"Moonlight Mile" Lachend beim Leichenschmaus
Eine Trauergesellschaft beim Leichenschmaus. Gutgemeinte Worte für die Hinterbliebenen, den Vater und die Mutter der Toten, ihren Verlobten und selbst für den Hund der Familie. Der quittiert die salbungsvollen Worte auf seine Art und pinkelt dem Kondolierenden kurzerhand über die Schuhe.
Ein netter Gag und ein passendes Bild für die Stillage von Brad Silberlings humorigem Drama um Verlust, Trauer und Liebe: Streckenweise despektierlich werden hier die Konventionen des Hollywood-Gefühlskinos unterlaufen die erzählerischen Standards, die ein solches Thema oft zum Kitsch verkommen lassen.
Und dabei ist "Moonlight Mile" alles andere als unabhängiges Autorenkino: Groß besetzt und edel photographiert ist der Film eines der seltenen Beispiele, wie die Maschinerie der Traumfabrik zugleich routiniert und inspiriert sein kann. Ein Film für die Cineplex-Paläste und Videotheken, mit großem Star-Appeal und gleichzeitig viel Gespür für die Nuancen und Ansprüche eines so schwierigen Sujets.
Drei Menschen, verbunden durch einen gemeinsamen Verlust: Bens (Dustin Hoffman) und JoJos (Susan Sarandon) Tochter wurde kurz vor ihrer Hochzeit ermordet; ihr Verlobter Joe (Jake Gyllenhaal) beschließt vorerst bei seinen Beinahe-Schwiegereltern zu bleiben. Drei Charaktere, die ihrem Kummer Ausdruck geben mal sarkastisch-wütend wie die intellektuelle JoJo, mal mürrisch-verschlossen wie der eigenbrötlerische Ben. Oder mit der staunenden Ratlosigkeit, die Joe wie einen Traumwandler im Geschehen wirken lässt.
Joe hat ein Geheimnis, und es zu enthüllen hieße, Ben und JoJo noch mehr Schmerzen zuzufügen. Wie also umgehen mit dem doppelten Dilemma dem Verlust der Geliebten und dem der Unbefangenheit gegenüber den nächsten Menschen? Joe verliebt sich in Bertie (Ellen Pompeo), eine Barkellnerin. Sie rundet das Ensemble der Enttäuschten und Verletzten ab: Bertie trauert um ihren Freund, der in Vietnam vermisst wird ("Moonlight Mile" spielt in den frühen 70er Jahren).
Ein komplexes Geflecht von Sorgen, Ängsten und Erwartungen spannt sich aus zwischen den Figuren, und Silberling dirigiert seine Helden souverän durch die diversen Gefühlslagen. Ben sucht in Joe den Sohn, den er nie hatte, und JoJo glaubt, in dem jungen Mann einen Seelenverwandten zu erkennen. "Ist es nicht lustig, dass wir ähnlich heißen", sagt sie einmal, und in der Bemerkung schwingt schon die Erkenntnis mit, dass Harmonie mehr ist als der Gleichklang zweier Namen. Joe bewegt sich durch die Geschichte, als wäre es nicht wirklich seine eigene, gleichsam überrollt von der Dynamik einer Entwicklung, die ihn zum Lügner und Retter gleichermaßen werden lässt.
Susan Sarandon, Dustin Hoffman und Jake Gyllendaal balancieren das hoch emotionale Thema mit feinsinnigem Humor und beeindruckender Intensität immer wieder aus. Aus dem Drama, das einen schweren Verlust mit einer Romanze verbindet, hätte leicht die Dutzendware des tränenrührigen Therapiefilms werden können. Wo ein Abschied ist, ist auch ein neuer Anfang, heißt das Rezept solch konfektionierten Standardkinos, schließlich wartet immer ein neues Liebesglück auf die Leidgeprüften. "Moonlight Mile" muss diese Formel am Ende teilweise erfüllen, doch das Sperrige, Unerhörte, das die Figuren zur Anschauung bringen, ihr ganz persönliches Gekränkt- und Gezeichnetsein ist da schon nicht mehr zu tilgen.
"Moonlight Mile". Regie und Buch: Brad Silberling. Darsteller: Jake Gyllenhaal, Dustin Hoffman, Susan Sarandon, Holly Hunter, Ellen Pompeo, Dabney Coleman. 112 Minuten. Produktion: Touchstone Pictures, Hyde Park Entertainment; Start: 3. April 2003.