Liebesfilm "Margos Spuren" Supermodel, Superrolle
Woran man erkennt, dass man in einer Geschichte von John Green gelandet ist? Da wäre wohl erstens die Tatsache, dass jede der Figuren ein sehr nerdiges Spezialinteresse hat: Die letzten Worte berühmter Persönlichkeiten (Miles Halter aus "Eine wie Alaska"); den Roman "Ein herrschaftliches Leiden" (Hazel Grace aus "Das Schicksal ist ein mieser Verräter"); Walt Whitman (Margo Roth Spiegelman aus "Margos Spuren") oder, nun ja, Margo Roth Spiegelman (Quentin Jacobsen aus "Margos Spuren").
Und zweitens erkennt man es daran, dass einem diese Geschichten auf niemals-nie-zynische, niemals-nie-ironische Weise etwas erzählen über die großen Themen des Lebens, also vor allem über die Liebe. Die Geschichte "Margos Spuren" - Greens dritter Roman und der zweite, der verfilmt wurde - erzählt beispielsweise davon, warum jede Liebesgeschichte - auch die glücklichen - eine Enttäuschung sind.

"Margos Spuren": Eine Liebe wie eine Schnitzeljagd
Denn Quentin (Nat Wolff, Isaac aus "Das Schicksal ist ein mieser Verräter") wächst in dem durchaus verständlichen Glauben auf, neben dem perfektesten Wesen der Welt zu wohnen. Was für ein Wunder! Von allen Häusern in allen Vororten in der Nähe von allen Städten aller Länder ist die Familie Spiegelman ausgerechnet in dieses eine Haus gezogen, direkt gegenüber von ihm. Mitsamt ihrer Tochter, Margo Roth Spiegelman.
Doch so wundersam das Schicksal sie zusammen geführt hat, so unbarmherzig trennt es sie auch wieder. Denn während Margo mit den Jahren immer wilder und unberechenbarer und schöner wird, wächst Quentin zu der Sorte Junge heran, die kein eigenes Auto haben und darum von der Mutter zur Schule gefahren werden und deren Freunde entweder noch nie eine Freundin hatten (damit ist sein einer Freund Ben gemeint), oder eine haben, diese aber nie mit nach Hause bringen können, weil ihre Eltern die weltweit größte Sammlung schwarzer Weihnachtsmänner horten (damit ist sein anderer Freund Radar gemeint).
Sollte man die Beziehung zwischen Quentin und Margo in Worte fassen, so müsste man vermutlich sagen: Quentin ist unsterblich verliebt in Margo. Und Margo ist Quentin wohlgesonnen. Sie führen eine Nicht-Beziehung. Zumindest bis zu der einen Nacht, in der Margo an Quentins Fenster klopft. Sie will sich an ihrem untreuen Ex rächen und braucht dafür neben Fluchtwagen, Sprühfarbe und frischen Fischen auch einen Fluchtwagenfahrer, für den sich niemand besser eignet als ihr treuester Verehrer.
Vom Ideal zum Individuum
Nach dieser Nacht kommt Margo nicht nur nicht mehr zur Schule, sondern auch nicht mehr nach Hause. Sie ist weg. Und hat nichts hinterlassen außer ratlosen Freunden, etwas zu desinteressierten Eltern und einigen Hinweisen - von denen Quentin bald glaubt, dass deren Bestimmung ist, ihn zu Margos Versteck zu führen.
Quentin folgt Spur um Spur als sei die Liebe eine Schnitzeljagd. Nur dass es am Ende gar nicht mehr darum geht, ob er nun seinen Schatz findet oder nicht. Sondern viel mehr darum, was Quentin auf dem Weg selbst erlebt. Es gab eine Zeit, da glaubte er, dass jeder Mensch im Laufe seines Lebens ein Wunder erlebt, und dass sein Wunder sei, Margo Roth Spiegelman zu kennen.
Eigentlich aber ist das Wunder dieser Geschichte, dass Quentin plötzlich auf Parties geht und mit seinen Freunden quer durch das ganze Land fährt und auf dem Schulball tanzt und dass Margo Roth Spiegelman nicht das perfekte Wunder ist, für das er sie gehalten hat, sondern zugleich weniger und mehr. Ein Mensch nämlich, so facettenreich und lebendig und nicht-ideal wie Menschen nun einmal sind.
Für die Rolle der Margo Roth Spiegelman hätte es darum gar keine perfektere Schauspielerin geben können als Cara Delevingne, das Model, die Freundin der Sängerin St. Vincent, der Instagram-Ikone, von der jeder schon ein Bild hat. Und wenn es nur das ist, dass man in den ersten Minuten des Films nicht begreifen kann, wie jemand so hübsch aussehen kann. Andere Models mögen Windmaschinen-Frisuren haben, Cara Delevingne sieht aus, als seien ihre Haare dafür gemacht, nachts im Fahrtwind zu flattern.
Dann setzt der Gewöhnungseffekt ein und Cara Delevingne wird zu einer Schauspielerin unter den anderen, was den Zuschauer auf kluge Weise nachempfinden lässt, wie sich Quentins Wahrnehmung von Margo verändert. Wie sie von einem Ideal zum Individuum wird.
Woran erkennt man am deutlichsten, dass man in einer Geschichte von John Green gelandet ist? Es gibt nur vielschichtige Figuren, auch wenn man manchmal etwas Zeit braucht, um zu begreifen, dass sie das sind.
Sehen Sie hier den Trailer zu "Margos Spuren"
Originaltitel: Paper Towns
USA 2015
Regie: Jake Schreier
Drehbuch: Scott Neustadter und Michael H. Weber nach dem Roman von John Green
Darsteller: Nat Wolff, Cara Delevingne, Austin Abrams, Justice Smith, Halston Sage
Verleih: Fox Deutschland
Länge: 109 Minuten
FSK: Ab 6 Jahren
Start: 30. Juli 2015
"Margos Spuren": Offizielle Site zum Film