
Kinoromanze "Cairo Time": Die virtuos Unauffällige
Patricia Clarkson in "Cairo Time" Wer ist diese Frau?
Wer unaufgeregte Selbstfindungs- und Liebesfilme schätzt, vor einem leicht, aber nicht allzu exotischen Hintergrund, kann mit "Cairo Time" nicht viel falsch machen. Eine gediegene Filmpostkarte, die sich bemüht, so oft es geht die Pyramiden ins Bild zu setzen, denn die findet ja jeder gut. Das Ergebnis: edle Bilder von einer brodelnden ägyptischen Hauptstadt, immer in einen Hauch Sepia getaucht, wie man sich Kairo eben vorstellt, wenn man noch nie da war.
Bevor sich aber alle anderen gelangweilt abwenden und zu anderen Neustarts wie "Die drei Musketiere in 3D" und damit in ihr Unglück laufen, hier noch ein wirklich zwingendes Argument für das neue Werk der arabisch-kanadischen Regisseurin Ruba Nadda ("Sabah"): Patricia Clarkson ist die Hauptdarstellerin! Sie spielt eine erfolgreiche Amerikanerin in den besten Jahren, die ihren Diplomaten-Ehemann in Kairo besuchen möchte und versetzt wird, und sich vielleicht, vielleicht auch nicht, in den unglaublich attraktiven und zuvorkommenden Einheimischen (Alexander Siddig) verliebt, der sie durch die Stadt führt.
Wer ist Patricia Clarkson, werden sich nun die meisten fragen, womöglich schon ihre 3D-Brillen suchend. Und das ist kein Wunder, denn die 51-Jährige ist ihre gesamte, ziemlich lange Karriere lang fast nur in Nebenrollen unterwegs gewesen, in "Die Unbestechlichen", "High Art", "The Green Mile", "Dem Himmel so fern", "Dogville", "Good Night and Good Luck", "Vicky Cristina Barcelona". Eine virtuos Unauffällige, mit Preisen überhäuft, für den Oscar nominiert, aber mit der bewundernswerten Angewohnheit, sich nie in den Vordergrund spielen zu müssen. Stattdessen trifft sie immer den richtigen (meist leisen) Tonfall. Die ruhige, etwas rauchige Stimme, deretwegen es sich schon lohnt, jeden ihrer Filme im Original zu sehen. Der stets minimal entrückte Blick, der Menschen durchdringen kann - oder einfach durch sie hindurch schaut.
Eine der besten Schauspielerinnen der Welt
Clarkson ist eine der besten Schauspielerinnen der Welt, und die Welt merkt davon fast nichts. Das ist schade. Und ein Grund, weswegen die seltenen Gelegenheiten, in denen sie mal eine Hauptrolle übernimmt, gefeiert werden müssen. Denn das kann den betreffenden Film nur aufwerten.
Gilt auch für "Cairo Time". Darin passiert wirklich nicht viel. Keine großen Konflikte, kein dramatischer Showdown, keine sich gegenseitig umbringenden duellierenden Liebhaber. Unruhen schon gar nicht, weil der Film schon 2009 gedreht wurde, lange vor der arabischen Revolution. Nur subtiles Anschmachten, mehrere Stadtrundgänge und ein auf halber Strecke abgebrochener Ausflug nach Gaza. Dann wieder Anschmachten. Mit fast jeder anderen Darstellerin hätte das unendliche Langeweile bedeutet.
Aber Patricia Clarkson sieht man auch gern dabei zu, wie sie einfach nur auf ihrer Hotelterrasse sitzt und versonnen auf die Skyline Kairos schaut. Denn es ist so, als ob sie in solchen Momenten jeden ihrer Gedanken mit dem Publikum teilt, ohne ein Wort zu sprechen. Sie sitzt nur so da, und trotzdem sieht man eine Frau, die eigentlich glücklich ist mit ihrem Leben, aber sich fragt, ob da noch etwas Spannendes passieren wird. Die ihren Mann liebt, der für die UN arbeitet und ständig abwesend ist, die sich aber auch fragt, ob es womöglich andere Männer für sie geben könnte.
Eine wunderschöne Frau entdeckt eine wunderschöne Stadt. Mehr hat "Cairo Time" nicht zu bieten. Reicht völlig.
Cairo Time. Start: 1.9. Regie: Ruba Nadda. Mit Patricia Clarkson, Alexander Siddig.