"Operation: Kingdom" Eingreifmärchen made in Hollywood

Virtuose Action, zerknirschter Patriotismus: Der geopolitische Thriller "Operation: Kingdom" mit Jamie Foxx zeigt, wie FBI-Spezialisten in Saudi-Arabien einen Anschlag aufklären – und wirbt dabei trotz regierungskritischer Einsichten für die US-Interventionspolitik.

Das amerikanische Sendungsbewusstsein ist auch nicht mehr das, was es einmal war. In Anbetracht einer immer aussichtsloseren Lage im Irak gibt es wohl kaum noch jemanden in den USA, der Auslandseinsätze mit Hurra-Geschrei bewerben mag. Schicken die Vereinigten Staaten ihre Jungs (und Mädchen) raus in die Welt, ist inzwischen durchaus eine Art selbstkritische Zerknirschtheit angezeigt. Dem generellen Festhalten an der selbst auferlegten weltpolitischen Mission tut das allerdings keinen Abbruch.

Wie also könnte der Glaube an eigene Heilsbringerschaft nach Abu Ghuraib, nach den blutigen Taten privatwirtschaftlicher Wachdienstmitarbeiter und nach den jüngsten Strategiewechseln im Irak formuliert werden? Vielleicht so, wie es der FBI-Ermittler in "Operation: Kingdom" einem saudischen Offizier erklärt: "Amerika ist nicht perfekt. Aber in dieser einen Sache sind wir gut. Lassen sie uns ihnen helfen."

Bei der Leistung, die hier so moderat gepriesen wird, handelt es sich um präzise Eingriffe außerhalb des eigenen Landes. Schnell reingehen, Lage sondieren, Lage bereinigen, schnell rausgehen: Auch nach viereinhalb verlustreichen Jahren im Irak – Selbstkritik hin, Abzugsforderungen her – will man sich also auch in Hollywood nicht die Idee eines prinzipiell unbegrenzten Interventionismus nehmen lassen.

Der 11. September ist noch immer Grund genug, jeden Auslandseinsatz zu rechtfertigen. Da ist es nicht verwunderlich, dass dieses 80-Millionen-Dollar-Szenario mit einem Massaker beginnt, das zwar nicht in seinen Ausmaßen, wohl aber in seiner Form an Amerikas schwarzen Tag erinnert: Islamistische Terroristen verüben einen Anschlag auf eine amerikanische Ölbohrer-Kolonie in Riad. Ausgerechnet während eines Softball-Spiels, und dann auch noch an einem idyllischen Sonntagnachmittag. Die Tat wurde perfide orchestriert; bewaffnete Kämpfer dringen bis ins Innerste der amerikanischen Enklave vor, Selbstmordattentäter sprengen sich selbst in die Luft, aber erst eine verzögert geschaltete Bombe sorgt für das Maximum an Opfern.

Derart drastisch, man riecht förmlich die Leichenteile, wurden die Ereignisse von 9/11 noch nicht in einem fiktiven Szenario gespiegelt. Da erscheint im Film die amerikanische Eingriffsmaßnahme unvermeidlich. Die Macher des geopolitischen Schockers sind aber so raffiniert, nicht die üblichen militärischen Spezialeinheiten ins Feld zu schicken, sondern eine Einheit des FBI. Die Bundespolizei als Weltpolizei, das klingt irgendwie besonnen und übertriebener Gewaltausübungen unverdächtig. Dass die Plausibilität der Handlung arg strapaziert wird, um das Federal Bureau of Investigation ins Spiel zu bringen, ist eine andere Sache.

Denn bei dem Anschlag in Saudi-Arabien, so will es das Drehbuch von Matthew Michael Carnahan ("Von Löwen und Lämmern"), kam eben auch ein FBI-Mitarbeiter ums Leben – weshalb sich die Kollegen daheim zum Auslandseinsatz rüsten. Und nach einigem diplomatischen Hickhack und unter den misstrauischen Augen der Saudis dürfen die Ermittler schließlich tatsächlich für einige Tage Untersuchungen im Königreich anstellen. Neben dem über jeden emotionalen Ausrutscher erhabenen Leiter (Jamie Foxx) befinden sich ein lakonischer Bombenexperte (Chris Cooper) und eine beherzte Pathologin (Jennifer Garner) im Team. Letztere verlor bei dem Anschlag ihren Lebensgefährten. Dass nun ausgerechnet diese traumatisierte Quasi-Witwe von ihren Vorgesetzten nach Nahost beordert wird, ist schon eine arg verwegene Wendung.

Solchen Plausibilitätslücken zum Trotz entwickelt "Operation: Kingdom" psychologisch und inszenatorisch zuweilen eine ungeheure Dringlichkeit. Bemerkenswert zum Beispiel, dass in dem Polit-Kracher ausgerechnet einem saudischen Offizier (oscar-verdächtig gespielt von Ashraf Barhom, dem Selbstmordattentäter in "Paradise Now") die stärkste Rolle zukommt. Der Araber muss die Amis durch die unübersichtliche ethno-politische Gemengelage schleusen und gerät dabei gefährlich zwischen die Fronten.

Doch so komplex dieser Charakter auch angelegt ist – die humanistische Botschaft von "Operation: Kingdom" schrumpft auf zwei dubiose Leitsätze. Erstens: Nicht alle Araber sind Verbrecher. Zweitens: Die meisten aber irgendwie doch. Wie hier alte Männer und Kinder als potentielle Bombenträger in Szene gesetzt werden, ohne ihre Motivation ergründen zu wollen, ist schon unzulässig suggestiv.

Da nützt es dann auch nicht, dass Regisseur Peter Berg, der bislang anspruchsfreie Muskelspäßchen vom Schlage "Welcome to the Jungle" gedreht hat, die Action-Sequenzen mit einem genauen Gespür für die Widersprüche jedes Kriegseinsatzes inszeniert hat. In einer virtuosen, atemberaubenden und gut halbstündigen Abfolge von Kampfsequenzen folgt die Kamera den FBI-Leuten bei der Verfolgung von Verdächtigen in eine heruntergekommene Hochhaussiedlung von Riad. "Black Hawk downtown" taufte das New Yorker Magazin "Village Voice" diesen Höllenschlund in Anspielung auf Ridley Scotts Interventionsspektakel "Black Hawk Down", das die Eingreifmaßnahmen der USA aus radikal subjektiver Perspektive und in hypernervösen Schnittfolgen zeigte.

So wird auch "Operation: Kingdom", das muss man anerkennen, zeitweise von der Einsicht getragen, dass gut und böse, schuldig und unschuldig kaum auseinander zu halten sind. Der zum Anfang des Irak-Krieges noch weit verbreitete Glaube, dass eine sogenannte Smart-Bomb ausreichen könnte, um gezielt Terroristen auszuschalten, wird hier zutiefst erschüttert.

Doch so schonungslos und aufreibend uneindeutig der Kampfeinsatz auch in Szene gesetzt wird, die US-Interventionspolitik erscheint in "Operation: Kingdom" nur umso heroischer. Die Botschaft lautet: Als brave Troubleshooter bei der dreckigen Demokratisierungsarbeit auf diesem Globus sind die Amis nun mal unverzichtbar.

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