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Neuer Film in Venedig: Die Queen macht ein Adelsdrama

Foto: GIUSEPPE CACACE/ AFP

Madonna in Venedig Ein toller Flop in Blond

Die Pop-Queen hält Hof: Das Filmfestival von Venedig legte mit starken Werken von George Clooney und Roman Polanski einen Traumstart hin. Doch am Abend wandelte Madonna über den roten Teppich und stellte ihren Adelsschmonzes "W.E" vor. Grauenhaft. Und großartig.

Fans und Fotografen brüllen ihren Namen, wie man das von guten Untertanen erwartet. Es ist ein heißer, später Abend in Venedig, die Menschen kleben schwitzend am Zaun und aneinander, manche seit Stunden, nur um sie einmal vorbeilaufen zu sehen. Sie sieht gut aus mit ihrer roten Disco-Sonnenbrille, den blonden Veronica-Lake-Locken, dem grauen Kleid mit roten Schmetterlingen. Sie schenkt den Bewunderern ein Lächeln, den Kameras zwei oder drei. Keine Autogramme. So etwas machen Leute wie Kate Winslet oder Christoph Waltz - die beide zwei Stunden vorher über denselben roten Teppich gelaufen sind - aber keine Königin. Keine Madonna.

Macht sie dann aber doch.

Um die große Filmkunst soll es bei der jährlichen venezianischen Kinoparade eigentlich gehen, dem mondänsten aller Filmfestivals. George Clooney hat in diesem Jahr mit "The Ides of March" schon einen zu Recht gefeierten Eröffnungsfilm präsentiert. Roman Polanski hat mit "Carnage" nachgelegt, einer extrem witzigen Verfilmung von Yasmina Rezas Theaterstück "Der Gott des Gemetzels", phantastisch besetzt mit Winslet, Waltz, Jodie Foster und John C. Reilly. Aber am Donnerstag ging es auf dem Lido nur um den wohl immer noch größten Popstar der Welt. Wo sie wohnt (wohl im Hotel Bauer und im Excelsior), was sie anhat (siehe oben), ob ihr neuer 24-jähriger Freund dabei ist (nein). Sonst viel Gekreische. Immerhin hat sie auch einen Film mitgebracht. Nicht mal das hat man ihr hier übelgenommen.

Auf der offiziellen Premiere ihres außer Konkurrenz laufenden Werks "W.E." am Abend sowieso nicht, da waren alle eingeladenen Gäste glücklich, für eine Weile dieselbe Luft atmen zu dürfen. Die hätte man auch mit einer schwarzen Leinwand zufriedenstellen können. Aber nicht einmal nach der morgendlichen Vorpremiere für die Presse gab es Buhrufe, stattdessen durchaus ein bisschen Applaus.

Es waren allerdings auch viele Fans dabei. Als Madonna auf der Berlinale vor knapp dreieinhalb Jahren ihr Regiedebüt "Filth and Wisdom" vorstellte, einen auf Spielfilmlänge aufgeblasenen Kurzfilm mit gewissem amateurhaften Charme, schlugen sich die Journalisten fast, um sie live in der Pressekonferenz zu erleben. Am Donnerstag in Venedig gestern hätte man einigen noch Schlimmeres zugetraut. Es wurde geschubst und mit Sicherheit auch getreten, um sich irgendwie Zugang zum großen Kronleuchtersaal des Casinos zu verschaffen, wo Majestät Hof hielt. Als sie den Raum betrat, waren sich viele Kritiker nicht zu schade, aufzuspringen und ihre Fotohandys zu zücken. Ein unwürdiger Anblick. Dachte ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen wohl auch Madonna.

Eben noch Nazi-Sympathisantin, jetzt Opfer

Ach ja, der Film. Grauenhaft. Und großartig. Eigentlich sind es zwei Filme: zum einen die Geschichte von Wallis Simpson (Andrea Riseborough) - einer mehrfach verheirateten Amerikanerin, die in den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts eine Beziehung mit dem künftigen König von England anfing, weswegen der später die Krone zugunsten seines jüngeren stotternden Bruders aufgab. Kennt man als Handlungsnebenstrang aus Tom Hoopers Oscar-Sensation "The King's Speech" - nur dass Wallis Simpson dort eine niveaulose Intrigantin mit möglichen Nazi-Sympathien war und hier das missverstandene Opfer, das nur ein bisschen Liebe sucht.

Das glaubt man sogar, dank einer tollen Darstellerin und der erstaunlich liebevollen und zurückgenommenen Art, wie Madonna die Liebesgeschichte zwischen Wallis und Edward VIII. (James D'Arcy) zeichnet. Dazu spektakuläre, detailreiche Kostüme, eine prächtige Ausstattung und einige hübsche Einfälle - wie jenen, Wallis im Amphetamin-Rausch zu "Pretty Vacant" von den Sex Pistols tanzen zu lassen. Dass Sofia Coppola ähnliches schon vor fünf Jahren in "Marie Antoinette" gemacht hatte - geschenkt, hier passt es gut rein.

Aber das war's dann auch mit dem großartigen Teil. Grauenhaft dagegen die Geschichte der New Yorker Hausfrau Wally Winthrop (Abbie Cornish), die im New York des Jahres 1998 ihre Tage damit verbringt, sich verzweifelt Kinder von ihrem fürchterlich brutalen und verständnislosen Ehemann zu wünschen und sich in ihre Besessenheit für eben jene Wallis Simpson aus der anderen Handlung hineinzusteigern. Hier ist nichts liebevoll und zurückgenommen, dafür aber überdeutlich, von Pathos zerfressen und banal.

Gelegentlich auch etwas peinlich.

Besonders, wenn sich Wally wie Wallis zurechtmacht und die Lady aus vergangenen Zeiten gibt. Oder wenn sie sich unter ohrenbetäubendem Herzschlag-Soundtrack wieder mal die Schwangerschafts-Hormonspritze in den Schenkel rammt, als wäre es pures Heroin. Für Auflockerung sorgt nur der gutaussehende, heimlich intellektuelle russische Ausstellungswärter Evgeny (Oscar Isaac), der sich der traurigen Heldin annimmt (auch damit das wieder mit den Initialen hinhaut, von wegen Wallis/Edward, Wally/Evgeny, W.E.) und dem Madonna als Einzigem in dieser Handlungsebene einen Sinn für Humor gegönnt hat.

Manchmal treffen sich Wallis und Wally auch - in traumähnlichen Sequenzen, die zu den unangenehmsten des Films gehören, dankenswerterweise aber nie lange dauern. Macht nicht viel. Ein schöner und ein schlimmer Film in einem, das ergibt insgesamt einen mittleren. Für jemanden mit Madonnas Kinovergangenheit ist das als Erfolg zu werten.

Roman Polanski war übrigens gestern nicht persönlich da, um "Carnage" in Venedig vorzustellen, angeblich hatte er Angst vor Auslieferung, weil ihn die Italiener in die USA abschieben könnten, wo seit Ewigkeiten ein Prozess wegen Vergewaltigung einer Minderjährigen auf ihn wartet. Wäre ihm in der Schweiz schließlich beinahe schon mal passiert. Es hätte ihn am Donnerstag allerdings ohnehin niemand wirklich beachtet.

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