
Burghart Klaußner: Filmtalk mit Meryl Streep
Oscar-Gast Burghart Klaußner "Die hat sich nicht mehr eingekriegt!"
Die meisten Gäste sind gegangen. Regisseur Michael Haneke, der Enttäuschte, ist längst weg, Christoph Waltz, der frisch Gekürte, hat sich erst gar nicht blicken lassen. Die Reporter, eine Hundertschaft stark, sind ebenfalls abgezogen. Die Kellner räumen die Tische fort, der Barkeeper wischt die Spüle blank. In der Küche klappert das Geschirr.
1.30 Uhr in Hollywood. Burghart Klaußner steht als einer der Letzten am Tresen des "Café des Artistes", einem französischen Restaurant in der Nähe des Sunset Boulevards. Der Darsteller lehnt an einer Säule, in der einen Hand ein Glas Rotwein, in der anderen eine Zigarette. Der Kragen seines Smokinghemds ist offen.
"Die Enttäuschung war natürlich zehn Minuten lang schon da", sagt Klaußner und zieht an der Zigarette. "Aber länger auch nicht, weil, ganz ehrlich gesagt, die Karten waren gemischt."

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Vor ein paar Stunden noch saß der deutsche Filmpreisträger Klaußner, 60, im Kodak Theatre, wo er die Show im Saal miterlebte, als Gast des Oscar-Anwärters Haneke - und gewissermaßen auch als Co-Nominierter. Denn in Hanekes Film "Das weiße Band" spielt er den Pastor, war also maßgeblich am Erfolg beteiligt und sollte jetzt auch die Früchte miternten - das Ende eines langen Weges.
"Beeindruckend war das", findet Klaußner. Das Oscar-Spektakel hat ihm gefallen, trotz allem und obwohl er ja eher vom Theater kommt, von der ernsteren Seite der Kunst also. "Da sind sehr viele Menschen in diesem Saal. Die wollen wirklich etwas damit sagen, nämlich dass sie den Film ernst nehmen und dass sie ihre Schauspieler und ihre Regisseure verehren." Sprich: Ein Oscar ist kein Kindergarten.
Ein Fan namens Meryl Streep
Klaußner saß im Kodak Theatre einige Reihen hinter Haneke, aber immer noch "relativ weit unten" - neben Susanne Lothar, seiner Kollegin aus "Das weiße Band". Die war vor drei Jahren schon mal hier gewesen, mit ihrem kurz darauf verstorbenen Mann Ulrich Mühe und dem damaligen deutschen Oscar-Beitrag "Das Leben der Anderen". Dessen Regisseur Florian Henckel von Donnersmarck hatte mehr Glück.
Im "Café des Artistes" wollte die deutsche Delegation nun eigentlich einen erneuten Sieg feiern. Hier verfolgten die angereisten Filmleute aus Berlin, Hamburg und München die Gala auf TV-Bildschirmen mit. Doch dann gewann allein der Österreicher Waltz - während Haneke mit dem "Weißen Band" leer ausging. Die Party war daraufhin recht bald zu Ende.
Klaußner ist nicht traurig. Er schaut zurück auf ein paar Tage, die alles übertrafen, was er bisher erlebt hat in diesem Geschäft. Zum Beispiel diese Party in der Privatvilla "von so einem Sony-Boss". Da habe er "die Frau Streep" kennengelernt, die große Meryl Streep, und die habe "Das weiße Band" gleich zweimal gesehen. "Meryl Streep war vollkommen besoffen von dem Film, hat sich gar nicht mehr eingekriegt und jedes Detail gewusst." So "erstaunlich unprätentiös" geht es daheim wohl kaum zu.
In den Hauptrollen: Entertainment und Ernst
Der "bewegendste Moment" sei für ihn jedoch gewesen, als Barbra Streisand den Regie-Oscar an Kathryn Bigelow übergeben habe - zum ersten Mal an eine Frau. Erst recht an eine, die "den männlichsten Film aller Zeiten machte".
Die Angestellten des Restaurants beginnen, den Kachelboden zu fegen. Überhaupt, sinniert Klaußner, wie locker das alles bei den Oscars gewesen sei und zugleich wie professionell. Die Amerikaner hätten eben keine Scheu, Entertainment und Ernsthaftes durcheinander zu wirbeln: "Und das ist nicht immer falsch."
Klaußner lässt sich noch einen Wein bringen. "Besonders beeindruckend finde ich, dass sich die Stars des amerikanischen Kinos zur Verfügung stellen, um bei dieser Veranstaltung aufzutreten, und wenn es nur eine Sekunde ist", sagt er. "Kate Winslet hatte fünf Sätze, und es machte aber unglaublich was her. Tom Hanks trat auf. Sean Penn trat auf. Barbra Streisand trat auf. Das war schon so ein Community-Feeling."
Draußen räumen die Bauarbeiter die Betonbarrikaden rings um das Kodak Theatre fort. An den Straßenecken, wo sich die Fans gedrängelt haben, stapelt sich der Müll: Cola-Becher, McDonald's-Schachteln, Plastiktüten. Die große Show ist vorbei. Bis zum nächsten Jahr.

Das Oscar-Schaulaufen: Geht's noch schöner?
Die Oscar-Gewinner 2010
Bester Film | "The Hurt Locker" (Produktion Kathryn Bigelow, Mark Boal, Nicolas Chartier, Greg Shapiro) |
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Hauptdarstellerin | Sandra Bullock, "The Blind Side" |
Hauptdarsteller | Jeff Bridges, "Crazy Heart" |
Nebendarstellerin | Mo'Nique, "Precious" |
Nebendarsteller | Christoph Waltz, "Inglourious Basterds" |
Regie | Kathryn Bigelow, "The Hurt Locker" |
Nicht-englischsprachiger Film | "El Secreto de Sus Ojos", Argentinien |
Adaptiertes Drehbuch | Geoffrey Fletcher, "Precious" nach dem Roman "Push" von Sapphire |
Original-Drehbuch | Mark Boal, "The Hurt Locker" |
Kamera | Mauro Fiore, "Avatar" |
Schnitt | Bob Murawski und Chris Innis, "The Hurt Locker" |
Ausstattung | Rick Carter, Robert Stromberg und Kim Sinclair, "Avatar" |
Kostümdesign | Sandy Powell, "The Young Victoria" |
Ton | Paul N.J. Ottosson und Ray Beckett, "The Hurt Locker" |
Ton-Schnitt | Paul N.J. Ottosson, "The Hurt Locker" |
Maske | Barney Burman, Mindy Hall und Joel Harlow, "Star Trek" |
Spezial-Effekte | Joe Letteri, Stephen Rosenbaum und Andrew R. Jones, "Avatar" |
Original-Filmmusik | Michael Giacchino, "Up" |
Original-Song | Ryan Bingham und T Bone Burnett, "The Weary Kind" aus "Crazy Heart" |
Kurzfilm | Joachim Back und Tivi Magnusson, "The New Tenants" |
Animationsfilm | Pete Docter, "Up" |
Animations-Kurzfilm | Nicolas Schmerkin, "Logorama" |
Dokumentarfilm | Louis Psihoyos und Fisher Stevens, "The Cove" |
Kurz-Dokumentarfilm | Roger Ross Williams und Elinor Burkett, "Music by Prudence" |