Zum Tode Lauren Bacalls Die Kühle aus der Bronx

Zum Tode Lauren Bacalls: Die Kühle aus der Bronx
Foto: ddp images"Mein Nachruf wird voll mit Bogart sein, da bin ich ganz sicher", sagte Lauren Bacall vor drei Jahren einem Reporter des Magazins "Vanity Fair", den sie in ihrem riesigen Apartment an der Upper West Side Manhattans mit Blick auf den Central Park empfangen hatte. Dort, im Dakota Building, das tragische Berühmtheit erlangte, als in seinem Eingangsbereich John Lennon erschossen wurde, lebte Bacall, seitdem sie die Wohnung 1961 für 48.000 Dollar gekauft hatte.
Das "nette jüdische Mädchen" aus der Bronx, als das sich Bacall nicht ohne Ironie selbst bezeichnete, blieb im Herzen immer New Yorkerin, eine Außenseiterin im Showbetrieb Hollywoods. Sie war ruppig, manchmal schmerzhaft ehrlich und schnippisch und gilt als Ikone weiblicher Coolness, Vorbild für Generationen selbstbewusster Schauspielerinnen, von Gena Rowlands über Nicole Kidman bis Scarlett Johansson. Es waren jedoch stets Männer, vor allem der Regisseur Howard Hawks und ihr Filmpartner und späterer Ehemann Humphrey Bogart, die Bacall den Weg ebneten, sie definierten und ihr zu Weltruhm verhalfen. Bis heute überschatten sie ihre Karriere.

Tod von Lauren Bacall: "Unglaubliches Leben"
Lauren Bacall wurde als Betty Joan Perske 1924 geboren. Sie war das einzige Kind jüdischer Immigranten. Ihr Vater verließ die Familie, als sie sechs Jahre alt war, ihre Mutter Natalie, deren Mädchennamen Bacal sie später wegen des besseren Klangs mit einem weiteren "l" versah und übernahm, wurde zur wichtigen Bezugsperson. Den Namen Lauren schrieb ihr Howard Hawks zu. Als glühender Fan des Filmstars Bette Davis wuchs in Bacall der Wunsch, Schauspielerin zu werden. Dass und wie es dazu kam, gehört zu den wundersamen Geschichten, die nur Hollywood zu bieten hat.
Die glühende Verehrung eines New Yorker Theaterkritikers führte dazu, dass Bacall, damals als Model jobbend, im März 1943 auf das Cover der Zeitschrift "Harper's Bazaar" kam. Das Bild der ernst blickenden jungen Frau mit den markanten Augenbrauen und den weit auseinanderstehenden Augen vor einer Blutspendestation des Roten Kreuzes geriet in die Hände von Nancy "Slim" Hawks, der Ehefrau des Hollywood-Regisseurs Howard Hawks.
Der erfolgreiche Filmemacher, damals bereits über Vierzig, der für Warner Brothers Hits wie "Leoparden küsst man nicht" und "Scarface" gedreht hatte, suchte nach einer jungen Schauspielerin, die er nach seiner Vision, manche sagen auch: nach dem Vorbild seiner Gattin, für die Leinwand formen konnte. Bei etablierteren Stars wie Rita Hayworth war er bereits abgeblitzt, sodass Nancys Vorschlag, sich das 19-jährige Mädchen aus New York anzusehen, auf offene Ohren stieß. "Ich sollte", erzählte Bacall einmal, "unter seiner Anleitung zum großen Star werden. Ich wäre sein Eigentum, und natürlich wollte er mich auch ins Bett kriegen. Horror! Nichts konnte ich mir weniger vorstellen als das."
Vom Lampenfieber zum "Look"
Dennoch war es Hawks, der ihr Leben für immer veränderte. Hinter den Kulissen der Traumfabrik wurde aus Betty Perske innerhalb weniger Monate Lauren Bacall. Um ihrer Stimme eine tiefere, verruchte Note zu geben, schickte Hawks sie wochenlang jeden Tag in die Hügel am Mulholland Drive, wo sie lauthals Gedichte in die Canyons brüllen musste - die erotische Heiserkeit blieb ihr Markenzeichen. Anderen Veränderungen widersetzte sie sich jedoch vehement: "Howard hatte mich wegen meiner dicken Brauen und krummer Zähne ausgewählt, also musste das alles so bleiben", sagte sie. Auch bestand sie darauf, ihre legendär bis über die Schulter gewellte Frisur selbst zu gestalten.
Hawks gab ihr schließlich die Rolle der Marie Browning in der Hemingway-Verfilmung "Haben und Nichthaben", die 1944 ins Kino kam. Dass Humphrey Bogart, damals gut 25 Jahre älter als Bacall, die Hauptrolle des Seemanns Harry "Steve" Morgan spielen sollte, stieß bei der Newcomerin auf wenig Begeisterung: "Ich dachte: Cary Grant - großartig! Humphrey Bogart - igitt!", schrieb sie in ihrer Biografie "By Myself".
