Legendärer Flop "Heaven's Gate" Regisseur Michael Cimino ist tot

Michael Cimino (1939-2016)
Foto: imago/ Granata ImagesWenn es einem Regisseur gelingt, einen viele Jahre andauernden Krieg in einer unvergesslichen Szene auf den Punkt zu bringen, dann ist das große Filmkunst. Eine solche Szene gelang dem Regisseur Michael Cimino in "Die durch die Hölle gehen", seinem zweiten Spielfilm, der 1978 in die Kinos kam.
Robert De Niro, Christopher Walken und John Savage spielen darin befreundete US-Soldaten, die im Vietnamkrieg in Gefangenschaft des Vietkong geraten. Unter dem Gelächter ihrer Wächter werden sie gezwungen, russisches Roulette zu spielen. In den Gesichtern der Männer zeigen sich die Abgründe des Krieges, der Zusammenhalt und der Korpsgeist eines Männerbunds.
Der Film, der im Original "The Deer Hunter" hieß, machte Michael Cimino neben Scorsese und Coppola "zu einem der wichtigsten Regisseure des jungen Hollywood", wie Wolfgang Limmer seinerzeit im SPIEGEL schrieb: "Michael Cimino verfügt über eine faszinierende Mischung aus Intellekt und filmischem Instinkt."
Oscar-Triumph und Berlinale-Protest
Michael Cimino war damals noch keine 40 Jahre alt; er wurde 1939 in eine wohlhabende, italienischstämmige Familie hineingeboren, studierte in Yale Architektur und ging Anfang der Siebziger nach Hollywood. Dort half ihm Clint Eastwood, der Cimino als Regieassistent in einem "Dirty Harry"-Film erlebt hatte, zum Durchbruch: Eastwood spielte neben Jeff Bridges in Ciminos Regiedebüt "Thunderbolt and Lightfoot" - auf Deutsch "Die Letzten beißen die Hunde".
Für seinen zweiten Film belohnte das Hollywood-Establishment Cimino mit neun Oscar-Nominierungen (unter anderem in Schauspielerkategorien für Meryl Streep und De Niro). Fünf Oscars gewann "Deer Hunter", den für den besten Film, die beste Regie, den besten Schnitt, den besten Klang und die beste Nebenrolle (für Walken).
Nicht überall wurde "Die durch die Hölle gehen" allerdings bejubelt: Die Sowjetunion protestierte gegen die "rassistische und neokolonialistische" Darstellung der Vietnamesen; als Konsequenz zogen sich die osteuropäischen Staaten, darunter die DDR, von der Berlinale 1979 zurück, wo Ciminos Film auf dem Programm stand.
Der Prügelknabe der Branche
Weil "The Deer Hunter" aber auch ein Kassenerfolg war, bekam Michael Cimino für sein nächstes Projekt freie Hand vom United-Artists-Studio. Ursprünglich mit einem Budget von 11,5 Millionen Dollar geplant, verschlang der sozialkritische Western "Heaven's Gate" alles in allem rund 45 Millionen Dollar. Unter anderem ließ Cimino eine riesige Eiche verpflanzen, die dann am Drehort der Legende nach alle Blätter verlor.
Der fertige Film, der den Konflikt der Großgrundbesitzer im Staat Wyoming mit dem Heer der hungernden Immigranten im Amerika des ausgehenden 19. Jahrhunderts schildert, war in der Originalversion drei Stunden und 39 Minuten lang. Der "New York Times"-Kritiker Vincent Canby nannte ihn "eine uneingeschränkte Katastrophe" und äußerte den Verdacht, Cimino habe seine Seele für den Erfolg von "Deer Hunter" verkauft - und nun treibe der Teufel seine Schulden ein.
Auch an den Kinokassen floppte der Mammutfilm mit Kris Kristofferson und Isabelle Huppert spektakulär - so spektakulär, dass schließlich United Artists daran zugrunde ging und sich von MGM aufkaufen lassen musste.

Hauptdarsteller Kristofferson sagte viele Jahre später, Cimino sei durch "Heaven's Gate" plötzlich zum Geächteten Hollywoods geworden, zum Prügelknaben für die ganze Branche. "Jeder, der seinen Film nicht durch bekam, schob es auf 'Heaven's Gate'", sagte Kristofferson 2004 der "Los Angeles Times", "da sei das ganze Geld hingegangen".
Über die Jahre ist allerdings die Ehrenrettung für "Heaven's Gate" erfolgt. 2012 erntete Cimino bei einer Wiederaufführung beim Filmfest in Venedig lauten Applaus. Diese Rechtfertigung habe er eigentlich nie gebraucht, sagte der Regisseur im Februar 2015 in einem seiner seltenen Interviews dem US-Branchenblatt "Hollywood Reporter": "Ich wusste immer, was ich geschaffen hatte."
Im August 2015 wurde Cimino beim Internationalen Filmfestival in Locarno mit einen Ehren-Leoparden für sein Lebenswerk geehrt, zu dem er allerdings nach einer mehrjährigen Pause nach "Heaven's Gate" nur noch vier Spielfilme hinzufügen konnte. Darunter sind der China-Mafia-Thriller "Im Jahr des Drachen" mit Mickey Rourke (1985) und die Mario-Puzo-Verfilmung "Der Sizilianer" mit Christopher Lambert.
Wie sein langjähriger Anwalt mitteilte, wurde Cimino am Samstag leblos in seinem Haus in Beverly Hills gefunden. Zur Todesursache konnte Eric Weissmann keine Angaben machen. Zuvor hatte auch der künstlerische Leiter des Filmfestivals in Cannes, Thierry Frémaux, den Tod des Regisseurs in einem Tweet verkündet. Michael Cimino wurde 77 Jahre alt.