Nach elf Jahren Deutscher Film im Cannes-Wettbewerb
Paris - Erstmals seit Wim Wenders' "In weiter Ferne, so nah" (1993) beteiligt sich beim Festival von Cannes wieder ein deutscher Film am Wettbewerb um die Goldene Palme. "Die fetten Jahre sind vorbei" des in Berlin lebenden Österreichers Hans Weingartner mit Jungstar Daniel Brühl in der Hauptrolle wurde für die 57. Festspiele vom 12. bis 23. Mai ausgewählt. Das sei "die große Rückkehr Deutschlands", sagte der künstlerische Leiter des Cannes-Festivals, Thierry Fremaux, am Mittwoch in Paris.
Die Jury unter dem Vorsitz von US-Regisseur Quentin Tarantino ("Pulp Fiction") muss zwischen 18 Filmen im Hauptwettbewerb entscheiden, darunter Arbeiten der früheren Cannes-Sieger Joel und Ethan Coen ("The Ladykillers" mit Tom Hanks), "La vie est un miracle" (Das Leben ist ein Wunder) des gebürtigen Bosniers Emir Kusturica, Michael Moores "Fahrenheit 9/11", Wong Kar-Wais "2046" und "The Motorcycle Diaries" des Brasilianers Walter Salles über Che Guevara. Mit "Tropical Malady" von Apichatpong Weerasethakul ist erstmals Thailand im Wettbewerb vertreten.
Gastgeber Frankreich ist mit drei Produktionen an der Croisette vertreten, daunter "Comme une image" von Agnes Jaoui.
Der 33-jährige Weingartner arbeitete mit Daniel Brühl ("Good bye Lenin") bereits beim Erstlingswerk des Regisseurs, "Das weiße Rauschen", zusammen. Der Film über einen schizophrenen Jugendlichen gewann 2001 den Max-Ophüls-Preis. In "Die fetten Jahre sind vorbei" erzählt der ehemalige Kanuführer und Skilehrer die Geschichte dreier idealistischer Jugendlicher, die rebellieren wollen, da sie in der nahezu tabulosen Gesellschaft kaum noch Reibungsflächen finden. Sie lassen Reichen die Botschaft vom Ende der fetten Jahre zukommen und bringen sich mit waghalsigen Aktionen in Gefahr.
Der in Post-Produktion befindliche Film wurde von Weingartners Berliner Produktionsfirma y3 und der Wiener Coop99 produziert, Drehorte waren Berlin und die Tiroler Alpen. Der Film ist zwar eine deutsch-österreichische Koproduktion, da der deutsche Anteil aber größer sei, laufe er als deutscher Beitrag, erklärte ein Sprecher der Produktion. Weingartner ist Absolvent der Kunsthochschule für Medien in Köln. Als Vorbild bezeichnete er in einem Interview des Jasper-Filmstarlexikons den verstorbenen US-Regisseur John Cassavetes ("Gloria") wegen seines wirklichkeitsnahen Stils.
Weingartner reagierte auf die Einladung an die Croisette mit Stolz und Freude: "Ich bin überglücklich, meinen zweiten Film auf diesem wichtigen Filmfestival im Wettbewerb vorstellen zu können", erklärte er am Mittwoch in einer im Internet verbreiteten Stellungnahme. Neben so bedeutenden Regisseuren wie Wong Kar-Wai, Walter Salles, den Coen Brüdern oder Emir Kusturica in einem Programm zu laufen ist einfach etwas ganz Besonderes."
Auch Kulturstaatsministerin Christina Weiss (parteilos) ist "hoch erfreut" über die Teilnahme Weingartners am Cannes-Wettbewerb. "Das ist ein weiterer Beweis für die Qualität des deutschen Films und dafür, dass er auch auf internationaler Ebene einen ausgezeichneten Ruf genießt, dort verstanden wird und auf renommierten Festivals zu reüssieren weiß", sagte die Politikerin am Mittwoch. Weiss hatte "Die fetten Jahre sind vobei" mit 225 000 Euro gefördert.
