Neuer Allen-Film Postkarte von Woody

Er hat es immer noch drauf, aber ein bisschen mehr Mühe könnte sich Beziehungs-Pessimist Woody Allen schon geben. Sein neuer Film "Vicky Cristina Barcelona" ist zwar charmant und witzig, aber genauso banal.

Woody Allen ist gerade 73 Jahre alt geworden, er macht jedes Jahr einen neuen Film, mittlerweile sind es über 40, man kann ihn dafür gar nicht genug bewundern. Großtaten wie "Der Stadtneurotiker" oder "Hannah und ihre Schwestern" liegen zwar lange zurück, doch mit "Match Point" hat er vor drei Jahren noch mal gezeigt, was er kann – seitdem, und trotz der beiden darauf folgenden Nullnummern "Scoop" und "Cassandra's Dream", gilt ein neuer Woody-Allen-Film wieder als cineastisches Ereignis.

Mit "Vicky Cristina Barcelona", der heute im Kino anläuft, ist ihm so etwas Ähnliches mal wieder gelungen. In Cannes wurde der Film in diesem Jahr sehr freundlich aufgenommen, und das Einspielergebnis in den USA nähert sich mit über 20 Millionen Dollar dem von "Match Point". Was auch mit einer viel gehypten Kuss-Szene zwischen Scarlett Johansson und Penélope Cruz zusammenhängen dürfte.

Die dann so aufregend doch nicht ausfällt, genau wie der Film selbst. Dabei geht es eigentlich recht lebhaft zu: Zwei amerikanische Studentinnen – die bodenständige Vicky (Rebecca Hall) und die impulsive Cristina (Johansson) – reisen in Barcelona an, um dort einen entspannten Sommer zu verleben. Tatsächlich geraten sie bald an den charmanten Maler Juan Antonio (Javier Bardem), der sie auf einen spontanen Wochenendtrip einlädt, um beide den weiteren Film über nacheinander in freier Liebe zu schulen.

Das gibt Probleme, denn Vicky ist mit einem New Yorker Langweiler verlobt, Cristina macht auf lange Sicht nie irgendetwas glücklich, und Juan Antonio liebt in Wirklichkeit noch seine manische Ex-Frau Maria Elena (Penélope Cruz), die ihm vor lauter Hass und Leidenschaft auch schon mal ein Messer in den Körper gerammt hat.

Lustig anzusehen sind sie, die Irrungen und Verwicklungen zwischen diesen vier schönen Menschen, die sich ganz Allen-typisch immer ein paar kluge Dinge zu sagen haben. Besonders wenn Bardem und Cruz aufeinander losgelassen werden und sich in punktlosem Maschinengewehr-Spanisch ihr Innerstes entgegen schleudern, dann bebt der Film vor Witz und Charme.

Das passiert nur etwas zu selten. Stattdessen gibt es ständig eine wissende väterliche Stimme aus dem Off zu hören, die das Geschehen mit pseudo-ironischen und zunehmend nervtötenden Kommentaren ergänzt – damit auch jeder merkt, dass diesem scheinbar so luftigen Spaß ein hoffnungslos pessimistisches Menschenbild zu Grunde liegt und dass Woody Allen wie immer ein paar zynische Erkenntnisse zum Thema "Beziehung" zu bieten hat, mit dem Überraschungswert einer Regenfront über Hamburg.

Am Ende wirkt "Vicky Cristina Barcelona" banal und nicht zu Ende gedacht, so orientierungslos wie seine beiden Heldinnen, die irgendwann nur noch dastehen wie Idiotinnen, deren Niederlagen der Film fast höhnisch zu feiern scheint.

Mit Barcelona kann Allen auch nicht viel anfangen, die Stadt scheint ihn nicht besonders zu interessieren. Brav wird jede Sehenswürdigkeit abgefilmt, die zum üblichen dreitägigen Barcelona-Programm gehört – was toll aussieht, über die Stadt selbst aber so gar nichts zu sagen hat. Man muss nur die Kulissen austauschen, und der Titel könnte "Vicky Cristina Rom" oder gar "Vicky Cristina Berlin" lauten. Dieser Film ist wie eine Postkarte von Woody Allen, über die man sich freut, weil sie so schön ist, und dann bald wieder weglegt, weil einfach nicht viel draufsteht.

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