An dieser kleinen Komödie berauscht sich Amerika: "Hangover" ist der überraschende Kassenerfolg der US-Sommersaison und behauptet sich gegen die Blockbuster. Warum eigentlich? Todd Phillips' Filmklamauk über eine Las-Vegas-Tour von Junggesellen ist ernüchternd spießig.
Ein Grundgesetz für Vergnügungssüchtige in den USA lautet: Was in Las Vegas geschieht, bleibt in Las Vegas. Regisseur Todd Phillips ("Old School") hat für seine Sauf- und Raufkomödie das Prinzip noch einmal verschärft: Was genau ist in Las Vegas eigentlich passiert?
Ed Helms, Zach Galifianakis und Bradley Cooper in "Hangover": Der Wüstling in Dir
Foto: Frank Masi/ AP
Dies fragen sich die drei Männer Anfang Dreißig (Bradley Cooper, Ed Helms, Zach Galifianikis), die in der Wüstenstadt einen deftigen Junggesellenabend feiern, sich am nächsten Morgen aber an nichts mehr erinnern können. Wo kommt das Baby auf dem Sofa her? Warum ist ein Tiger im Badezimmer? Warum fehlt ausgerechnet dem Zahnarzt der Gruppe ein Zahn? Und wo ist der Bräutigam in spe abgeblieben?
"Hangover" (Kater) ist eine Detektivgeschichte - rekonstruiert werden muss eine Nacht, die mit "enthemmt" noch zurückhaltend beschrieben ist. Die Schnitzeljagd in eigener Sache fördert eine Entgleisung nach der andern zutage. Sex mit alten Damen im Fahrstuhl und die Eheschließung mit einer Stripperin standen ebenso auf dem Programm wie Glückspiel mit schwulen Gangstern.
Dass die Sublimierung ein lästiges Korsett sein kann, das den zivilisierten Menschen zu Triebverzicht und Kulturleistungen anhält, wurde nicht das erste Mal mit den Mitteln der Komödie bedauert. Comedy setzt ja generell auf die Auflösung von gesellschaftlichen Regeln und Normen.
Spannend an "Hangover" ist, welcher Schrecken davon ausgehen kann, sich selbst ins verkaterte Gesicht zu schauen und dort die groben Züge eines Wüstlings zu erkennen.
Man ist viel barbarischer als erwartet, lautet die Lektion, die die Helden dieses schrillen Films lernen müssen. Das Ich, jene von Konventionen überformte Instanz, ist tatsächlich nicht der Herr im Haus, vor allem, wenn man ihm die rationalen Fesseln löst - in Alkohol.
Der Blick auf den weißen Mittelschichtsmann ist dabei - trotz aller Zoten und Albernheiten - pessimistisch: ein Spießbürger, der sich den Eskapismus nur leistet, wenn er danach ins gemachte bürgerliche Nest zurückkehren kann. Eine wirkliche Revolte - den Ausbruch aus dem verwalteten Leben, der lieblosen Beziehung - brächten diese Typen selbst unter LSD nicht zuwege. Dafür sind sie nicht verzweifelt, nicht wütend, nicht arm genug.
Die echten Underdogs, die Marginalisierten tauchen auch in diesem Film auf, sie sind aber jene, auf deren Kosten sich die Junggesellentruppe ihre Späße macht. Die nette Nutte (Heather Graham), der schwule Gauner (Ken Jeong), der schwarze Schläger - alles Freaks, die in einer Parallelwelt leben, die man zum Preis von ein paar Promille betreten kann.
Wirklich gemein macht man sich mit dieser Welt jedoch nie, sie liegt unterhalb der Wahrnehmungsschwelle des Mittelschichtlers, der sich den Ausflug in Randgruppengebiete leistet wie einen Zoobesuch.
Insofern ist der Gedächtnisverlust der Helden ein letztlich verräterisches Motiv: Auf das Andere, Nonkonforme reagiert dieses Milieu am besten mit Gedächtnisverlust. Und mit einer Heirat. Die steht nämlich am Ende von "Hangover", dem überraschenden Kassenhit aus den USA, der sich seit Wochen gegen Blockbuster wie "Ice Age" oder "Transformers" behaupten kann.
Ganz klar: Das Paar muss gebildet, die Ordnung wieder hergestellt werden. Radikal? Eher ernüchternd spießig.