Die Staatsministerin zeigte sich auch erfreut darüber, dass mit Klaus Hüttmanns "Der Schwimmer" auch ein deutscher Kurzfilm in Cannes teilnimmt. Im Nebenwettbewerb muss sich der Film gegen neun Konkurrenten aus acht Staaten durchsetzen.
Insgesamt wurden die 18 Wettbewerbsbeiträge aus der Rekordzahl von 1335 Bewerbungen ausgewählt. Altmeister Volker Schlöndorff ("Die Blechtrommel") hatte mit seinem neuen Film "Der neunte Tag" keine Chance gegen die Nachwuchsregisseure. Der Oscar-Preisträger zeigte jedoch Verständnis für die Jury. Ihm sei gesagt worden, man wolle nach so langer Abwesenheit des deutschen Films nicht wieder bei jenen Regisseuren anknüpfen, die schon früher dabei gewesen seien.
Das Filmfestival von Cannes (12. bis 23. Mai) wird mit dem außer Konkurrenz laufenden neuen Werk Pedro Almodóvars "La mala educación" (Schlechte Erziehung) eröffnet. Der Jury gehören neben Tarantino unter anderem die Schauspielerinnen Emmanuelle Béart, Kathleen Turner und Tilda Swinton an.
Im offiziellen Programm außer Konkurrenz läuft außerdem die französisch-belgisch-deutsch-spanische Koproduktion "Salvador Allende" von Patricio Guzmán. Der Dokumentarfilm schildert den Sturz der demokratisch gewählten Regierung Salvador Allendes am 11. September 1973 in Chile. Ein weiterer deutscher Beitrag ist in der Reihe "Un Certain Regard" zu sehen: "Marseille" von Regisseurin Angela Schanelec erzählt die Geschichte einer jungen Fotografin. In der gleichen Reihe läuft außerdem die österreichisch-deutsche Koproduktion "Hotel" von Jessica Hausner.
Für den nötigen Glamour werden auch in diesem Jahr viele Hollywood-Stars sorgen. Angekündigt haben sich nach Angaben der Veranstalter unter anderem Cameron Diaz, Penelope Cruz, Uma Thurman, Naomi Watts und Gong Li. Auch Tom Hanks, Sean Penn, Kevin Kline, Nick Nolte und Vincent Perez werden an der Croisette erwartet.
Die komplette Liste der Teilnehmer im offiziellen Wettbewerb:
- "Clean" von Olivier Assayas (Frankreich)
- "Exils" von Tony Gatlif (Frankreich)
- "Comme une Image" von Agnès Jaoui (Frankreich)
- "Fahrenheit 9/11" von Michael Moore (USA)
- "Shrek 2" von Andrew Adamson, Kelly Asbury und Conrad Vernon (USA)
- "The Ladykillers" von Joel Coen und Ethan Coen (USA)
- "Nobody Knows" von Kore-Eda Hirokazu (Japan)
- "Innocence" von Oshii Mamoru (Japan)
- "La Femme est L'Avenir de l'Homme" von Hong Sang-soo (Südkorea)
- "Old Boy" von Park Chan-Wook (Südkorea)
- "Die fetten Jahre sind vorbei" von Hans Weingartner
(Deutschland/Österreich)
- "Le Conseguenze dell'Amore" von Paolo Sorrentino (Italien)
- "The Life and Death of Peter Sellers" von Stephen Hopkins
(Großbritannien)
- "Das Leben ist ein Wunder" von Emir Kusturica (Serbien)
- "La Niña Santa" von Lucrecia Martel (Argentinien)
- "Diarios de Motocicleta" von Walter Salles (Brasilien)
- "2046" von Wong Kar-wai (China)
- "Tropical Malady" von Apichatpong Weerasethakul (Thailand)