Kleinstes Kino der Welt Lichtspiel in der Besenkammer

Neun Plätze und kein Klo: Im sächsischen Radebeul soll das kleinste Kino der Welt eröffnet werden. Der Betreiber hat bereits einen Eintrag ins Guiness-Buch der Rekorde beantragt und kämpft mit den Auflagen der Behörden.

Radebeul - Der 1872 erbaute Bahnhof Radebeul-West hat schon bessere Zeiten erlebt. Das Dach ist undicht, an den Wänden bröckelt der Putz. An der Fassade kleben Staub, Dreck und alte Plakate. Doch nach dem Willen von Johannes Gerhardt soll der Ort ab dem kommenden Montag weltweit bekannt werden. Denn dann soll dort in der ehemaligen Taxi-Zentrale das kleinste Kino der Welt eröffnen.

Derzeit laufen die Vorbereitungen für auf Hochtouren. Der Vorführraum ist bereits fertig. Drei Sitzreihen mit jeweils drei Kinosesseln stehen in großzügigem Abstand zueinander vor der gut sechs Quadratmeter großen Leinwand. "Mit neun Sitzplätzen und einem Notsitz sind wird mit Abstand das kleinste kommerzielle Kino  der Welt", erklärt Gerhardt.

Nach Angaben der Redaktion des Guinness-Buchs der Rekorde hat das nach Plätzen bislang kleinste Kino der Welt - "The Screen Room" im britischen Nottingham - 21 Sitze. Das räumlich kleinste Kino, das in Betrieb ist, findet sich indes in Rom. Das 1934 erbaute "Cinema dei Piccoli" hat eine Fläche von 71,52 Quadratmetern und 63 Sitze. Gerhardt hat bereits einen Antrag gestellt, den neuen Rekord anzuerkennen. Der wird derzeit geprüft.

Doch trotz der geringen Zahl der Plätze soll im "Palastkino" die richtige Atmosphäre aufkommen. Dafür installierte Gerhardt einen hochwertigen Beamer und ein Sourround-System. Im Vorraum gibt es Süßigkeiten, Knabbergebäck und alkoholfreie Getränke. Nur auf Popcorn müssen die Besucher verzichten. "Zum Verkauf von frischem Popcorn braucht man eine Genehmigung und das gekaufte schmeckt nicht", erklärt der 28-Jährige. Auch eine Toilette gibt es in den zwei Räumen nicht. "Die Gäste bekommen von uns einen Schlüssel für die Toilettenräume im Bahnhof."

Im Programm will Gerhardt weniger aktuelle Filme als Kult- und Independentfilme zeigen. Die meisten davon nimmt er aus seinem Privatarchiv mit über 1000 DVDs, die er dann zur Aufführung anmeldet. Er will die Räume aber auch an Privatleute, Vereine, Kindergärten, Schulen oder Firmen vermieten. "Sie können sich hier Urlaubsvideos, ihre Lieblingsfilme oder auch Firmenpräsentationen anschauen", erklärt er.

Die Nachfrage ist offenbar groß. "Wir haben Anfragen von Kinofans aus ganz Europa und sogar aus Neuseeland", sagt Gerhardt. Es gebe bereits jetzt über 50 Privatmietungen des Kinos bis ins nächste Jahr hinein. Damit es aber keinen Frust bei Kinobesuchern vor Ort gibt, hält er für alle Vorstellungen einige Karten an der Abendkasse zurück.

Gerhardt will in dem Kino aber nicht nur Filme anbieten. Im Vorraum gibt es auch einen riesigen Bildschirm, an dem gegen Gebühr Playstation gespielt werden kann oder auch Karaokeabende veranstaltet werden können.

Die Umsetzung seiner Idee war für den Discjockey allerdings nicht einfach. Viele große Filmverleiher verweigerten ihm die Erlaubnis, ihre Filme auszustrahlen, weil Gerhardt sie in seinem Kino nur auf DVD und nicht in dem gängigen Kinoformat 35 Millimeter zeigt. "Sie befürchten zum einen Raubkopien und zum anderen Einnahmeverluste durch die billigere Digitalisierung der Vorführung", sagt Gerhardt. Deshalb müsse er mit besonders genauen Kontrollen von Behörden und Verbände rechnen.

Der gelernte Kaufmann hat mit dem Kino noch Großes vor. Sollte das Konzept aufgehen, will er die Platzzahl auf 20 erhöhen. "Zudem soll das Kino Ausgangspunkt sein, um den Bahnhof nach einer Restaurierung zum Kultur- und Eventzentrum zu machen", erklärt er. Seit 1994 gibt es in Radebeul kein Kino mehr.

Und Gerhardt will demnächst einen Verein "KinoMinimal" gründen, in dem sich kleine Programmkinos zusammenfinden und Erfahrungen austauschen sollen. Denn die Zukunft des Kinos, so ist er sich sicher, liegt in den kleinen "Lichtspielhäusern".

Alexander Gruber, ddp

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