DDR-Flucht-Film Und die Stasi schippert immer mit

DDR-Flucht-Film: Und die Stasi schippert immer mit
Foto: Wild Bunch Germany"Okay", sagt beim konspirativen Treffen in Ostdeutschland der Mann aus dem Westen, um sich demonstrativ als solcher erkennen zu geben. Und doch stimmt mit ihm etwas nicht, hier, am Rand der Transitstrecke.
Denn der Mann zieht die zweite Silbe des Wortes auffällig lang und hebt dabei fragend die Stimme, so wie es gegenwärtig gang und gäbe ist - es aber ganz bestimmt noch nicht in den Achtzigern war. Mit diesem modernen "Okay" weist sich der in die DDR eingereiste Fluchthelfer als Zeitreisender in die Vergangenheit aus. Der Mann ist ein wandelnder Anachronismus.

Stasi-Drama: Ab aufs Meer - aber nicht ins Kino
Ein Kleinigkeit nur, aber sie ist bezeichnend. Manches, was sich im Fernsehformat unbemerkt versenden lässt, fällt auf der Kinoleinwand eben doch auf. Das Stasi-Drama "Wir wollten aufs Meer" ist das Kinodebüt von Toke C. Hebbeln, der an der Filmakademie Baden-Württemberg studiert hat. Zu den Produzenten gehören sein ehemaliger Lehrer, der TV-Event-Spezialist Nico Hofmann ("Dresden", "Der Turm") sowie der geschasste Degeto-Chef Hans-Wolfgang Jurgan. Ihnen wird man womöglich anlasten müssen, dass hier mit historischen Details nicht immer ganz so sorgfältig umgegangen wurde. Ein weiteres Beispiel: Als würden die wegen ihrer oppositionellen Haltung eingekerkerten Hafenarbeiter Matthias (Ronald Zehrfeld) und Cornelis (Alexander Fehling) im Stasi-Gefängnis nicht schon genug gefoltert, müssen sie sich noch 1989 den stalinistischen Fünfziger-Jahre-Schinken " Ernst Thälmann - Führer seiner Klasse" ansehen. Die jüngste Produktion der "Ufa Cinema GmbH" erzählt also mit plakativen, emotionalisierenden Mitteln von der Allmacht des Staatssicherheitsdienstes - eindrucksvoll verkörpert vom DDR-Altstar Rolf Hoppe, der vierschrötig und jovial den zynisch-brutalen Geheimdienst-Mephisto gibt.
Mit ihm haben sich Cornelis und sein Freund Andreas ( August Diehl) eingelassen, um als Matrosen der DDR-Handelsmarine von Rostock aus die Weltmeere befahren zu dürfen. Doch es zahlt sich nicht aus den Hafenmitarbeiter Matthias zu bespitzeln: Cornelis, der versucht hat, seine vietnamesische Freundin (Phuong Thao Vu) in den Westen zu bringen, landet hinter Gittern. Andreas hingegen verkauft seine Seele an die Diktatur und verkommt als Spitzel moralisch und gesundheitlich zum Wrack.
Das Leben der Anderen" war noch um eine psychologische Ausgestaltung der DDR-Charaktere bemüht. "Wir wollten aufs Meer" wirkt dagegen fast wie ein Relikt des Kalten Krieges, so selbstverständlich und simpel werden hier kommunistische Funktionäre dämonisiert; ein greiser Apparatschik macht mit einem Spitzelsystem die Protagonisten einfach mal so zu Opfern einer Verschwörung
Am Anfang des Films sieht man Rostock, den einzigen internationalen Hafen der DDR, in leuchtenden, fröhlichen Sommerfarben. Diese Bilder dementiert der Film später in fast jeder Einstellung. In diesem Ostdeutschland herrscht eine exorbitante Gewitterdichte - laufend donnert es unheilvoll.
Und die einzigen Sonnenstrahlen überhaupt empfängt der Ostblock während Cornelis' Fluchtversuch in die "Tschechei", wie der ehedem sozialistische DDR-Bruderstaat Tschechoslowakei hier in einem Jargon heißt, der sogar aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg stammt. Mit den Häschern rasen dann zugleich auch finstere Wolken heran, und die Flucht scheitert, ist ja klar. Der Himmel wusste halt schon damals, dass es böse enden wird mit Sozialismus.