Liebeskomödie "Right Now, Wrong Then" Ein Mann, eine Frau und jede Menge Alkohol

Liebeskomödie "Right Now, Wrong Then": Ein Mann, eine Frau und jede Menge Alkohol
Foto: GrandfilmDenk ich an Hong Sang-soo, will ich sofort kichern. Ich fühle es innerlich hochkommen, dieses wohlige, fröhliche, etwas irre Gefühl, es ist stärker als der Verstand. Dafür braucht es nicht mal eine Bilderfolge, eine Einstellung allein genügt. Zum Beispiel die von einer Gruppe Menschen, die gemeinsam Hochprozentiges trinken. Eine Szene, wie es sie in Filmen des Südkoreaners oft zu bestaunen gibt. In "Right Now, Wrong Then" immerhin zwei Mal: Die Kamera beobachtet geduldig, aber nicht von allzu weit weg die Szenerie, es wird immer weiter getrunken, viel geredet, manchmal auch gegessen. Man könnte denken: nichts Besonderes. Doch weit gefehlt.
Hong Sang-soo ist ein seltenes Phänomen: Die Begeisterung für seine Filme wird von Filmliebhabern weltweit geteilt, wie bei kaum einem Regisseur sonst, vor allem bei keinem, der ausschließlich Liebeskomödien dreht. Er ist Stammgast auf den wichtigsten Filmfestivals, dreht fast jedes Jahr einen neuen Film und doch lief noch keiner regulär in deutschen Kinos.
Seine Produktionen entstehen mit wenig Budget, mit im Westen weitgehend unbekannten, tatsächlich aber oft sehr etablierten Schauspielern, nach einer spontanen Methode: Der Regisseur schreibt die Drehbuchseiten üblicherweise erst am Tag des jeweiligen Drehs. Auf den ersten Blick macht Hong schlichte Filme, in denen sich einfach nur Menschen lieben, begehren und zu fangen versuchen. Doch sie haben es in sich. Eine Wohltat, dass es endlich ein Film von ihm nach Deutschland schafft, wo wir Liebeskomödien wie diese dringend brauchen - Liebeskomödien, die Menschen verstehen wollen, statt sie vorzuführen.
Es gibt in "Right Now, Wrong Then", tatsächlich mitten im Trinkgelage, auch eine Grenzüberschreitung, wenn der Protagonist sich plötzlich zum großen Erstaunen der fremden Frauen im Raum auszieht. Auch das ist lustig, aber nicht mehr als die Szene es vorher schon war, als einfach nur drei Menschen beieinander saßen, unterschiedlich betrunken, unterschiedlich aufmerksam, mit drei ineinander verhakten Erwartungen und Wirklichkeiten.

Fotostrecke: Denk ich an Hong Sang-soo...
Ein Blick - und da ist die Liebe schon
Es kommt für den Humor bei Hong noch nicht einmal so sehr darauf an, in welcher Beziehung die Menschen zueinander stehen, was sie verbindet, was sie trennt - nur irgendwie unsicher, fragil, offen sind die Verhältnisse, was selbstverständlich auch zum Witz beiträgt. Beim Trinkgelage hier sitzen sich drei Menschen gegenüber, die sich gerade erst kennengelernt haben und doch schon in eine Situation geworfen sind, in der sie über sich selbst reden, sich gerade versuchen, selbst zu entwerfen.
Wie sehr und wie wenig das klappt, darin liegt die ganze Spannung. Alles was passiert, ist jedenfalls unmittelbar da - und erzählt von grundsätzlichen Dingen: Es kann gleichzeitig die Natur des Menschen, des Versagens, des Verzweifelns und des Verliebens offenbaren. Das Kichern, es kommt aus dem Leben selbst, aus der Absurdität der Fassaden, die wir aufrecht zu erhalten glauben, aus der Leichtigkeit, mit der wir bei anderen die Fehler erkennen, und aus dem befreienden Glück, einmal alles ausgestellt zu sehen.
So leicht geht das: Ein Blick - und da ist die Liebe schon. Mal wieder, könnte man sagen, nein, muss man sagen: "Right Now, Wrong Then", einer der schönsten Filme Hong Sang-soos, der ihm einen Goldenen Leoparden beim Filmfestival von Locarno einbrachte, ist das, was alle Filme von ihm sind: eine Geschichte aus dem Alltag von (heterosexuellen) Männern und Frauen. Sie sehen sich an, sie suchen die Nähe zu einander, sie verpassen sich, sie finden sich, sie machen alles kaputt. Auf kleinste Einheiten wird alles reduziert.
