Animationsfilm »Raya und der letzte Drache« Disneys Prügel-Prinzessin

Statt im Kino hat der Animationsfilm »Raya und der letzte Drache« nun auf Disney+ Premiere. In dem actionreichen Spektakel machen junge Frauen das Schicksal der Welt unter sich aus.
Szene aus »Raya und der letzte Drache«: Grimmige Entschlossenheit

Szene aus »Raya und der letzte Drache«: Grimmige Entschlossenheit

Foto: Disney+

Die Zeiten, in denen Disneys Heldinnen vor allem niedlich waren, sind endgültig vorbei. Die Titelfigur des Animationsfilms »Raya und der letzte Drache« rast mit grimmiger Entschlossenheit durch die Wüste. Wer es wagt, sich ihr in den Weg zu stellen, muss damit rechnen, von ihr vermöbelt zu werden. Denn Prinzessin Raya ist ziemlich wehrhaft und eine Meisterin der Martial Arts.

Der Film, der nun auf Disney+ zu sehen ist, spielt in der Fantasywelt Kumandra, wo Menschen und Drachen friedlich zusammenleben. Doch eine zerstörerische Kraft, Druun genannt, lässt Lebewesen zu Stein erstarren – auch Rayas Vater, Chief Benja, der bislang weise und gerecht über den Vielvölkerstaat herrschte. Daraufhin brechen Streitereien und Feindseligkeiten aus. Raya, nun auf sich allein gestellt, muss die Welt retten, indem sie ihre Bewohner wieder vereint.

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Ursprünglich sollte »Raya und der letzte Drache« im vergangenen November ins Kino kommen. Doch wegen der Pandemie entschloss sich der Konzern für eine Verschiebung und einen sogenannten »hybriden« Start. Während der Film in Deutschland zunächst auf Disney+ Premiere hat, wird er zur gleichen Zeit in Ländern wie den USA, China oder Japan auf der Leinwand zu sehen sein.

Die Regisseure Don Hall und Carlos López Estrada haben offenbar vor allem an das Publikum in Asien gedacht. Schon »Mulan«, Disneys im vergangenen Jahr gestartetes Realfilm-Remake des gleichnamigen Zeichentrick-Klassikers, zielte auf diesen wachsenden Markt. Das fiktive Reich Kumandra in »Raya und der letzte Drache« wurde den Landschaften in Vietnam, Laos oder Kambodscha nachempfunden. Ein Rechercheteam aus Experten, Anthropologen, Linguisten, Architekten oder auch Musikern, beriet die Produktion.

Verfolgungsjagden vom Blockbuster-Reißbrett

Der Film fängt in der alten, klassischen Disney-Welt an, in der sich die Helden und Heldinnen immer wieder als Waisenkinder durchschlagen müssen. Doch von dort macht »Raya und der letzte Drache« weite Sprünge. Zwischendurch hat man fast das Gefühl, in der dystopischen Welt des »Mad Max«-Universums gelandet zu sein. Hall und Estrada setzen auf Verfolgungsjagden und Actionszenen. Bei aller Kunstfertigkeit schimmert das Konzept dieses Films durch. Hinter den Bildern erkennt man das Reißbrett, an dem ein Blockbuster konstruiert wurde, der überall auf der Welt funktionieren muss.

"Raya und der letzte Drache": Wozu Kerle, wenn man starke Frauen hat?

"Raya und der letzte Drache": Wozu Kerle, wenn man starke Frauen hat?

Foto: Disney+

Früher schnappte sich Disney einfach europäische Märchenstoffe, amerikanisierte sie und räumte an den Kinokassen weltweit ab. Heute dagegen gibt es bereits schlechte PR, wenn südostasiatische Figuren von Schauspielern gesprochen werden, die aus einem anderen Teil Asiens stammen. Ein weltmarkttauglicher Bösewicht sollte heute weder schwarz noch weiß sein, weder braune noch blaue Augen, weder eine männliche noch eine weibliche Stimme haben. Am besten also, er hat kein Gesicht und redet nicht. Druun, die Nemesis in diesem Film, sieht aus wie eine Mischung aus Wirbelwind und Blitz, verwandelt blühende Landschaften in Stein und Staub und funktioniert auch prima als Symbol für den Klimawandel.

Die Story wurde für den globalen Markt auf einen kleinen gemeinsamen Nenner gebracht. Wer will schon ernsthaft was dagegen sagen, wenn ein Film für Vielfalt und Toleranz plädiert, wenn er davon erzählt, dass sich die Menschen über alle Unterschiede hinweg zusammenraufen müssen, um eine lebenswerte Welt zu bewahren? Nur trägt »Raya und der letzte Drache« diese Botschaft etwas plakativ vor sich her. Überraschende Einfälle jenseits der politischen Korrektheit finden sich eher in den Nebensträngen der Handlung. Da erweist sich sogar ein Baby als verblüffend durchtrieben und sorgt für vergnügliche Momente – auch wenn der Film am Ende keinen Zweifel daran lassen will, dass in jedem Menschen letztlich ein guter Kern steckt.

Männer sind in diesem Film fast Totalausfälle

Weil Disney in den letzten Jahren vor allem bei den enorm erfolgreichen »Eiskönigin«-Filmen festgestellt hat, dass man auf männliche Helden weitgehend verzichten kann, wenn die weiblichen Identifikationsfiguren stark genug sind, machen die Frauen das Schicksal der Welt in »Raya und der letzte Drache« unter sich aus. Der Prinzessin macht eine Gegenspielerin zusammen mit ihrer Mutter das Leben schwer, dafür kämpft der weibliche Drache Sisu an Rayas Seite.

Männer dagegen sind in diesem Film fast Totalausfälle, vorlaute Knirpse, riesenhafte Tölpel oder versteinerte Kerle. Während Raya dafür kämpft, ihren Vater ins Leben zurückzuholen, haben die Zuschauer das Gefühl, dass er eigentlich kaum fehlt. Vielleicht ist ohne ihn sogar alles viel lustiger. Disneys Heldinnen sind ganz schön selbstständig geworden. Man kann auch sagen: erwachsen.

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