
Nicole Kidman als Grace: In den Diensten des Regisseurs
"Grace of Monaco"-Star Kidman "Kommt schon Leute, es ist nur ein Film!"
SPIEGEL ONLINE: Wie haben Sie sich auf Ihre Rolle als Grace Kelly vorbereitet, welches Verhältnis haben Sie zu ihr entwickelt?
Kidman: Wenn man so eine Rolle spielt, geht es nicht so sehr darum, eine Beziehung zu einer Figur aufzubauen, sondern eher darum herauszufinden, was für eine Persönlichkeit sie ist. Ich habe sehr viel über Grace recherchiert. Auch bewundere ich, wie sie es geschafft hat, ihr ganzes Leben lang derart elegant aufzutreten. Aber ob ich mich wirklich mit ihr identifizieren kann, weiß ich nicht. So war es mit vielen Rollen, die ich gespielt habe. Als es damals darum ging, Virginia Woolf zu spielen, habe ich zuerst gesagt: Nehmt mich bloß nicht, ich weiß nicht, wie ich das machen soll! Aber der Regisseur muss schließlich davon überzeugt sein, dass du die Richtige bist.
SPIEGEL ONLINE: Was fanden Sie so interessant an Grace Kellys Leben?
Kidman: Es gibt eine Szene im Film, in der sie fragt, was wäre, wenn sie zurück nach Hollywood ginge und sich scheiden ließe. Die Antwort ist: Sie würde ihre Kinder verlieren. Sie beschließt, sich in ihr Schicksal zu fügen und ihre Pflicht zu erfüllen. Eine für die fünfziger Jahre typische Entscheidung. Ich fand auch das schwierige Verhältnis zu ihren Eltern, vor allem zu ihrem Vater, sehr interessant, leider kommt es im Film nur sehr kurz vor.
Nicole Kidman wurde 1967 in Honolulu geboren. Die Australierin feierte schon mit 14 Jahren als Schauspielerin ihr Filmdebüt. Sie war in Filmen wie "BMX Bandits" (1983), "Days of Thunder" (1990), "Eyes Wide Shut" (1999) und "Dogville" (2003) zu sehen. Für die Rolle der Virginia Woolf in "The Hours" (2002) erhielt Kidmann den Oscar als Beste Hauptdarstellerin. Von 1990 bis 2001 war sie mit dem Schauspieler Tom Cruise verheiratet. Seit dem Jahr 2006 ist sie mit dem Countrysänger Keith Urban verheiratet. Sie lebt in Nashville, Tennessee.
SPIEGEL ONLINE: Man kann den Film auch so verstehen, dass Grace Kelly, die berühmte Schauspielerin, einfach in eine neue Rolle schlüpft, vielleicht die größte ihres Lebens. Und sich damit arrangiert.
Kidman: Ja, darauf wollten vor allem der Regisseur Olivier Dahan und der Drehbuchautor Arash Amel hinaus.
SPIEGEL ONLINE: Sie sind selbst, nach ihrer Hochzeit mit Tom Cruise, schon früh zur öffentlichen Person geworden, einer Art Hollywood-Prinzessin. Spielt man da nicht auch eine Rolle?
Kidman: Nein, eigentlich nicht. Es gab Momente, in denen ich das Beste aus der Situation machen musste, um irgendwie normal weiterzuleben. Heute wohne ich glücklicherweise mit meinem Mann Keith Urban in Nashville. Ein wunderbarer Rückzugsort, eine sehr sichere Basis, von der aus ich agieren kann.
SPIEGEL ONLINE: "Grace of Monaco" bekam in Cannes zum Teil verheerende Kritiken, auch Ihre eigene Leistung wurde zum Teil harsch kritisiert. Wie gehen Sie damit um?
Kidman: Ich habe nicht alles gelesen, aber mir wurde gesagt, es sei ziemlich extrem. Andererseits habe ich schon viele extreme Situationen erlebt, und damals hatte ich diese familiäre Sicherheit noch nicht, was es um einiges härter machte. Heute geben mir meine Beziehung und meine Familie so viel Kraft, dass es mir leichter fällt zu sagen: Kopf hoch, weitermachen. Dafür bin ich sehr dankbar.
SPIEGEL ONLINE: Trotzdem muss es Sie doch treffen, wenn es derart viele Verrisse hagelt.
Kidman: Natürlich, aber wie heißt es so schön? In die Zeitung von heute werden morgen schon Fische eingewickelt. Im Ernst: Mir hilft es sehr, das alles aus einem anderen Blickwinkel zu sehen, und das sollten Journalisten vielleicht auch öfter tun. Kommt schon Leute, es ist nur ein Film! Ich habe meinen Job gemacht und etwas ausprobiert. In Nigeria werden Hunderte Mädchen vermisst. Das ist doch eigentlich die viel größere, wichtigere Story, oder?
SPIEGEL ONLINE: Sie mögen es, mit schwierigen Regisseuren zusammenzuarbeiten, Lars von Trier zum Beispiel. Im Moment drehen Sie mit Werner Herzog einen Film über die legendäre Spionin und Abenteurerin Gertrude Bell. Warum finden Sie extreme Charaktere anziehend?
Kidman: Weil sie eine Vision haben und von ihren Ansichten überzeugt sind. Weil sie keine Konformisten sind.
SPIEGEL ONLINE: Ist Olivier Dahan, der Regisseur von "Grace", auch so ein Extremist?
Kidman: Er ist sogar sehr extrem auf seine Weise, er weiß sehr genau, was er will, was er nicht will und woran er glaubt. Zum Beispiel wollte er nicht, dass man seinen Film umschneidet. Er hat zudem eine sehr klare politische Überzeugung, und ich mag es sehr, wenn es in den Filmen, in denen ich spiele, um Großes geht.
SPIEGEL ONLINE: Nun könnte man einwenden, dass es in "Grace of Monaco" vor allem darum geht, wie viel Steuern das Mini-Fürstentum Monaco an Frankreich zahlen muss. Nicht sehr schwerwiegend, oder?
Kidman: Ich bin nur als Schauspielerin an diesem Film beteiligt, es wäre etwas anderes, wenn ich am Drehbuch mitgeschrieben hätte. Wenn ich nur spiele, dann ist es der Film des Regisseurs, der mich für seine Zwecke einsetzt. Wenn er das richtig anstellt, ist es von großem Vorteil, wenn nicht, dann nicht. Aber ich werde mich immer hinter den Regisseur und seinen Film stellen, ich glaube an Loyalität. Das ist einfach meine Natur.
SPIEGEL ONLINE: Sie haben einen Oscar gewonnen, sind eine der bestbezahlten Schauspielerinnen Hollywoods. Eigentlich müssten Sie gar nicht mehr arbeiten. Was treibt Sie noch an?
Kidman: Neugier, immer schon. Abenteuer. Und mein Verlangen, zu reisen, unterschiedliche Regisseure und deren Ideen kennenzulernen. Und natürlich bei jeder neuen Rolle die Herausforderung, in eine fremde Haut zu schlüpfen.
SPIEGEL ONLINE: Glauben Sie, dass Sie Grace Kelly hingekriegt haben?
Kidman: Schwer zu sagen. Ich bin nie zufrieden. Ich bin ja bis heute noch nicht zufrieden mit meiner Darstellung von Virginia Woolf.