlich jeder. Es gibt die Filme "Bad Neighbors" und "Bad Teacher", den Sammelband "Bad Feminist" von Roxane Gay und jetzt auch noch die Kinokomödie "Bad Moms" mit Mila Kunis und Kristen Bell.

"Bad" bedeutet in diesen Fällen aber nicht "schlecht" oder gar "böse", sondern einfach "nicht perfekt". Bei US-Autorin Roxane Gay reicht die Erkenntnis aus, dass sie Spaß an HipHop mit sexistischen Texten haben kann, um sich als "bad feminist" zu kasteien. Die Angst, einem Ideal nicht zu entsprechen, stellt sich so als eine sehr zeitgemäße und weit verbreitete dar - völlig unabhängig davon, ob es überhaupt jemanden gibt, der dieses Ideal jemals verbindlich formuliert hätte.

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"Bad Moms": Nicht von schlechten Müttern

Foto: Tobis

Auch "Bad Moms" läuft Sturm gegen ein Ideal, von dem man nicht weiß, ob es sich in seiner ständigen Ablehnung nicht erst richtig manifestiert: dem vermeintlichen Perfektionismus-Terror unter Müttern. Mila Kunis spielt Amy, eine zweifache Mutter, die eigentlich nur halbtags arbeitet, aber nicht nur im Job ständig 100 Prozent gibt: Jeden Tag bereitet sie ihren Kindern das Essen zu, fährt sie zur Schule und holt sie wieder ab, kutschiert sie zu ihren Freizeitaktivitäten und bastelt ihnen abends auch noch das Projekt aus dem Werkunterricht fertig.

Als sie ihren Ehemann bei der Affäre mit einer Online-Bekanntschaft ertappt und ihn rauswirft, macht es für den Familienalltag keinen Unterschied: Er hat ja eh nichts im Haushalt getan.

Ausrasten im Supermarkt

Richtig einschneidend ist dagegen die Begegnung mit einer anderen Mutter: Carla (Kathryn Hahn) gilt eigentlich als Schrecken des Schulhofs. Ihr Dekolleté ist freizügig und ihre Sprache derb, für ihren trotteligen Teenager-Sohn hält sie einen Tritt in den Hintern statt eines fertigen Lunchpakets parat. Doch als Amy nach einem besonders schlimmen Tag einen Drink braucht, ist es Carla, auf die sie zählen kann. Mit etlichen Schnäpsen im Bauch und Kiki (Kristen Bell), einer weiteren frustrierten Mutter im Schlepptau, ziehen sie in den nächsten Supermarkt und lassen es zwischen Vitamin-Wasser und Frühstücksflocken so richtig krachen.

Amy erlebt an diesem Abend sowohl Enthemmung als auch Geborgenheit. Und das hat Konsequenzen. Mit ihren neuen Freundinnen Kiki und Carla im Rücken wagt sie es, gegen die Frau aufzubegehren, die sie für den unerträglichen Perfektionsdruck verantwortlich macht: die Vorsitzende des Elternrats Gwendolyn (Christina Applegate), die bei Elternabenden schon mal die Ansage macht, dass man zum nächsten Kuchenbasar aus Rücksicht auf Allergien doch bitte nichts mit Soja, Nüssen, Sesam, Zucker, Weizen, Butter oder Eiern mitbringen solle.

Mütter gegen Mütter, Frauen gegen Frauen: In den Familienkonstellationen von "Bad Moms" spielen Männer keine Rolle. Dem Dauerstress, dem sich die Frauen ausgesetzt fühlen, entkommen sie in der Logik des Films am besten, wenn sie sich einfach mal wieder locker machen und es ab und zu mit dem schlechten Weißwein übertreiben. Die Väter in Sachen Erziehung und Haushalt in die Pflicht zu nehmen, vielleicht sogar mal etwas grundsätzlicher über Geschlechterbilder nachzudenken, scheint keine Option zu sein.

Echte, ungehemmte Lust

Das kann man unterkomplex und irgendwie sexistisch empfinden und womöglich auch in Zusammenhang damit bringen, dass "Bad Moms" von zwei Männern, die zudem noch die Autoren der "Hangover"-Filme sind, geschrieben und inszeniert wurde. Das hieße aber auch, "Bad Moms" fürchterlich ernst zu nehmen und sich des großen Spaßes zu verwehren, den der Film bereithält. Die Abwesenheit von gehaltvollen Männerfiguren hat nämlich zur Folge, dass das Darstellerinnenensemble richtig aufdrehen kann - allen voran: Kathryn Hahn.

Die 43-Jährige hat bislang vor allem mit ihrer Rolle als Rabbinerin in der Amazon-Erfolgsserie "Transparent" auf sich aufmerksam gemacht, zuletzt war sie im Piloten für Jill Soloways neues Serienprojekt "I Love Dick" zu sehen. Mit "Bad Moms" spielt sie sich nun umstandslos in die erste Riege von Hollywoods Komikerinnen und Komikern vor.

Als ständig auf Krawall gebürstete Carla macht sie sich mit einer Körperlichkeit in dem Film breit, die weit über physical comedy hinaus geht. Wenn sie lauthals über Männer und Sex herzieht, blitzt dahinter tatsächlich ungehemmte Lust, die ihrer Figur zu einer überraschenden Wahrhaftigkeit verhilft. In Hahns Szenen entwickelt "Bad Moms" genau die Transgressivität, die man sich vom ganzen Film gewünscht hätte.

Andererseits mutet es auch komisch an, von einem Film, der gegen Idealvorstellungen anrennt, selbst Perfektion zu erwarten. Am besten nimmt man das Plädoyer von "Bad Moms", sich locker zu machen, ganz grundsätzlich und genießt das, was an dem Film gut funktioniert. In Zeiten, in denen sich so viele irgendwie "bad", weil unperfekt fühlen, ist das nun wirklich nicht das Schlechteste, was man tun könnte.

Im Video: Der Trailer zu "Bad Moms"

"Frantz"

F/D 2016

Regie: François Ozon

Drehbuch: François Ozon, Philippe Piazzo

Darsteller: Pierre Niney, Paula Beer, Ernst Stötzner, Marie Gruber, Johann von Bülow

Produktion: Mandarin Films, X-Filme, FOZ et al.

Verleih: X-Verleih

Länge: 113 Minuten

Start: 29. September 2016

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