Neuer 007-Film Drehbeginn ohne Bond-Girl

In Prag haben die Dreharbeiten für das neue James-Bond-Abenteuer "Casino Royale" begonnen. Hinter den Kulissen wird heftig gerangelt: Das Drehbuch ist nicht fertig, eine Folterszene wird diskutiert - und die Rolle des Bond-Girls ist immer noch unbesetzt.
Von Siegfried Tesche

Es begann mit einem Kampf. Als am Montagmorgen in den Prager Barrandov Studios die erste Klappe für den James-Bond-Film "Casino Royale" fiel, musste Daniel Craig gleich seine Schlägerqualitäten unter Beweis stellen. Die Szene spielt in der liberianischen Botschaft auf Madagaskar. Die Außenausnahmen dafür werden ab Mitte Februar im Hotel und Restaurant "Buena Vista" in Nassau auf den Bahamas gedreht, da das Produktionsteam die ursprünglich in Südafrika geplanten Dreharbeiten kurzfristig umdisponieren musste.

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"Casino Royale": Wer wird das neue Bond-Girl?

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Parallel dazu arbeitet ein zweites Team bereits in der Karibik, um die sogenannte Pre-Title-Sequence, den kleinen actiongeladenen Film vor dem Film, mit französischen Doubles zu drehen, die dort zu Fuß von Dach zu Dach und über Treppen und Geländer flitzen. "Parcour" nennt sich die speziell in Paris beliebte Trendsportart, dessen ungekrönter Meister Sebastien Foucan dafür verpflichtet wurde.

Während Bonds Doubles und der 37-jährige Brite selbst vor der Kamera fighten, rangeln dahinter die Produzenten und Studiobosse in bisher ungekanntem Ausmaß. Erstmals in der Geschichte der erfolgreichsten Filmserie der Welt haben die Dreharbeiten begonnen, ohne dass die Besetzung des Films komplett ist.

Oscar-Anwärter als Drehbuch-Retter

Auch das Drehbuch ist noch nicht fertig. Autor Paul Haggis ("L.A. Crash", "Million Dollar Baby") wurde beauftragt, ein schon bestehendes Script zu überarbeiten. Doch nach acht Wochen Arbeit verlangten Produktion und Verleih erneut Revisionen. Weil man sich auch über die Besetzung des Bond-Girls stritt, wurden noch Mitte Januar in den Londoner Pinewood Studios Testaufnahmen mit den Schauspielerinnen Thandie Newton, Rose Byrne, Rachel McAdams und Rachael Stirling gemacht. Speziell im letzten Fall wäre das ein interessanter Clou, denn sie ist die leibhaftige Tochter von Diana Rigg, die in dem Bondfilm "Im Geheimdienst Ihrer Majestät" (1969) an der Seite von George Lazenby agierte.

Weiterhin steht nur fest, dass Judi Dench ihre Rolle als "M" wieder aufnimmt, und dass Bonds amerikanischer CIA-Kollege Felix Leiter erneut auftaucht. Kleinere Rollen haben vor allem Franzosen und Deutsche. So hat der in Herten geborene Ludger Pistor bekanntgegeben, dass er als Schweizer Bankier mit von der Partie ist. Nach Informationen der "Hörzu" ist auch Jürgen Tarrach ("Wambo") mit von der Partie. Zudem war der Theaterschauspieler Clemens Schick zum Vorsprechen in London, wollte aber nicht bestätigen, ob er eine Rolle bekommen hat oder nicht.

Aus für Kretschmann und Hoenig

Das ist beileibe nichts Neues in der Geschichte der Bond-Filme, denn die Kandidaten werden gern ein bisschen im Ungewissen gelassen. So ging es bereits Thomas Kretschmann und Heinz Hoenig. Beide machten Probeaufnahmen, erhielten dann aber doch keine Rolle. Dafür ist sicher, dass der Franzose Simon Abkarian die Rolle des Bond-Gegenspielers Demetrius besetzt. Dessen Freundin Solange wird von der Italienerin Caterina Murino verkörpert. Einen Screentest hat auch der Isländer Björn Hlynur Haraldsson absolviert, der zu den diesjährigen Shooting Stars gehört, die auf der Berlinale vorgestellt werden.

Einen Auftritt von Bonds Waffenmeister Q, der in den letzten beiden Filmen von John Cleese verkörpert wurde, wird es laut Regisseur Martin Campbell diesmal nicht geben. Campbell hatte in Interviews versichert, dass man "nur eine größere Explosion" im Film haben werde und auf Spezialeffekte weitgehend verzichten wolle. Dies und die Aussage von Craig, dass er keinen Smoking tragen werde, versetzte Fans und Kritiker in helle Aufregung: Bond ohne Action und mit Jeans ins Casino?

