Raumpatrouille-Designer Zehetbauer "Das Bügeleisen hatte diese Stromlinienform, die ich suchte"
SPIEGEL ONLINE:
Herr Zehetbauer, wie gefällt Ihnen denn die neue Kinofassung von "Raumpatrouille Orion"?
Rolf Zehetbauer: Nun ja, das ist etwas Eigenes, denke ich. Der Film hat mit dem, was die Serie gewesen ist, kaum etwas zu tun. Als ich bei der Premiere hier in München war, bin ich nur kurz auf die Bühne und habe ins Publikum gewunken. Dann bin ich rüber zu Mövenpick am Stachus gegangen und habe mir ein Glaserl Wein bestellt.
SPIEGEL ONLINE: Sie haben sich den Film gar nicht angesehen?
Zehetbauer: Ich habe mir eine Vorab-Version in den Bavaria-Studios angeschaut. Wissen Sie, ich kenne einen, der so ein "Orion"-Museum aufgebaut hat, ein richtig Begeisterter also, der hat mir gesagt, diese Serie war ein Gesamtkunstwerk, aus dem man nicht mal eben eineinhalb Sunden rausschneiden kann. Da hat er möglicherweise Recht. Aber letztlich sollen das die Kritiker und die Zuschauer entscheiden.
SPIEGEL ONLINE: Wäre Ihnen denn eine Neuverfilmung lieber gewesen?
Zehetbauer: Ich weiß nicht, da hätte es sehr gute Drehbücher gebraucht, und die gibt es in Deutschland für Science Fiction nicht.
SPIEGEL ONLINE: Außerdem hätte man wohl nicht noch einmal eine so außergewöhnliche Kommandozentrale mit Bügeleisengriff, Bleistiftspitzer und Wasserhähnen hinbekommen...
Zehetbauer: Ach, das sehe ich nicht so. Dieser Stil ist doch aus glatter Armut entstanden. Wir hatten kein Geld und sollten eine aufwändige Science-Fiction-Serie machen. Das war der Auftrag damals. Wir waren gezwungen, überall zu improvisieren. Die Ausstattung für das Raumschiff eigens anfertigen zu lassen, war völlig ausgeschlossen. Also haben wir nach Dingen gesucht, die es schon gab.
SPIEGEL ONLINE: Wie das Bügeleisen, das dann als Bedienungselement des Maschinenleitstandes eine zentrale Bedeutung erhielt??
Zehetbauer: Ja! Die Formensprache der Haushaltsindustrie war sehr modern in den Sechzigern. Und das Bügeleisen hatte diese Stromlinienform, die ich gesucht habe. Es war typisch für unseren Stil, dass wir nach möglichst ungewöhnlichen Formen gesucht haben - andererseits hatten wir aber auch wieder nicht genug Geld, um solche Formen extra schnitzen zu lassen. Also waren die Mikrofone auf der "Orion" tatsächlich Badewanneneinläufe: die waren elegant, die waren verchromt, die waren fertig. Perfekt! In der Bauindustrie haben wir Glaskuppeln und Plexiglas zusammengesucht und daraus die Helme für die Astronauten gefertigt.
SPIEGEL ONLINE: Gerade diese Dinge haben dann Kultcharakter bekommen. Hat man vielleicht die besseren Idee, wenn man mit wenig Mitteln arbeiten und viel improvisieren muss?
Zehetbauer: Nein, das glaube ich überhaupt nicht! Das ist mehr so eine idealisierende Vorstellung, die im Nachhinein reininterpretiert wird. Die Phantasie war - im Gegenteil - sehr eingeengt. Es durfte einem ja nichts einfallen, das Geld kostet. Nein, wir hätten das schon gern so gemacht wie in Hollywood. Zur gleichen Zeit hat Stanley Kubrick begonnen, "2001 - Odyssee im Weltraum" zu drehen - mit einem Riesenaufwand. Aber davon konnten wir ja nur träumen
SPIEGEL ONLINE: Was hätten Sie mit viel Geld anders gemacht?
Zehetbauer: Ich hätte auf jeden Fall viele Dinge extra anfertigen lassen. Die Orion hätte nicht ganz anders ausgesehen, aber man hätte es viel schöner machen können. Alles, was es in den Bavaria-Studios gab, war eine Tiefziehmaschine, mit der man Kunststoff in alle möglichen Formen bringen konnte. Das hat sehr geholfen, etwa bei Wandverkleidungen - aber das war es dann eben auch schon.
SPIEGEL ONLINE: Hatten sie eigentlich irgendwelche Vorbilder für die Raumpatrouille Orion?
Zehetbauer: Gar keine. Es gab auch noch kein "Star Trek" oder ähnliche Serien. Wir hatten totale Freiheiten beim Entwurf des Raumschiffes und des Innenlebens. Damals hat man schon dauernd von irgendwelchen fliegenden Untertassen gesprochen, die gesichtet worden waren, also war klar, dass ein Raumschiff im Jahr 3000 die Form einer fliegenden Untertasse bekommt.
SPIEGEL ONLINE: Ungewöhnlich für eine Science-Fiction-Serie ist aus heutiger Sicht der aufwändige Entwurf von Privaträumen für die Crew oder das legendäre Starlight-Casino, in dem sich Dietmar Schönherr und Eva Pflug entspannen. Warum wurde darauf so viel Wert gelegt?
Zehetbauer: Gute Frage. Das hatten sich die Autoren eben so ausgedacht - irgendwo mussten die Liebesszenen ja auch spielen, und sie passten wohl besser dahin, als in die Kommandozentrale der "Orion". Ich habe mir dafür ja extra die Unterwasserstadt ausgedacht, die stand in keinem Drehbuch.
SPIEGEL ONLINE: Und warum musste es gerade unter Wasser sein?
Zehetbauer: Alle Häuser und Villen rund um München, in denen wir hätten drehen können, haben viel zu sehr an die Gegenwart erinnert. Unter Wasser, ohne Tageslicht, das war gleich eine ganz andere Welt. Aber es ist auch ein ziemlich peinlicher Fehler passiert. Da schwimmen ja überall Fische herum, und weil in der Tricktechnik damals zwei Maßstäbe nicht übereingestimmt haben, wirken die völlig überdimensional. Da sitzt dann Dietmar Schönherr in seinem futuristischen Stuhl zwischen all diesen Riesenviechern.
SPIEGEL ONLINE: War das der schlimmste Fehler damals?
Zehetbauer: Wir hatten große Probleme mit den ganzen Spiegelfolien bei den Zugängen zu den Raumstationen, die haben immer Blasen geworfen. Der Regisseur fand das dann aber besonders gut. Und - nein, die anderen erzähle ich Ihnen nicht. Auf der großen Leinwand sieht man die ja jetzt noch viel besser.
Das Interview führte Jörg Schallenberg
Der 92-minütige "Producer's Cut" der Kult-Serie "Raumpatrouille Orion" läuft unter dem Titel "Rücksturz ins Kino" seit dem 24. Juli 2003 im Kino