Ein Mann, eine Frau und jede Menge Alkohol, das ist ein solcher Mikrokosmos, eine Situation, in der sich alles vereint: Er hofft, sie zweifelt, er trinkt, sie trinkt, er zweifelt, sie hofft. Bei kaum einem anderen Regisseur fühlt sich alles gleichzeitig so austauschbar und so notwendig an. Der Mann, ein Filmemacher, wie die Männer oft Filmemacher sind bei Hong, ist irgendwie aus Versehen zu früh in der Stadt, da läuft er umher, setzt sich in einen Tempel, schläft ein und trifft auf eine schöne junge Frau, eine etwas unsichere Künstlerin. Der Schürzenjäger hat sich vorgenommen, sich zurückzuhalten, aber seiner Natur, oder ist es sein Temperament, entspricht das nicht.
Südkorea 2015
Drehbuch und Regie: Hong Sang-soo
Darsteller: Jeong Jae-yeong, Kim Min-hee, Yoon Yeo-jeong
Produktion: Jeonwonsa Film
Verleih: Grandfilm
Länge: 121 Minuten
Start: 8. Dezember 2016
Es ist ziemlich witzlos, die Filme Hongs nachzuerzählen, jedenfalls für die, die sie noch nicht kennen. Denn ihr Witz erschließt sich erst beim Sehen. Das gilt sowohl für die konzisen, wie etwa "In another Country" mit Isabelle Huppert in der Hauptrolle, als auch für die ausschweifenden wie "Hahaha". Die dramatischen und filmischen Konstruktionen, sie sind allerdings immer faszinierend. Ob sie so ausgetüftelt sind wie in "The Day He Arrives", bei dem die lineare Zeit mehrfach aus den Fugen gerät, oder ob sie so vergleichsweise einfach sind wie in "Right Now, Wrong Then", der in zwei Kapitel geteilt ist und schlicht die gleiche Geschichte nach einer Stunde noch mal von vorn erzählt.
Diese irre Lust zu kichern
Hong ist zugleich ungemein eigensinnig und doch alles andere als originell. Versuche, ihn zu vergleichen, sind immer wieder gescheitert. Von Woody Allen hat Hong nicht viel mehr als die oft wehleidigen männlichen Protagonisten und die gleichzeitig unerreichbar scheinenden und dann doch überraschend erreichbaren Frauen. Mit Eric Rohmer verbindet Hong eine seltene Leichtigkeit und die Verbundenheit zum Genre der Liebeskomödien. Sehr weit führt der Vergleich aber nicht, denn der poetischen Emphase von Rohmer steht die Selbstironie Hongs entgegen. Immerhin die bekannten Jahreszeiten bei Rohmer illustrieren, was in beider Werke im Zentrum steht: Zyklen und Wiederholungen als Kern der menschlichen Erfahrung.
Im Video: Der Trailer zu "Right Now, Wrong Then"
Wiederholungen und Variationen: sie sind ohnehin das Herz des Kinos. Das Überragende sprudelt aus dem Trivialen und die besten Filme sind schon immer Komödien, das ist bekannt. Hong übertrifft solche Gemeinplätze, nein, unterwandert sie eher, weil im Zentrum seiner Arbeit ganz offensiv und ohne jede Scham eine beinahe exzessive Form der Wiederholung steht: Von einem Film zum nächsten wiederholen sich Geschichten, ähneln sich Figuren, doppeln sich Motive und Settings. Immer wieder gibt es da die kleinen südkoreanischen Städte, in die ein Fremder zum ersten Mal kommt. Immer wieder treffen sich Menschen zum Trinken und reden über sich, den Flirt, die Liebe.
Damit aber nicht genug: Selbst innerhalb ein und derselben Konversation sind Schleifen eingebaut, Schleifen eines Menschseins, das sich seiner selbst versichern muss. Da bedarf es schon herausragender Darsteller wie hier Jeong Jae-yeong , der den Mann spielt, und Kim Min-hee, die die Frau spielt. Wenn sie nebeneinander sitzen, sich noch kaum kennen und doch schon unentwirrbar ineinander verschränkt wirken, da fügen sich Struktur und Situation zu einer symbiotischen Erfahrung. Sie wechselt von Minute zu Minute, manchmal noch öfter: Von Fremdscham zu Mitleid, von Trauer zu Freude, von Hoffnung zu Verzweiflung - immer begleitet von dieser irren Lust zum Kichern.