Zudem litt die unerfahrene Aktrice am Set unter schlimmem Lampenfieber. "Die einzige Art, meinen bibbernden Kopf in den Griff zu bekommen, war, das Kinn ganz tief an die Brust zu ziehen und Bogart von unten herauf anzusehen", sagte Bacall einmal. Dieser aus der Not geborene Blick, vielleicht ihre größte Schauspielleistung, ging in Hollywoods Geschichtsbücher als "The Look" ein. Kombiniert mit einer heißen Flirtszene, in der Bacall Bogart mit halbgeöffneten Lippen erklärt, er müsse nur pfeifen, wenn er sie haben wolle ("Du weißt doch, wie man pfeift, oder, Steve?") machte sie dieser herbe Sexappeal über Nacht zum Star, der mit Mae West und Marlene Dietrich verglichen wurde.
Humphrey Bogart vefiel ihr bereits während der Dreharbeiten. Und sie, unwahrscheinlicherweise, ihm. Ein Jahr später, nachdem sich der alkoholkranke Superstar von seiner zweiten Ehefrau Mayo Methot getrennt hatte, wurde geheiratet. Bacall erhielt Zugang zu Hollywoods innersten Kreisen. Mit Hawks drehten die Frischvermählten die Chandler-Adaption "Der große Schlaf" (1946), unter der Regie John Hustons spielten sie zusammen in "Gangster in Key Largo" (1948).
Bacall galt jedoch als schwierig und zunehmend wählerisch bei der Rollenauswahl. Wenig hilfreich war es auch, dass sie in Hollywood immer weniger als eigenständige Person, sondern vielmehr als "Mrs. Bogart" wahrgenommen wurde. Anfang der Fünfzigerjahre kaufte sie sich, von Studioboss Jack Warner und Hawks entfremdet, aus ihrem Vertrag heraus und spielte für Fox in der Marilyn-Monroe-Komödie "Wie angelt man sich einen Millionär" mit.
Wertloser Oscar fürs Lebenswerk
Signifikante Rollen bekam sie danach nicht mehr. Das mag eine Folge ihres Engagements gegen die antikommunistischen Ermittlungen der McCarthy-Kommission gewesen sein, die Hollywood in den Fünfzigerjahren zu einem politischen Minenfeld machten. Nach Bogarts Tod an Kehlkopfkrebs im Jahre 1957, Bacall war gerade mal 32, hörte sie für fünf Jahre komplett auf zu arbeiten, um zu trauern und sich um ihre Kinder zu kümmern.
Später, zurück in New York, feierte Bacall Erfolge am Broadway, gewann Lob und Auszeichnungen für ihre Rollen in den Bühnenstücken wie "Die Kaktusblüte" oder "Woman of the Year". Auch im Kino war sie bis ins hohe Alter regelmäßig in Nebenrollen zu sehen, aber Höhepunkte gab es nur noch wenige. 1996 erhielt sie ihre erste und einzige Oscar-Nominierung für ihre Rolle als Mutter in "Liebe hat zwei Gesichter", die Trophäe als beste Nebendarstellerin gewann jedoch Juliette Binoche.
Einer kurzlebigen Verlobung mit Frank Sinatra folgte 1961 eine zweite Ehe mit dem Schauspieler Jason Robards Jr., wie Bogart ein schwerer Alkoholiker, die bis 1969 hielt. Spekulationen, sie habe sich ihre durchweg älteren Männer als Ersatz für ihren abwesenden Vater ausgesucht, dementierte sie heftig. Bogart allerdings, sagte sie "Vanity Fair", sei auf eine Art durchaus eine Vaterfigur gewesen. "Er zeigte mir den Weg, denn ich wusste nichts über Filme und Hollywood".
So basiert Bacalls Status als Kino-Ikone vor allem auf jener kurzen, drei Filme währenden Periode zwischen 1944 und 1948. Verbittert darüber war sie bis zum Schluss nicht, sie hatte ihre eigenen Ansichten über das Glücklichsein: "Ich glaube, niemand, der ein Hirn besitzt, kann wirklich glücklich sein", sagte sie einmal, man müsse "bewusstlos" sein, um glücklich zu sein. Sie selbst habe sich aber stets entschieden, mit offenen Augen durchs Leben zu gehen. "Es gibt viele Leute, die mich nicht mögen", sagte sie "Vanity Fair", "aber ich bin nicht auf die Erde gekommen, um gemocht zu werden. Ich habe meinen eigenen Sinn dafür, was wichtig ist, und was nicht."
Dazu gehörte sicher nicht der Oscar für ihr Lebenswerk, den sie 2009, als späte Geste Hollywoods an eine der letzten Überlebenden der Goldenen Ära, verliehen bekam. "Ich könnte ihn aus dem Fenster werfen, er steht für das Schlimmste, was ich je gemacht habe", sagte sie. Warum? "Weil ich in meiner Dankesrede nur über Bogie geredet habe."
Lauren Bacall verstarb am Dienstag im Alter von 89 Jahren in ihrer New Yorker Wohnung.