

Es ist nur ein Zweig. Harmloser Tannenreisig, der im Skisport immer so schön ordentlich im Schnee steckt, als Markierung für Sportler und Schiedsrichter. Aber der, über den die Skifahrerin Molly Bloom in ihrer Olympia-Qualifikationsrunde rast, ist gefroren, er reißt ihr die Bindung auf - und boom! Wirbelsäulen-OP, Karriere-Aus.
"Das Schlimmste im Sport", heißt es zu Beginn, "ist der vierte Platz bei Olympia." Dem Film selbst passiert noch etwas Schlimmeres, denn er verpasst einen Medaillenrang viel weiträumiger. Denn die Filmbiografie, das Biopic, über die echte Ex-Skifahrerin Molly Bloom, die nach ihrem Unfall einen sagenumwobenen Luxus-Pokerzirkel in Hollywood aufbaut, bis sie Ärger mit der Russenmafia bekommt und wegen illegalen Glücksspiels verklagt wird, bleibt flach. Der Regisseur, Drehbuchking Aaron Sorkin, und seine Hauptdarstellerin Jessica Chastain haben diesmal keinen guten Lauf.
Denn Aaron Sorkin, der zuletzt nur Biopics geschrieben hat - über Steve Jobs und Mark Zuckerberg - kann sich nicht entscheiden. Zum einen, weil er mit Poker und Sport gleich zwei Welten kombiniert, die er willkürlich als Metaphernpool fürs Leben ausweidet. Bluff und Strategie hier, Disziplin und Teamgeist dort. Sich nicht in die Karten schauen lassen, vereiste Abhänge runterjagen.
Zum anderen zerfasert ihm das Thema. Auf der Oberfläche scheint's eine Initiationsstory zu sein: über eine, die erst in ihrem Sport fast ganz oben war, sich dann nur das Sofa von Freunden in L.A. leisten kann, aber schließlich dank ihres fixen Hirns für ihren Boss unersetzlich wird. Bloom hält den Laden zusammen bei den geheimen Pokerspielen, bei denen Hedgefondstypen, Hollywoodschauspieler, Politiker, Anwälte, Galeristen ihre Kohle verzocken. Genauer: Männer mit zu viel Geld.
Die Geschichte der "Poker-Prinzessin" Molly Bloom, die wirklich wie die Joyce-Figur heißt, wurde mit den Memoiren 2014 öffentlich. Und damit auch das geheime Hobby von Ben Affleck, Leonardo DiCaprio und Tobey Maguire (im Film dargestellt von Michael Cera, dessen Spiel so anämisch bleibt wie sein Teint). Letzterer hat im Buch die Rolle des Kotzbrockens: Er habe ihr Geld geboten, damit sie zur Belustigung aller wie ein Seehund bellt. Macht verdirbt eben, so der Tenor.
Linker Haken für den Chef
Damit ähnelt Chastains Rolle der schmallippigen Hardcore-Lobbyistin, die sie zuletzt in "Die Erfindung der Wahrheit" spielte. Doch für eine Geschichte über Selbstermächtigung steckt in den zähen knapp zweieinhalb Stunden schlicht zu viel Poker. Inklusive Full-House-Diskussionen und dauernd eingeblendeter Karten, die die Spieler auf der Hand haben. Das hatten selbst Filme mit großen Poker-Szenen wie "Maverick" oder "Ocean's 11" nicht nötig.
"Molly's Game"
USA, China 2018
Regie: Aaron Sorkin
Drehbuch: Aaron Sorkin, basierend auf den Memoiren von Molly Bloom
Darsteller: Jessica Chastain, Idris Elba, Kevin Costner, Michael Cera, Jeremy Strong, Chris O'Dowd, Bill Camp
Produktion: The Mark Gordon Company, Sony Pictures
Verleih: SquareOne Entertainment
FSK: ab 12 Jahren
Länge: 140 Minuten
Start: 8. März 2018
Bloom will anerkannt werden und gründet eine eigene Geheimrunde. Sie spielt damit, abhängig von den Launen geldmächtiger Typen zu sein, und bestimmt kurzerhand die Regeln selbst: All das wird nicht gezeigt, sondern behauptet, meist in Blooms Dauerkommentar aus dem Off.
Der scheint eine Notlösung zu sein. Denn Aaron Sorkins zu Recht vielgerühmte Dialogkunst kommt hier nicht zum Glänzen. Sonst fliegen einem dank seiner knallvollen Bücher Worte, Sätze, Gedanken um die Ohren - man denke an "The Social Network"oder das gesamte "West Wing"-Universum mit den legendären "Walk and Talk"-Szenen. Doch das Material, das Sorkin Idris Elbaals Blooms Anwalt und Jessica Chastain gibt, wird dem Potenzial dieser Figuren nicht gerecht. Mag sein, dass Sorkin einfach nicht wusste, wie er seine eigensinnigen Dialoge inszenieren soll: Es ist seine erste Regiearbeit.
Auftritt: Psycho-Papa
Was die längste Zeit eher nervt, macht zum Schluss richtig sauer. Da sitzt nämlich Molly Bloom auf einer Bank im Central Park. Und neben ihr plötzlich ihr Vater (Kevin Costner), den sie zuletzt vor zwölf Jahren gesehen hat.
Einer dieser ekelhaften Kinderdrill-Typen. Obendrein hochdekorierter Psychoanalytiker. Und sie fragt, weil klar, das ist die eine Lebensfrage, die diese knallharte Geschäftsfrau all die Jahre um den Schlaf gebracht hat: "Warum mochtest du mich nicht so sehr wie meine Brüder?" Als sei das nicht schon Filmhölle genug, hebt Psycho-Papa an und erklärt ihr, was sie die vergangenen Jahre falsch gemacht hat, es sei doch nur ein Ast gewesen. Äh, ja.
"Molly's Game" soll die Story einer souveränen Frau sein - und ist dann doch nur ein Daddy-hat-mich-nicht-lieb-Remix? Das macht aus "rückwärtsgewandt" glatt ein eigenes Filmgenre. Sorkin möchte man dafür nur noch schütteln.
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Eigentlich hatte sie Kurs auf Olympia genommen: Molly Bloom (Jessica Chastain, rechts) war Profi-Skifahrerin, bis ein Unfall auf der Piste das Karriere-Aus mit 26 bedeutete.
Als Assistentin von Douglas Downey (Chris O'Dowd) findet sie den Einstieg in ein völlig anderes Geschäft,...
...nämlich illegale Pokerrunden mit Hedgefonds-Verwaltern, Hollywoodstars, Politikern, Anwälten und Galeristen - also Männern mit sehr viel Geld.
Zu ihnen gehört auch ein Schauspieler (Michael Cera), der in diesen Runden lieber anonym bleiben will. Im wahren Leben waren unter anderem Leonarco DiCaprio, Tobey Maguire und Ben Affleck Gäste an Molly Blooms Poker-Tisch.
Von Tobey Maguire gibt es aus Blooms Memoiren die Anekdote, dass er ihr Geld bot, damit sie wie ein Seehund bellt.
Doch es sind nicht die Connections zu Hollywoods Elite, die Bloom zum Verhängnis werden: Die Russenmafia fängt an, bei ihren Runden mitzumischen.
Und plötzlich ist Bloom im Visier des FBI und muss sich wegen illegalen Glückspiels verantworten.
Kann ihr Anwalt Charlie Jaffey (Idris Elba) sie vor einer Verurteilung bewahren?
Nicht zuletzt Blooms Vater Larry (Kevin Costner) ist verblüfft, welche Karriere seine Tochter hingelegt hat.
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