Gestorben Tatjana Turanskyj, 55

»Papas Kino ist schon tot, und Mamas Kino muss auch sterben!«, gab die Filmemacherin einmal als Devise aus. Dem Altherrenmuff der Nachkriegsjahre hatten die Autoren des Oberhausener Manifests unter dem Schlachtruf »Papas Kino ist tot« einst den Kampf angesagt. Nun sollten endlich auch die Strukturen weg, die Regisseurinnen bei der Arbeit behindern und die nur Einzelkämpferinnen und Einzelkämpfern dienen. Tatjana Turanskyj verschrieb sich diesem Projekt sowohl künstlerisch als auch politisch mit einzigartiger Leidenschaft. Als Aktivistin setzte sie sich im Rahmen von »Pro Quote Regie« für mehr Geld und mehr Zugänge für Frauen in der Filmbranche ein. 2014 war sie eine der Mitbegründerinnen der Initiative, die Diskussionen um Gleichberechtigung weit übers Kino hinaus anschob. Als Regisseurin erzählte sie ungeschönt von Frauen, die den Boden unter den Füßen verlieren: In ihrem Debütfilm »Eine flexible Frau« von 2010 ließ sie eine arbeitslose und alleinerziehende Architektin durch Berlin-Mitte taumeln, in ihrem nunmehr letzten Film »Orientierungslosigkeit ist kein Verbrechen« von 2016 rieb sich eine Journalistin auf zwischen Jobzwängen und Engagement für Geflüchtete. Solidarität – oder eben das Fehlen davon – war eines der durchgängigen Themen in ihrem viel zu schmalen Werk. Ernsthaft, leidenschaftlich, dabei auch humorvoll erzählte Turanskyj ihre Geschichten. Den dritten Teil ihrer Filmtrilogie zu Frauen und Arbeit, die der »Tagesspiegel« eines der »spannendsten Projekte der deutschen Filmlandschaft« nennt, konnte sie nicht mehr fertigstellen. Tatjana Turanskyj starb am 18. September nach schwerer Krankheit in Berlin.