Kehlmann-Verfilmung "Ruhm" Dann lieber untreu sein

Kehlmann-Verfilmung "Ruhm": Dann lieber untreu sein
Foto: Little Shark EntertainmentSenta Berger in einer Inge-Meysel-Rolle - schon das verzeiht man dieser Daniel-Kehlmann-Verfilmung nicht. Sie erzählt von einer Handvoll Protagonisten, die man für die Projektionen eines in der Krise befindlichen Autors halten möchte. Das könnte die schwarzen Löcher, in denen die Figuren zwischendurch verschwinden, zwar nicht entschuldigen - aber immerhin erklären.
Aus neun Geschichten, die sich nicht recht zum Roman fügen, setzt sich "Ruhm" zusammen, Kehlmanns Buch, das 2009, vier Jahre nach dem Weltbestseller "Vermessung der Welt", erschien. Sieben Hauptpersonen daraus sind in den Film übernommen worden. Natürlich auch besagter Schriftsteller Leo Richter (Stefan Kurt), in dem man bei der Lektüre ein Selbstporträt des Autors Kehlmann erkennen mochte. Auf der Leinwand begegnet die Figur nun seinem Schöpfer - in Gestalt eines Laudators, den Daniel Kehlmann verkörpert und der sein eigenes Geschöpf nun mit eben jenen Kritikerworten preist, die einmal ihm selber galten.
Selbstironie? Eitelkeit? Ruhmsucht? Oder womöglich ein kalkulierter Cameo-Auftritt, der dem Spiel zwischen Fiktion und Wirklichkeit, bei dem in Kehlmanns Roman acht Personen einen Autor umkreisen, noch mal einen Twist und damit eine weitere Realitätsebene verleiht? Nein. Denn das Produkt kann nicht halten, was das Konstrukt verspricht.

Kehlmann-Verfilmung "Ruhm": Uninspirierte Werktreue
Für die Brandrede, mit der Kehlmann vor drei Jahren in Salzburg gegen das Regietheater gewettert hat, erhält er jetzt im Kino die Quittung: Die Verfilmung von "Ruhm" ist so werkgetreu, wie Kehlmann es sich nur wünschen kann. Aber leider auch uninspiriert. TV-Regisseurin Isabel Kleefeld erzählt in ihrem Kinodebüt Episode um Episode routiniert vor sich hin, wobei ein telekommunikatives Worst-Case-Szenario den roten Faden des Films abgibt.
Alles wirkt wie ausgestellt
Ein bislang handyresistenter Elektroingenieur (Justus von Dohnányi) lässt sich widerstrebend zur Anschaffung eines Mobiltelefons überreden. Prompt wird dem im Alltag und der Ehe überforderten Weichei die Rufnummer des testosterongesteuerten Macho-Filmstars Ralf Tanner (Heino Ferch) zugewiesen. Für beide bedeutet dies genau jene lebensentscheidende Wende, wie sie der Schriftsteller Leo Richter für solch einen Fall auf dem Papier imaginieren möchte.
Bisher hat der gefeierte Autor mit großem Erfolg die Taten seiner Lebensgefährtin Elisabeth (Julia Koschitz), die sich als Medizinerin bei "Ärzte ohne Grenzen" engagiert, in Dichtung verwandelt. Und er hat mit der krebskranken Rentnerin Rosalie (Senta Berger) seine vornehmlich weiblichen Leser zu Tränen gerührt. Doch seine Schaffenskrise ist perfekt, als ihm beide Frauen von der Fahne gehen: die eine, indem sie die Koffer packt. Die andere, indem sie den vorgesehenen Suizid in der Zürcher Sterbeklinik plötzlich verweigert.
Einem Abstecher in ein postkommunistisches Land, wo eine Autorenkollegin (Gabriela Maria Schmeide) allerlei Unbill erleidet, und einem Seitensprung ihres bei einem Provider angestellten Ehemanns (Thorsten Merten) folgt schließlich die Antwort auf die Frage: Wer hat das Durcheinander der anfangs vertauschten Telefonnummern verursacht?
Gerade der Zwang, in diesem schicksalsmächtigen Puzzle immerfort Sinn herzustellen, lässt die Schauspieler aber stets ganz vorn an der Rampe agieren. Nichts ist nebenbei gesagt, alles wirkt wie ausgestellt. In dem Bemühen, fortwährend Bedeutung zu schaffen, treibt "Ruhm" seinen Protagonisten jede Wahrhaftigkeit aus.
Selbst der patente Mutterwitz, mit dem Senta Berger als robust ergraute Selbstmordkandidatin dem Tod buchstäblich von der Schippe hüpft, wendet sich gegen ihren Erfinder. Was auf dem Papier ein Federstrich ist, erscheint auf der Leinwand als die willkürliche Rücknahme eines ausschließlich zu pädagogischen Zwecken konstruierten Charakters.
So wie diese Figur wirkt "Ruhm" insgesamt: bloß zu Kopf gestiegen.