Kurzfilm über Kinski Jung-Bürgerschreck spielt Alt-Bürgerschreck
Mitunter ist es eine Last, ein Star zu sein. Klaus Kinski, dessen unbändige Exaltiertheit ihn zum Skandalliebchen der Nation machte, klagte einst: "Ich wünschte, ich wäre nie Schauspieler geworden! Ich wünschte, ich hätte nie Erfolg gehabt! Lieber hätte ich meinen Körper auf der Straße verkauft, als meine Tränen und mein Lachen, meine Freude und meine Trauer." Robert Stadlober mault prosaischer: "Ich stehe mit meinem Image auf Kriegsfuß." Er möge es nicht, bremst Stadlober nahe liegende Vergleiche, auf das Bild des lebenshungrigen Rock'n'Rollers reduziert zu werden, "der aus irgendwelchen Clubs rausfliegt".
Dabei dürfte es nicht zuletzt das Bild des exzentrischen Rabauken gewesen sein, das dem 19-Jährigen ("Crazy") nun die prestigeträchtige Rolle des 1991 verstorbenen Filmberserkers einbrachte. Auch wenn Regisseur Carlos Dessbesell-Schüler, der bislang als Kameramann sein Geld verdiente, relativiert: "Robert passt natürlich für die Rolle, weil er den Extremismus Kinskis sehr wirkungsvoll verkörpert. Er ist sehr impulsiv, zugleich aber auch sehr weich. Ich sehe den Film als Hommage an Kinski, und ich möchte eher seine poetische statt seine exzessive Seite zeigen."
Freilich ist sein Kinski in dem 15-minütigen Kurzfilm "Klaustrophobie" nicht gleich Kinski: Der Film spielt im Hier und Jetzt, und Stadlober als der junge Klaus trägt Tattoo und Kajalstift um die Augen. Dennoch ist er natürlich auch sehr Kinski: Laut Drehbuch taumelt der Ausdruckswüterich zwischen Bauernscheune, Sonnenblumenfeld und Theaterbühne, er rezitiert verträumt Francois Villon und erschreckt tobend die Landbevölkerung, Polizei und das Publikum. Kinski-adäquater Schauplatz: das "Irgendwo".
"Kinski war sicherlich einer der Größten der letzten 50 Jahre", sagt Robert Stadlober, der gerade zarte neun Lenze zählte, als Kinski 1991 im kalifornischen Lagunitas einer Herzattacke erlag. "Er hat seine Gefühlsausbrüche ohne Rücksicht auf andere gelebt, und er hat versucht, zu 100 Prozent wahrhaftig zu sein. Das gefällt mir." Immerhin sieht er den Schauspieler, der sich bekanntlich lautstark brüstete, für die richtige Bezahlung jede Rolle zu spielen, auch kritisch: "Ich habe so gut wie alles gesehen, was es von Kinski gibt, und es ist ziemlich viel Scheiße dabei. Und seine Autobiografie ist bestimmt zu 60 Prozent erdichtet. Wenn auch sehr schön erdichtet..." Treffen wollen würde er Kinski nicht. "Vielleicht als Mensch in meinem Alter. Aber was sollte ich mich mit einem 50-jährigen, resignierten und desillusionierten Mann zusammensetzen?"
270.000 Mark kratzte Carlos Dessbesell-Schüler für elf Drehtage in Berlin und dem Oderbruchstädtchen Bad Freienwalde zusammen. Den Löwenanteil trägt actors-service.com, ein von den Produzenten Heinz Wustinger und Felix Hungerbühler gegründetes Unternehmen. Dass das Projekt mit dem zehnten Todestag und dem 75. Geburtstag Kinskis zusammenfällt, hält Dessbessell-Schüler für einen Glücksfall: "Sonst hätten wir wohl gar kein Geld für den Film bekommen." Robert Stadlober verfolgt derweil eigene Träume. Soeben hat er seine Berliner Wohnung gekündigt, um im September zu seiner Freundin nach Barcelona zu ziehen. Und im Anschluss an die Dreharbeiten zu "Klaustrophobie" wird Stadlober nicht auf der Bühne, sondern im Studio stehen, um die zweite Platte seiner Band Gary aufzunehmen. "Schauspielerei ist meine Leidenschaft, aber Musik ist das Beste im Leben." Vielleicht hätte Kinski singen sollen...