Greencard nur gegen Kampfeinsatz Tödliche Verlockung
Seine Heimat sei immer dort, wo seine Schuhsohlen gerade den Boden berührten, hat Regisseur Rafi Pitts einmal gesagt. Er selber stammt aus Iran, emigrierte 1979 als 22-Jähriger nach Großbritannien und lebt heute die meiste Zeit in Paris.
Vom Zwang und vom unbedingten Willen zum Aufbruch erzählt auch sein in Amerika und im Nahen Osten spielender neuer Film "Soy Nero". Der 19-jährige mexikanische Junge Nero ist als Illegaler in einem Getto von Los Angeles aufgewachsen und wurde dann nach Mexiko abgeschoben. Und doch möchte er um praktisch jeden Preis US-Amerikaner werden - selbst auf die Gefahr hin, dass er beim buchstäblichen Kampf für seine Einbürgerung elend im arabischen Wüstensand verreckt. Er hat sich nämlich als green card soldier, als "Greencard-Soldat", anwerben lassen: Nach dem Kampfeinsatz lockt die Army mit dem US-Pass.

"Soy Nero": Fluchtpunkt Beverly Hills
Der Schauspieler Johnny Ortiz spielt den Jungen Nero in Rafi Pitts' Film, einen Draufgänger mit hübschen, sanften Gesichtszügen. Erst klettert und sprintet Nero über die Grenzbefestigungen zwischen Mexiko und den USA. Dann badet er in Beverly Hills seine Füße in einem Bonzen-Swimmingpool, während eine schöne Frau im Wasser schwimmt. Und zuletzt flüchtet er inmitten einer arabischen Wüstenlandschaft vor den Kalaschnikow-Salven mordgieriger Islamisten.
"Soy Nero", der bei der diesjährigen Berlinale im Wettbewerb lief, ist ein Propagandafilm und überhaupt ziemlich leicht zu begreifen. Er prangert die reale Ausweisungspraxis der US-Behörden gegenüber mexikanischen Migranten an. Tatsächlich lockt die US Army junge, bereits im Land lebende illegale Mexikaner zum Waffendienst - mit dem Versprechen, sie würden, wenn sie für die Nation der Tapferen und Freien in irgendeinen Kriegseinsatz im Irak oder sonstwo zögen, nach ihrer Rückkehr mit einer Greencard, der Aufenthaltserlaubnis, entlohnt. Und tatsächlich wird dieses Versprechen immer wieder gebrochen.
Ein Himmel-und-Hölle-Universum
Der Regisseur Pitts ist mit im Iran spielenden Filmen wie der Gesellschaftskomödie "Die fünfte Jahreszeit" (1997) und dem politischen Rächerdrama "Zeit des Zorns" (2010) berühmt geworden. Seinen Amerikafilm "Soy Nero" hat er all jenen Migrantenkriegern gewidmet, die nach ihrem Einsatz im US-Uniform dann doch wieder in ihr Heimatland deportiert wurden.
Am stärksten ist Rafi Pitts' Film allerdings, wenn er sein Anliegen zu vergessen scheint und in fast schwärmerischer Manier die Verheißungen des gelobten Landes Amerika abbildet. In einer wunderschönen Monumentalaufnahme sieht man da eine kalifornische Landschaft voller Windräder - und dazu wird dem Helden Nero eine absolut blödsinnige Verschwörungstheorie über die Funktion der Windräder aufgetischt.
Ein andermal bestaunt Nero die Einrichtung einer luxuriösen Villa in Los Angeles und starrt entgeistert auf einen riesigen ausgestopften Eisbären, den sich der Besitzer in sein Musikzimmer gestellt hat. Und mitten in der arabischen Wüste hört er zwei afroamerikanischen US-Soldaten, die ihn partout nicht mitreden lassen wollen, neidisch dabei zu, wie sie sich einen absurd lustigen Streit über die Frage liefern, welcher amerikanische Gangster-Rapper nun der genialste sei.
Es sind die Grotesken eines für Fremde leider verrammelten Paradieses, die einen in "Soy Nero" zum Lachen bringen, bevor sich die lehrreiche Ballade des jungen Nero nur noch als Kriegsfilm erzählen lässt. Man kann dem Regisseur Pitts vorhalten, dass er, statt eine Geschichte aus einem Guss zu formen, seinen Helden durch ein Triptychon aus drei völlig verschiedenen Welten jagt.
Aber vielleicht liegt im Auseinanderklaffen der drei Erzählebenen dieses in oft grandiosen Tableaus schwelgenden Films auch eine tiefere Wahrheit. Es ist ein Himmel-und-Hölle-Universum, das sich hier auftut - der Spaß der einen ist darin nur durch das Unglück der anderen zu haben.
Im Video: Der Trailer zu "Soy Nero"
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Deutschland, Frankreich, Mexiko 2016
Regie: Rafi Pitts
Drehbuch: Rafi Pitts, Razvan Radulescu
Darsteller: Johnny Ortiz, Rory Cochrane, Aml Ameen, Khleo Thomas, Darrell Britt-Gibson
Verleih: Neue Visionen
Länge: 118 Minuten
FSK: Freigegeben ab 12 Jahre
Start: 10. November 2016