Edelzwirn und Luxuskarosse

Sprecher der italienischen Nobelschneiderei Brioni verneinten dies umgehend, und schon das erste offizielle Foto zeigt Bond im eleganten Smoking. Langfristige Verträge mit Sponsorpartnern sind schließlich eines der Fundamente der Serie, da sie schon vorab die Finanzierung sichern. Co-Produzent Michael G. Wilson sagte auf der ersten Pressekonferenz, dass man mit einem Budget "zwischen 100 und 140 Millionen Dollar" arbeitet.

Die Luxus-Marke Aston Martin hat bereits angekündigt, dass der Agent seine Verfolgungsjagden mit dem Modell DBS absolvieren darf, von dem bisher nur Zeichnungen und ein Spielzeugmodell existieren. Zudem lieferte ein Klassikhändler zwei baugleiche Autos des Klassikers DB 5 auf die Bahamas - ein Fahrzeug, das Bond bereits in "Goldfinger" und "Feuerball" fuhr. Schließlich hat man eine Tradition zu verteidigen - und will zum Filmstart am 23. November gleich mehrere Spielzeugautos verkaufen.

Die Vorlage für den Film erschien bereits 1953 in Form des gleichnamigen Romans von Ian Fleming, der damit den Startschuss für seine erfolgreiche 007-Serie ablieferte. Am 21. Oktober 1954 strahlte der US Fernsehsender CBS eine erste Verfilmung des Stoffes in der Reihe "Climax" aus. Barry Nelson und Peter Lorre spielten die Hauptrollen. Doch da der TV-Film nicht besonders gut ankam, beließ man es dabei und setzte diese Ur-Bond-Serie nicht fort.

Die Spielfilmserie wurde 1962 von Albert R. Broccoli und dem Kanadier Harry Saltzman ins Leben gerufen. Da die beiden Filmproduzenten mit ihre Firma Eon jedoch nicht über die Rechte an dem Roman "Casino Royale" verfügten, mussten sie 1966 ertragen, dass ihnen die Firma Columbia mit der Produktion des gleichnamigen Spielfilms Konkurrenz machte. Damals inszenierten fünf Regisseure eine Parodie auf die 007-Reihe, in der unter anderem David Niven, Peter Sellers, Ursula Andress, Woody Allen, Orson Welles und Daliah Lavi auftraten.

Die skurrile Farce ärgerte Eon Productions immens, doch in einem erst kürzlich weitgehend stillschweigend vollzogenen Geschäft gelang es, die Rechte an dem Stoff zu erwerben. Ironie der Geschichte: Der neue Bond-Film wird weltweit von Columbia Pictures, einer Sony-Tochter, vertrieben.

Bond begins

Ausgerechnet mit "Casino Royale" eine Neuorientierung der Bond-Serie zu starten, liegt nahe, denn Flemings erster 007-Roman ist so etwas wie eine Blaupause für die ganze Serie. Hier wird der Charakter definiert, wird das berühmte Martini Rezept (geschüttelt nicht gerührt) vorgestellt, und es wird erklärt, wie 007 zu seiner Lizenz zum Töten kommt - alles Dinge, die man heutzutage eigentlich nicht mehr erklären muss, die aber perfekt für einen Neubeginn geeignet sind. Bond begins, sozusagen.

In "Casino Royale" wird Bond auf den russischen KGB-Killer Le Chiffre angesetzt, der dem russischen Geheimdienst viel Geld schuldet und nun im südfranzösischen Casino von Royale-les-Eaux sein Glück versucht. Le Chiffre arbeitet für die Geheimorganisation "Smersh", die feindliche Spione ermordet. Bond besiegt Le Chiffre im Casino, kann aber nicht verhindern, dass die französische Agentin Vesper Lynd entführt wird. Er verfolgt die Kidnapper, wird gefangen genommen, gefoltert und von einem der Killer befreit.

Schließlich nimmt sich Vesper das Leben, enthüllt aber vorher, Doppelagentin zu sein. Bond schwört, fortan Smersh-Agenten gnadenlos zu jagen. Im neuen Film wird Le Chiffre ganz zeitgemäß als Financier von Terrorzellen und Selbstmordattentätern agieren. Teil der Action-Sequenzen ist eine Folterszene, in der Bond nackt auf einen Stuhl gefesselt wird und mit einem Teppichklopfer auf die Genitalien geschlagen wird. Ob und wie man die Szene zeigt, ist allerdings noch fraglich. Regisseur Campbell besteht darauf, Verleiher Columbia/Sony ist unsicher, denn drastische Szenen wie diese könnten eine Freigabe ab 12 Jahren verhindern.

Das passierte bisher erst einmal in der Geschichte der Bond-Filme: Als 007-Darsteller Timothy Dalton 1989 in "Lizenz zum Töten" eine härtere Gangart forcieren wollte, blieb das Publikum aus. Es war Daltons letzter Einsatz als Agent Ihrer Majestät.

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