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Kurzfilmfestival: Zermatschte Gesichter, abgetrennte Körperteile

Hamburger Kurzfilmfestival Penismenschen, abgehackte Arme, schmutziger Sex

Arme fliegen durch die Luft, Schädel werden gespalten. Das Internationale Hamburger Kurzfilmfestival präsentiert zum ersten Mal eine "Spanish Trash Night". Mit viel Blut. Sehr viel Blut.

Ein riesiger Penis steuert auf die Erde zu. Aus seinen Eiern dampfen feurige Antriebsraketen. In dem Phallusraumschiff sitzt ein menschgewordener Penis - oder ein penisgewordener Mensch? So genau weiß man das nicht. Aber eins ist klar, die Kreatur mit dem Vulkan auf dem Kopf, dem runzligen Gesicht und den Krakenarmen will die Weltbevölkerung auslöschen. Mit seinem Ejakulat. Mit der zähen Flüssigkeit verätzt der Penismann Gesichter von schönen Frauen und, vor den Toren einer spanischen Stadt gelandet, Körperteile von bösen Soldaten.

"The Attack of the Mutant Dick from Outer Space" ist einer der zahlreichen Filme, die am Mittwoch auf dem Internationalen Hamburger Kurzfilmfestival zu sehen waren. Das angesehene Festival findet zum 29. Mal statt, 14.000 Zuschauer werden erwartet, 400 Filme aus über 40 Ländern laufen. Die Bandbreite des Programms ist diesmal noch größer als sonst:  Neben der "Spanish Trash Night" werden in diesem Jahr Highlights wie "Filme aus dem Land der Sami", eine Reihe von Filmen aus dem äußersten europäischen Norden, "Dark Traces - neue Tendenzen der Mythenbildung in europäischer Videokunst" und "Avantgarde zwischen Werbefilm und Augenmusik" gezeigt. Der Künstler Karl Nussbaum setzt sich in einer Performance mit Spiritualität, Trauer und Tod auseinander. Und in der Reihe "Klang der Randgebiete" werden Filme vorgestellt, die Geräusche entlegener Orte zum Thema haben.

Kreuz samt Leiche

Zum ersten Mal entschied sich Organisator Jan Fangmeier dazu, schrottige Horrorschocker in der Hansestadt zu präsentieren. Aus Leidenschaft für die Filmform. Fangmeier lebt in Barcelona und hat mitgenommen, was er dort entdeckt hat: die besten Kurzfilme des "Horrorvision"-Filmfestivals, das jedes Jahr im November in der katalanischen Metropole stattfindet. Die Spanier stehen offenbar auf irrsinnige Plots, in die ein bisschen schmutziger Sex, sehr viel Gemetzel und haufenweise matschige Gesichter eingewoben sind.

Am erfolgreichsten lassen die Produzenten von "Fist of Jesus" metzeln. David Muñoz und Adrián Cardona zeigen in ihrem 15-Minuten-Schocker, wie Jesus einfache Dorfbewohner, Soldaten und Cowboys in Zombies verwandelt, die sich gegenseitig abschlachten. Am Ende treten Jesus und sein Filmkumpel Judas eine phänomenale Endschlacht an. Sie wollen das Grauen besiegen. Blut spritzt von allen Seiten, Arme fliegen durch die Luft, Schädel werden gespalten. Judas muss sich zu den Schandtaten überwinden, doch Jesus freut sich über jede Seele, die er in den Himmel schickt. Am Ende steht er da, blutüberströmt, mit wildem Grinsen und mordet mit der letzten Waffe, die ihm bleibt: einem Kreuz samt Leiche daran.

Mit zehn Jahren hat Dani Moreno seine Freunde in Toilettenpapier eingewickelt und sie als Mumien umherlaufen lassen. Der Regisseur von "The Attack of the Mutant Dick from Outer Space" holte sich dann die Videokamera seines Vaters und drehte seinen ersten Mumien-Trashfilm. Danach konnte er nie wieder damit aufhören. "Ich hatte das Gefühl, es machen zu müssen", sagt Moreno. Mehr als 30 Kurzfilme hat der Spanier mittlerweile schon verwirklicht.

Fieber bei der ersten Präsentation

Auf dem Festivalgelände im Nordwesten Hamburgs sitzt der 32-Jährige auf einer Couch und erzählt von seiner Liebe zum Klamauk. Er trägt Schwarz, hat die Haare seines Vorderkopfes auftoupiert und zu einer Tolle geformt. Er sieht aus wie ein Rockabilly-Metal-Hipster. Als er seinen ersten richtigen Kurzfilm "Amazing Mask versus Supernatural Vodoo Woman" erstmals öffentlich zeigte, war er so aufgeregt, dass er Fieber bekam. Mit Herzblut mache er seine Filme, sagt er.

Moreno lässt sich von Horrorfilmen der fünfziger und achtziger Jahre inspirieren. "Nach dem Krieg haben die Menschen gelernt, mit wenig Geld Filme zu drehen." Und in den achtziger Jahren haben sie einfach aus Spaß billige Trashfilme wie "Night of the Creeps" produziert. Mit seinen Werken lebt Moreno die Freiheit. "Ich kann jede Idee einbauen, die ich mag. Es gibt keinen Produzenten, der mir etwas vorschreibt." Nur in Horror-Trashfilmen könne man wirklich alles machen. "Die Zuschauer werden verrückt, wenn sie das sehen, halten sich die Hände vor die Augen, schreien herum", sagt Moreno.

Egal, wie klamaukig und sinnlos die Kurzfilme sind, irgendwie muss man doch jedes Mal hinschauen, wenn fremde Geschöpfe aus Körpern herauskommen, wenn sich Männer in lüsterne Werwölfe und Frauen in haarlose Hexen verwandeln. Der Film "Bariku Light" etwa zeigt einen verwahrlosten Hausmann, der von einem Porno so erregt wird, dass er beginnt, sich selbst aufzuessen. Finger für Finger. Arm für Arm. Bis am Ende nur noch ein Kopf auf dem Sofa übrigbleibt. Und Blut. Viel Blut.

Horror-Trashfilme sind Filme, die aus Müll gemacht werden, findet Dani Moreno. Aber sie sollen zeigen, wie bunt und schön das Leben sein kann. Geld kann Moreno zwar nicht als Regisseur verdienen, und seitdem die Krise Spanien beherrscht, sagt er, falle es Regisseuren ohnehin immer schwerer, Projekte umzusetzen. Aber irgendwie hält Moreno sich über Wasser - als Synchronstimme, Zeichner oder mit dem Verkauf von Trash-Shirts. Doch auch wenn er eine Million Euro für ein Projekt zur Verfügung hätte, würde er alles machen wie immer: Die Masken und Kostüme selbst basteln und ehrenamtliche Schauspieler einsetzen - und dann den trashigsten Film aller Zeiten produzieren.


29. Internationales Kurzfilmfestival Hamburg: 4. bis 10. Juni 2013

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