Filmkomödie "Paddington 2" Wäre es nicht schön, wenn es ihn wirklich gäbe?

Der Bär Paddington ist vielleicht das humanistischste Tier der Welt. Nun landet er in "Paddington 2" hinter Gittern. Es ist eine charmante Geschichte über Vertrauen und Resozialisierung.

Ohne Bär nichts los. Langweilig und doof wäre die Welt, wäre London, vor allem der Stadtteil Notting Hill; wäre, das steht fest, die Residenz der Familie Brown, die den Flüchtling aus Peru dereinst so selbstverständlich vom Bahnhof Paddington weg in ihr Haus und ihre Herzen aufgenommen hatte.

Nein, mit Bär ist es allemal schöner. Und das schon lange. Im Juni dieses Jahres starb 91-jährig der Erfinder der tierischen Kinderbuchfigur im Dufflecoat, Michael Bond. Den hatte im Winter 1956 ein "übrig gebliebener Teddybär" im Regal derartig gerührt, dass er ihn als Weihnachtsgeschenk für seine Frau mit nach Hause nahm und begann, Geschichten über ihn zu erfinden.

Zum Glück hat er den neuerlichen Höhenflug seines Helden noch mitbekommen: Drei Jahre nach dem überaus erfolgreichen ersten Paddington-CGI-Realfilm-Abenteuer, das allein in Deutschland über zwei Millionen Zuschauer in die Kinos lockte, haben Regisseur/Drehbuchautor Paul King und Drehbuchautor Simon Farnaby eine weitere Paddington-Geschichte fürs Kino ersonnen.

Im fantastisch-ungentrifizierten Kiez

In Sachen Ideenreichtum und Herzlichkeit schwächeln sie kein bisschen: In "Paddington 2" hat sich der gutmütige Bär im fantastisch-ungentrifizierten Kiez längst unabkömmlich gemacht. Vielleicht ist er es sogar, der die mit typischen Midlifecrisis-Problemen behaftete Familie (Hugh Bonneville alias Henry und Sally Hawkins alias Mary Brown) überhaupt zusammenhält.

Fotostrecke

Kinderfilm: Paddington im Knast

Foto: Studiocanal

Demzufolge gerät die weitgehend friedliche Welt aus den Fugen, als Paddington hinter schwedische Gardinen muss: Das wertvolle, antike London-Pop-up-Buch, welches er seiner im fernen Bärenaltenwohnsitz weilenden Tante Lucy zum 100. Geburtstag schenken wollte, ist nämlich verschwunden. Und er, so behauptet die Polizei, soll es gestohlen haben! Ein Skandal, doch Paddington fügt sich seinem Schicksal.

Im Gefängnis lernt er nicht nur den trostlosen Knastalltag, sondern auch den gefürchteten Gefängniskoch und Safeknacker "Knuckles" (Brendan Gleeson) kennen. Knuckles, massig, missmutig und muffelig, kann Walnüsse und vorlaute Bären vermutlich mit dem kleinen (mit Rechtschreibfehlern tätowierten) Finger zermalmen. Doch Paddington, dem zudem noch ein Missgeschick mit einer roten Socke und einer Wäscheladung passiert, kann nicht nur gut Orangenmarmelade kochen. Er hört bekanntlich auch nie auf, an das Gute im Menschen zu glauben.

Hundefutterwerbung statt Theater

Das ist seine Stärke, die des Films ebenso. Denn Familie Brown und verschiedene Freunde, längst von Paddingtons Optimismus infiziert, können nicht auf ihm sitzenlassen, was die Polizei behauptet. Zumal es Zeugen dafür gibt, dass das mit dem Buchdiebstahl in der Nacht ganz anders war und man sich lieber diesen zwielichtigen, ehemaligen Shakespeare-Mimen Phoenix Buchanan (Hugh Grant) anschauen sollte, der seit Jahren statt in Theaterstücken nur noch in Hundefutterwerbung zu sehen ist.

In zwei Strängen und mit einem nicht versiegenden Füllhorn an Ideen erzählen King und Farnaby ihre charmante Geschichte über Vertrauen und Resozialisierung in einer märchenhaften Retro-London-Umgebung. Mit sicherer Hand inszeniert der Regisseur den glaub- und herzhaft überspielenden Grant als narzisstischen Egomanen und den vom Leben enttäuschten Knuckles als Kehrseite der Medaille: Zwei Archetypen, die symbolisieren, was aus Menschen werden kann, wenn zu viele oder zu wenige an sie glauben.


"Paddington 2"

USA 2017

Regie: Paul King

Drehbuch: Michael Bond, Jon Croker, Simon Farnaby, Paul King

Darsteller: Elyas M'Barek, Sally Hawkins, Hugh Grant, Brendan Gleeson , Hugh Bonneville, Julie Walters

Produktion: Heyday Films, StudioCanal, The Weinstein Company, StudioCanal Deutschland

Verleih: StudioCanal

FSK: ab 0 Jahren

Länge: 103 Minuten

Start: 23. November 2017


Kombiniert mit spektakulären Bärenstunts und aufsehenerregenden Slapsticks - etwa in einer Friseursalonszene, in der Paddington der Konturenschneider nicht nur aus den Tatzen rutscht - ist auch das Sequel wieder absolut sehenswert, egal, wie man an und für sich zu Bären, Kindern, Weihnachtsfilmen und moralischen Botschaften steht.

Bis zum Ende plausibel

Der Bär, dessen zurückhaltend-ernsthafte Originalstimme Ben Whishaw (unter anderem James Bonds "Q") Elyas M'Bareks recht konturloses deutsches Synchronorgan um Längen schlägt, ist vielleicht das humanistischste Tier der Welt. Auf beeindruckende Weise (und mit überzeugender State-of-the-Art-CGI) schaffen es Regisseur King und Autor Farnaby, seine dringliche Botschaft trotz aller Heile-Welt-Zeichnung nie ins Peinliche abrutschen zu lassen und ihn bis zum Ende plausibel zu halten. Sofern ein sprechender Bär mit Hut und Mantel plausibel sein kann.

Aber ach, wäre es nicht schön, wenn es ihn wirklich gäbe?

Im Video: Der Trailer zu "Paddington 2"

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